Kiezgespräch

Veröffentlicht am 16.10.2018 von André Görke

Ein Hirsch ist aus dem Wildgehege Hakenfelde ausgebüxt und kilometerweit gelaufen, ehe er an der B5 in Dallgow betäubt wurde – Foto hier. Es war die Geschichte des Monats. „Das Wildgehege gibt es schon ewig“, erinnert sich Wolfgang Korn in der Forstzentrale. „Ich war in den 50er Jahren schon dort.“ Korn muss es wissen: Sein Vater war bis vor 20 Jahren Förster in Spandau, er ist aufgewachsen im Forsthaus an der Hubertusallee. Und der Hirsch? Korn: „Rufen Sie mal Oliver Schuppert an.“ Der ist 45 Jahre alt, Oberförster in Spandau.

Na dann: Ring, Ring! …

Schuppert, Hallo?

Hallo Herr Schuppert, Spandau-Newsletter hier. Wie geht’s denn Kroke so?

Alles wieder in Ordnung. Er war etwas wackelig auf den Beinen, das lag am Narkosemittel, da mussten wir aufpassen, dass die anderen ihn in Ruhe lassen. Kroke ist eigentlich der Platzhirsch und wir wollen nicht, dass seine Schwäche ausgenutzt wird.

Wer hat denn das Tor geöffnet?

Das wurde vorsätzlich aufgebrochen, die Türen weit aufgeklappt und mit Ästen fixiert – das war Absicht. Verstehe ich nicht, das ist völlig falsche Tierliebe. Das Tier ist zehn Jahre alt, seit drei Jahren bei uns, er ist im Gehege aufgewachsen und an Menschen gewöhnt. Kroke rennt nicht einfach so in den Wald und weg ist er. Den Tieren fehlt das Fluchtverhalten. Gehegewild, das dann unfreiwillig in die vermeintliche Freiheit entlassen wird, kommt mit den Lebensumständen draußen gar nicht klar. So war’s auch bei Kroke, der lief orientierungslos umher. Er sah Menschen, Autos, Lichter, ist dann immer weiter in die Stadt gelaufen, durch Häuserschluchten, Parks, über Straßen … das war gefährlich für Mensch – und auch fürs Tier. Wir wollen ja, dass er lebt.

Gestoppt wurde er in Dallgow an der B5.

Genau. Die Zusammenarbeit von Polizei, dem Tierarzt und den anderen Revierförstern war richtig gut. Wir standen die ganze Zeit in Telefonkontakt und konnten so den Rothirsch lokalisieren. Wir hatten den Pferdeanhänger dabei. Allerdings war mir schon etwas mulmig, als er dann auf der B5 an der Mittelleitplanke entlanggelaufen ist … hätte ja sein können, dass er in den fahrenden Gegenverkehr springt. Da hätte ein schlimmer Unfall entstehen können! Wir konnten dem Tier allerdings seine Erschöpfung ansehen. Unsere Tierärzte konnten Kroke mit dem Betäubungspfeil stoppen – ein glückliches Ende.

Gab’s einen Willkommensgruß aus der Forstküche?

Nur Heu.

Wieso heißt der eigentlich Kroke?

Das war meine Tochter, als sie drei Jahre alt war. Keine Ahnung, wie sie drauf kam. Die anderen Tiere haben keine Namen.

Es ist immer irre, wenn man mit Kindern am Gehege steht. Die fangen an zu flüstern und sind ganz fasziniert von dem Rotwild …

… das Wildgehege ist ja auch lehrreich, wir haben oft Schulklassen da. Was gar nicht geht, sind verdorbene Früchte und Nudeln im Übermaß. Besser ist unser Futter aus dem Automaten, kostet 1 Euro. Oder Kartoffelschalen, Äpfel aus dem Garten, aber nicht die verschimmelten! Und Kastanien, Eicheln mag er, oh ja.

Am besten kommt man morgens, wenn die Tiere Hunger haben und …

… nein, das ist Quatsch. Die Tiere äsen, wenn sie Hunger haben, fertig. Derzeit ist das Rotwild morgens sogar eher ruhiger, da bis vor einigen Tagen die Brunft noch voll im Gange war und sich diese in der Nacht und den frühen Morgenstunden abspielt. Wiederkäuer benötigen Ruhephasen, um zu verdauen.

Was machen Sie als Förster eigentlich im Winter? Der Wald kommt zur Ruhe ….

… Herbst und Winter sind keine ruhige Zeit, denn der Holzeinschlag beginnt und auch bei der Jagd ist mehr los als im Frühjahr und Sommer. Das Revier ist das größte innerstädtische Revier der Berliner Forsten. Hier arbeiten acht Forstwirte, zwei Rückepferde…

… und Grille, Ihr Hund.

Sie hat mittlerweile eine kleine Freundin – Silvia, 13 Monate alt, eine hannoversche Schweißhündin. Silva soll einmal in die Fußstapfen der nun achtjährigen Grille treten.

Und Sie alle sind immer draußen?

Der Wald muss gepflegt werden, das ist das Gesetz Nr 1. Es war sehr trocken im Sommer 2018, wir haben viele Borkenkäfer in der Fichte. Die Käferholzaufarbeitung läuft auf Hochtouren. Und denken Sie nur an den Sturm vor einem Jahr! Da ist viel Holz umgefallen. Mit der Aufarbeitung sind wir fertig, das Holz ist verkauft. Im Herbst bereiten wir noch Pflanzflächen vor und bauen Zäune um die kahlen Stellen im Wald. Da wächst dann junges Laubholz – Eichen, Hainbuchen, Ulmen und Eschen. Der Wald soll auch in Zukunft attraktiv für die Berliner sein.

Und die Wildschweine in Spandau?

Puh, es war ein außergewöhnliches Jahr. Der Winter war sehr mild, viele Frischlinge haben überlebt, und durch die Wärme gab es dann auch noch viel Nahrung. Die Tiere mussten nicht weit laufen. Die blieben lieber träge in ihrem kühlen Waldversteck. Mit Mais konnten wir sie nicht auf Lichtungen locken – die hatten ja genug. Das alles hat es für uns so schwer gemacht, einzugreifen und zu schießen – sie waren einfach nicht aktiv.  Und jetzt fällt denen das Futter schon wieder vom Himmel. Wir haben viele Eicheln und Bucheckern in diesem Jahr, extrem viele! Deshalb gibt es so viele Wildschweine. Wir haben noch ordentlich zu tun im Herbst.