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"Watergate" am Groß Glienicker See? Wie Ämter auf das Gerücht um Wasserdiebstahl reagieren

Veröffentlicht am 20.10.2020 von Robert Klages

Illegale Wasserentnahme aus dem Groß Glienicker See? Es kursiert da ein PDF, das dies belegen soll. Es ist über einen Freund, zu einem Freund… bis zu uns in die Redaktion gelangt. Durch das sinkende Grundwasser ist seit Jahren ein Rückgang des Seewasserspiegels zu beobachten. So hat sich die Wasserkante an der südöstlichen Kladower Badestelle mit dem einladenden Namen „Moorloch“ um mehr als zehn Meter zurückgezogen. Das Problem ist bekannt, es gab 2019 bereits Bürgerversammlungen dazu. Ein Artikel vom 29. Juli 2019 zeichnet die Lage: Hitzerekord, Wasserqualität gut, aber zu wenig davon da.

In dem PDF wird von Wasserdiebstahl gesprochen: Eine unbekannte Anzahl Anlieger hole sich „das kostbare Nass“ per Standleitung aus dem See, lautet der Verdacht. Auf einem Areal gebe es zum Beispiel „erstaunlich gepflegten Rasen“. Hat da jemand einen grünen Daumen oder zu viel Wasser? In dem PDF sind Fotos von Leitungen, Schläuche so dick wie die von der Feuerwehr, drei Stück an einer Stelle. Durch die ausgezeichnete Wasserqualität könnten die Schläuche zurückverfolgt werden, heißt es in dem Dokument. Einen der Anlieger, gegen den sich der Vorwurf richtet, habe ich leider vergeblich versucht, seine Sicht der Dinge darzustellen. Das PDF enthält weitere Fotos, die eine Wasserentnahme aus dem See dokumentieren sollen. Es sei mit rund 100 Stegen mit ähnlichem Anschluss zu rechnen. Die Fotos sollen im September aufgenommen worden sein und auf der Berliner und nicht der Brandenburger Seite des Sees.

In Berlin brauchen Besitzerinnen und Besitzer von Ufergrundstücken an stehenden Gewässern zur Wasserentnahmen eine Genehmigung des Bezirksamts. Diese wird nur erteilt, wenn der Wasserstand ein Mindestmaß nicht unterschreitet. Sollte jemand früher eine Genehmigung erhalten haben, müsste das Bezirksamt prüfen, ob diese womöglich zurückzunehmen ist, da die Wasserknappheit in dem See bekannt ist.

Per Allgemeinverfügung hat zumindest die Stadt Potsdam, Untere Wasserbehörde, am 9. August 2019 ein Verbot der Entnahme von Wasser aus Oberflächengewässern mit Hilfe von Pumpeinrichtungen zu Bewässerungszwecken erlassen. Die Verwaltung wies darauf hin, dass Zuwiderhandlungen gemäß Wasserhaushaltsgesetz mit Geldbußen von bis zu 50 000 Euro geahndet werden können. Eine Nachfrage ergab: Im Jahre 2020 galt das Wasserentnahmegesetz allerdings nur bis zum 30. September. Derzeit bestehe kein solches Gesetz, sagte mir die Pressestelle des zuständigen Amtes in Potsdam. Zudem galt es nur in der Stadt Potsdam. Die Fotos in dem PDF wurden nun allerdings auf der Berliner Seite des Sees aufgenommen, bestätigte die Pressestelle. Da sei man nicht zuständig.

Das Bezirksamt Spandau leitete meine Anfrage diesbezüglich an den zuständigen Stadtrat weiter, Andreas Otti von der AfD. Dieser befand sich um Urlaub, sein Büro schrieb mir am Montag, dem Umwelt- und Naturschutzamt sei nicht bekannt, dass Privatpersonen Wasser aus dem See entnehmen. Dazu sei eine Erlaubnis notwendig. Anträge und Genehmigungen würden für diesen See nicht vorliegen. Allerdings macht Otti darauf aufmerksam, dass es sich bei den auf den Bildern im PDF gezeigten Rohren um die Zuleitungen der ehemaligen Belüftungsanlage des Sees handeln dürfte.

Diese war Anfang der 2000er Jahre im Bereich der Halbinsel installiert worden, um mittels Sauerstoffzufuhr die Wasserqualität des Sees zu verbessern. Die Rohre wurden belassen, um im Bedarf auf diese Infrastruktur zurückgreifen zu können. Für die Wasserentnahme sind sie nicht geeignet. Ein anderes Foto des Anwohners zeigt ein Rohr, das in eine Steinzuschüttung führt. Otti dazu: Diese diente früher der Ufer- und Böschungssicherung und sei mit dem Umwelt- und Naturschutzamt abgestimmt.

Als Gründe für den sinkenden Wasserspiegel des Sees nennt Otti die Wasserentnahme im Rahmen der Grundwasserförderung (Zuständigkeit: Senatsverwaltung). Zum anderen sei die Wassermenge, die durch Regen dem See zufließt, gesunken und gleichzeitig die Verdunstung stark angestiegen. Die verschiedenen Starkregenfälle könnten dieses Defizit  nicht ausgleichen. Darüber hinaus verfügt der See über keinen natürlichen Zufluss. – Text: Robert Klages

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Und darum ging’s noch in der aktuellen Ausgabe:

  • Streit um angebliche „Rassenkunde“ im Unterricht
  • Politischen Druck auf das Bezirksamt erhöhen“: Spandauer Grüne mit Konzept zur Stärkung des Radverkehrs
  • Vom Müggelsee bis zur Havelmündung in Spandau: Porträt einer Flusslandschaft
  • Tribüne im Garten der Lutherkirche abgebrannt, vor Kirchentür uriniert – Anwohner beklagen Situation mit „Freilufttrinkern“
  • Peter Sauerbaum, Vorsitzender von „Discover Jewish Europe e.V.“ stellt sich vor
  • „Yoga sollte nicht mit Sport verwechselt werden“ – Interview mit einem Orthopäden
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