Kiezgespräch

Veröffentlicht am 19.02.2019 von André Görke

„Ich habe Existenzangst.“ In der Wasserstadt gibt es Ärger. Am anderen Ende des Telefons: Walter Lang, 61, Unternehmer. Ihm und den anderen Händlern dort droht die Gentrifizierung. Worum geht es? Das Interview aus dem neuen Spandau-Newsletter vom Tagesspiegel.

Herr Lang, was ist passiert? „Ich bin 1994 mit meiner Firma hier in die Rhenaniastraße gezogen. Das ist ein kleines Industriegebiet nahe der Havel. Auf dem Gelände haben sich über einen Zeitraum von 25 Jahren Fertigungsbetriebe, Handwerker, Handelsfirmen, Büros angesiedelt – insgesamt 17 Betriebe, insgesamt 165 Personen. Jetzt werden wir hier einfach verdrängt und finden keine Ersatzflächen mehr in Spandau. Dabei hat man versprochen, uns zu helfen. Sollen wir klaglos schließen?“

Was machen Sie da persönlich? „Ich verkaufe Gartenmöbel und bin einer der größten Kettler-Händler in Nordost-Deutschland. Ich mache das seit 1984, habe früher meine Ware zum KaDeWe, zu Höffner oder Wertheim geliefert. Heute kommen die Kunden zu mir, viele aus bürgerlichen Kiezen wie Heiligensee, Kladow oder Zehlendorf, da brauche ich die Nähe zur Stadtautobahn, um im Wettbewerb zu bestehen. Und das alles steht jetzt einfach so vor dem Aus. Wir haben jetzt die Kündigung zum 31. Dezember 2019 erhalten.“

Dort entsteht die neue Wasserstadt mit einem Gymnasium und 900 Wohnungen. „Ich weiß, dass Wohnraum dringend benötigt wird und auch wichtig ist. Aber es muss irgendwo auch Platz für Spandauer Mittelständler geben. Es gibt keinen Bestandsschutz für Gewerbetreibende wie uns, wir werden einfach verdrängt. Das betrifft den Tischlermeister bei uns und auch den Kfz-Schlosser an der Schmidt-Knobelsdorf-Kaserne. Wo sollen wir alle hin?“

Hört Sie die Politik? „Wirtschaftsstadtrat Gerhard Hanke von der CDU war schon bei uns, Swen Schulz von der SPD kommt nächste Woche genauso wie die Linke mit Evrim Sommer … aber mir geht es nicht um einzelne Parteien. Ich möchte einfach allen unser Problem schildern, mit dem ich nicht alleine hier stehe und Existenzangst habe. Ich habe auch schon mit der Gewobag, unserer Vermieterin, geredet. Wo Menschen wohnen, sollen ja auch in der Nähe Jobs entstehen – und nicht nur ein Aufbackshop und ein Kiosk. Ich hoffe, dass wir eine Zukunft haben in Spandau und nicht irgendwo hinterm Stadtrand in Brandenburg.“
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Bezirkschef: „Es muss Ersatz geben.“ Kurz nachdem wir das Gespräch geführt haben, trafen wir Bürgermeister Helmut Kleebank, SPD, und sprachen ihn spontan auf die Sorge der Händler an. „Alles dort oben so zu lassen wie es ist – das geht nicht“, sagt er. „Wir brauchen Wohnungen, wir brauchen die Schule dort.“ Aber: „Es muss eine Ersatzlösung geben.“ Und da bleiben wir einfach mal dran. – André Görke
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Diesen Text haben wir dem neuen Spandau-Newsletter vom Tagesspiegel entnommen, mit dem wir Sie einmal pro Woche gebündelt und kompakt informieren. Den Spandau-Newsletter können Sie komplett und kostenlos bestellen unter leute.tagesspiegel.de.