Kiezgespräch
Veröffentlicht am 04.09.2018 von André Görke
Spatenstich für die Wasserstadt 2.0. Es ist aktuell das größte Wohnungsbauprojekt der Stadt. Anders als etwa in Pankow, wo noch debattiert wird, rollen im Spandauer Norden die Bagger – 2500 Wohnungen entstehen in der „Wasserstadt“. Das ist jenes Quartier, an dem sich das Land Berlin in den 90ern fürchterlich verhoben hat. Der erwartete Bevölkerungszuwachs ist damals nicht eingetreten, Läden standen leer, Straßen führten über einsame Wiesen, der Kiez hat einen eher schlechten Ruf. 20 Jahre später wird jetzt neu gebaut: Der erste Abschnitt am östlichen Havelufer umfasst 14 Häuser – Fertigstellung: 2020. Zum Spatenstich reist Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) am Mittwoch nach Spandau. Wir sprachen für den Spandau-Newsletter mit Snezana Michaelis, 47, Vorstand der Gewobag, die dort mit der WBM baut.
Frau Michaelis, haben Sie ein Boot? Nein.
Dann gute Anreise. Die Busse sind voll und stecken im Stau. Die Anbindung der Wasserstadt ist eine Katastrophe. Da widerspreche ich Ihnen aktuell nicht.
Und jetzt kommen Sie und bauen dort noch mal 2500 Wohnungen. Ja, aber es gibt konkrete Pläne, dieses Viertel besser zu erschließen. Wir stehen mit der BVG und mit der Verkehrsverwaltung in engem Kontakt. Wir haben das Glück, viel Vorarbeit aus den 90er Jahren nutzen zu können, die uns jetzt Aufwand erspart. Die Straßen sind gebaut, und selbst die Straßenbahntrasse ist in den Unterlagen eingezeichnet. Schauen Sie sich den Spandauer Norden mal genauer an, wir übernehmen ja auch 1500 Wohnungen in Gartenfeld …
… dem Neubauprojekt ums Eck … und jetzt schlagen Sie mal einen Zwei-Kilometer-Radius um die Wasserstadt: Da entstehen in den nächsten Jahren 8000 Wohnungen, das heißt: 16.000 Menschen werden dort hinziehen.
Wer? Schauen Sie, aktuell wird über den Siemens-Campus gesprochen, da geht es um viele, viele Arbeitsplätze der Zukunft. Und denken Sie nur an die Urban Tech Republic, wie das neue Quartier auf dem Flughafen Tegel heißt – die Leute müssen irgendwo wohnen. Spandau liegt gleich um die Ecke.
Derzeit liegen vor allem tausende Neubauwohnungen in der TXL-Schneise. Tegel wird geschlossen. Ich verlasse mich auf die Beschlüsse der Politik.
Sie gucken positiv nach vorn. Das Viertel auf der Westseite der Havel gilt allerdings als sozial schwierig. Es gibt große Unterschiede zwischen dem bereits bebauten Westufer und dem Ostufer der Wasserstadt. Wir erkennen heute – aber das ist in der Rückschau immer leicht gesagt -, dass damals Fehler gemacht worden sind, und dass wir Dinge besser machen müssen. In der westlichen Wasserstadt waren über 30 Prozent der Flächen für Gewerbe eingeplant – 30 Prozent für Büros, eine Wette auf die Zukunft! Den Bedarf gab es aber lange nicht. Leerstand ist das Schlimmste, was einem Neubaugebiet passieren kann. Der fundamentale Fehler aber ist ein anderer: Es gibt keine Blickbeziehungen zum Wasser.
Stimmt. Das wird am Ostufer anders – ein offener Städtebau, mit einer Promenade zum Flanieren. Da wird man in der Abendsonne sitzen und aufs Wasser gucken. Auf einem der Häuser, in rund 25 Metern Höhe, wird es sogar einen öffentlichen Dachgarten geben mit viel Grün und einem schönen Blick auf die Havel.
Und wer soll das bezahlen? Das werden sich alle leisten können. Wir sind eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft und stehen für bezahlbare Mieten. Die Hälfte unserer Wohnungen sind für WBS-Berechtigte, die anderen zahlen im Schnitt unter zehn Euro den Quadratmeter.
Allerdings am Stadtrand. Komisch, ich sehe Berlin immer anders. Berlin ist eine polyzentrische Stadt, es sind zwölf Großstädte, die an ihren Rändern zusammenkleben. Und für jeden beginnt der Rand woanders. Ich empfinde die wachsende Stadt als ungemein spannend, als Chance, denn das Gegenteil wäre Schrumpfung, und das bedeutet nie Gutes für eine Stadt. Wir als Gewobag haben schon jetzt rund 14.000 Wohnungen in Spandau, es ist unser wichtigster Bezirk. Wir haben dort unseren Ursprung – in Haselhorst. Nächstes Jahr werden wir 100 Jahre alt.
Vor 20 Jahren wurde in der Wasserstadt damit geworben, dass sogar der Supermarkt in der Wasserstadt einen Anleger bekommt. Haben Sie auch eine steile Idee? Wissen Sie, ich habe in Konstanz studiert. Die Stadt nutzt das Wasser vor der Tür ganz selbstverständlich. Ich bin mit der Fähre quasi zum Hörsaal gefahren. Warum sollte Spandau nicht die breite Havel nutzen und Wassertaxis zur Altstadt anbieten? Wir prüfen das ganz ernsthaft gerade. Es ist nie falsch, Visionen zu haben.