Namen & Neues
Heerstraße und Kladow: Angst vor den Autos aus Krampnitz
Veröffentlicht am 25.08.2020 von André Görke
Angst vor den Autos aus Krampnitz. In Spandau geht die Furcht um: vor der Blechlawine aus Potsdam. Kurz hinter Kladow entsteht in der alten Sowjet-Kaserne Krampnitz ein Viertel für 10.000 Leute. Die Straßenbahn wird bis 2030 dorthin verlegt, doch viele fürchten, dass die meisten lieber fix mit dem Auto nach Berlin reinfahren – über Kladow und die bumsvolle Heerstraße. Gollaleh Ahmadi und Oliver Gellert, beide Grüne, schlagen deshalb im Rathaus vor, die Straßenbahn von Krampnitz nach Spandau zu verlängern. Der Haken: Das sind schlappe 14 Kilometer Strecke – nach Berliner Maßstäben dürfte das zwei, drei Tage dauern.
Wie ist eigentlich der aktuelle Stand der Verkehrsanbindung für das Mega-Quartier? Der Kreisverkehr in Kladow ist vom Tisch, stattdessen wird eine Kreuzung am Ritterfelddamm gebaut. Das hatte ich Ihnen im Frühjahr verraten. Und ab 2022 soll die neue Regionalbahn-Linie RB21 (Gesundbrunnen-Spandau-Potsdam) in Marquardt halten, der so was wie der neue Hauptbahnhof von Krampnitz werden soll. Reicht das? Im Abgeordnetenhaus hat sich jetzt Bettina Domer, SPD, noch einmal dahintergeklemmt. Ist zwar Brandenburg, soll aber trotzdem keiner in 10 Jahren sagen können, man habe das Problem nicht nach Berlin schwappen sehen.
„Neue Radwege, neue Buslinien“. In der Antwort von Berlins Staatssekretär Ingmar Streese, Grüne, ist die Rede von einer Verdichtung des Bustaktes und „einem Ausbau der Radwege“. Wie viele Leute morgens und abends wirklich durch den Wald fahren werden, kann ich schwer einschätzen, halte die Zahl der Otto-Normal-Radfahrer angesichts der Streckenlänge für eher übersichtlich. Ohne die BVG wird das alles nicht gehen: Doch der neue Schnellbus X38 (Spandau-Krampnitz) wird leider auch erst frühestens 2029 kommen. Das hat die BVG hier neulich mitgeteilt. Dabei ist der Bedarf groß. Das zeigen spannende Zahlen des Senats.
Senat rechnet mit immer mehr Autos. 2018 kalkulierte der Senat noch mit 2200 Autos pro Tag aus Potsdam, die sich über die Potsdamer Chaussee in Kladow zur Heerstraße quälen. Ächz, uff, hup. Mittlerweile ist in den Senatspapieren allerdings bereits die Rede von „3.400 Kfz/24 Stunden“ – das sind über 20 Kilometer Blech, Stoßstange an Stoßstange. „Es ist aus Sicht des Bezirks davon auszugehen, dass der motorisierte Individualverkehr in Richtung Spandau und weiter Richtung Innenstadt zunehmen wird“, schreibt Stadtrat Frank Bewig, CDU. „Damit trifft dieser zusätzliche Verkehr auf einen in den Spitzenzeiten bereits jetzt überlasteten Knoten Wilhelmstraße / Heerstraße und die überlastete Heerstraße. Der Bezirk wünscht sich eine deutliche Verbesserung des ÖPNV-Angebots, verbunden mit einer entsprechenden Bevorrechtigung.“ Also mehr Busse, Sonderspuren, bessere Ampelschaltung.
Zu den Staus kommen die Baustellen – und diese hier wird ganz dick. „Das Straßen- und Grünflächenamt Spandau plant gerade den Neubau des Ritterfelddamms zwischen Selbitzer Straße und Potsdamer Chaussee“, teilte Staatssekretär Streese mit. Dieser 1650 Meter lange Abschnitt ist bröseliger als Streuselkuchen, der Radweg eng und holprig und der Fußweg ein Witz. Kosten für diese 1650 Meter: über 6 Mio. Der Bezirk plant zudem parallel den Ausbau von Kladower Damm und der Straße Alt-Gatow. Doch die komplizierten Senatspläne sehen auch Regenentwässerungsanlagen neben Fahrbahn, Fußweg, Radweg und Bäumen vor – das ist an vielen Stellen unmöglich eng. Bewig sagt daher diesen entscheidenden Satz: „Ein Realisierungszeitraum ist aufgrund des zu erwartenden Widerstands der betroffenen Anliegerinnen und Anlieger nicht zu prognostizieren.“ Öhm, aber wäre da vielleicht noch Platz für ’ne klitzekleine Straßenbahn-Trasse! – Quelle: schriftliche Anfrage Nr 24289 – Text: André Görke
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