Namen & Neues
Foto-Roman in der "Wilma": Stadtrat am Redaktionstisch
Veröffentlicht am 05.06.2023 von André Görke
In Berlin-Wilhelmstadt gibt’s Irritationen – wegen der beliebten und ziemlich guten Kiezzeitung „Wilma“, die auch ich hier als Ideengeber und Info-Quelle im Spandau-Newsletter schätze und respektiere.
Die „Wilma“ erscheint seit 2012, hat eine stolze Auflage von 6000 Stück, dient vielen als Kiezsprachrohr und liegt in Bars, Läden und Kiezbüros aus. Kurzum: Diese Zeitung ist wichtig für den Kiez. Doch letztens gab’s plötzlich keine Inhalte, sondern zwei nichtssagende Seiten mit bunten Bildchen. Ein Fotoroman?!
Das hat viele im Kiez überrascht – auch das Führungsteam der „Stadtteilvertretung Wilhelmstadt“ um Michael Henkel, Markus Ritter, Friedrich Bernd (haben ihre Zentrale in der alten Post). Denn auf den zwei Seiten sollte u.a eigentlich eine große Geschichte zu dem stehen, was viele der 40.000 Einwohner der Wilhelmstadt bewegt. Im Herbst 2023 ist nämlich Baustart fürs Millionenprojekt an der Schulenburgbrücke. Es entstehen neue Gleise, neue Kreuzungen, Fußgängerüberwege, ein neuer Südhafen, auch Radwege sind geplant. Darüber wollte die Wilma informieren – hier im Tagesspiegel stand’s ja vor sechs Monaten auch schon. Gebaut wird bis 2029.
Doch die Doppelseite wurde vom Rathaus gestoppt, weshalb die „Stadtteilvertretung Wilhelmstadt“ nun „etwas irritiert“ ist und Stadtrat Thorsten Schatz, CDU, einen Brief geschrieben hat, der mir vorliegt. Dass statt gehaltvoller Infos „eine etwas deplatziert wirkende und offenbar eilends lückenfüllend eingearbeitete doppelseitige Fotosammlung ohne erkennbaren Nährwert das Auge des Betrachters füllt, erscheint angesichts des Förderauftrages wenig sachgerecht“, heißt es im bissigen Brief an den Stadtrat.
Allen Beteiligten geht es ausdrücklich nicht um Eskalation, sondern ums klare Prinzip der freien Selbstbestimmung einer Kiezzeitung – auch wenn dahinter der Bezirk steckt. Ohne Selbstbestimmung ist es halt nur müde PR-Broschüre.
„Da dieser Vorgang angesichts der (…) redaktionellen Selbstbestimmung und Unabhängigkeit vom Auftraggeber einmalig ist, können wir diese inhaltliche Einflussnahme nicht recht verstehen. Es wäre sehr schade, wenn die Glaubwürdigkeit der Wilma in Zweifel gezogen würde“, heißt es in dem Brief, der als freundliches, aber klares „Stopp“-Schild zu verstehen ist. Die Wilma-Redaktion selbst äußert sich nicht.
Die Stadtteilvertretung hatte auf Antworten des Stadtrats gehofft, doch die blieben in den letzten Wochen aus. Ich bat Thorsten Schatz erneut um seine Sicht auf die Dinge hier im Newsletter. Der CDU-Politiker sieht das heute alles etwas anders.
„Die Wilma war schon immer und ist auch aktuell eine Publikation des Bezirksamtes Spandau“, erwidert Schatz und schildert den Fall so: „Eine Journalistin recherchiert in unserem Auftrag Themen, schreibt Texte und sammelt liebevoll Geschichten aus dem Kiez. Als Herausgeber der Zeitung bringt sich das Bezirksamt daher selbstverständlich in die Themensetzung ein, insbesondere weil wir die Interessen des Landes Berlin im Blick behalten und die inhaltliche Richtigkeit von Texten gewährleisten müssen. Dies gilt vor allem dann, wenn über Projekte des Landes Berlin berichtet werden soll.“
„Auf Wunsch der Senatskanzlei, die für das Projekt Südhafen koordinierend verantwortlich ist“, so Schatz weiter, „ist beispielsweise eine Veröffentlichung erst in der zweiten Hälfte des Jahres 2023 vorgesehen, da diese Veröffentlichung im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung des Senats am Projekt erfolgt“.
- Die Stadtteilvertretung Wilhelmstadt im Netz: www.stv-wilhelmstadt.de
- Die Zeitung „Wilma“ im Netz: wilhelmstadt-bewegt.de/stadtteilzeitung-wilma
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