Kiezgespräch

Veröffentlicht am 07.01.2020 von André Görke

Er sieht sie seit 25 Jahren: die 100-Millionen-Baustelle im Zentrum. Der Chef-Entwickler im Rathaus von Berlin-Spandau heißt Markus Schulte. Seit 2008 leitet er den Fachbereich Stadtplanung. Ruhiger Typ, feiner Humor, ostwestfälische Gelassenheit am Telefon. 2020 wird für Markus Schulte ein besonderes Jahr. Denn 2020 soll’s losgehen auf der Postbrache – diesem prominenten Grundstück in bester Lage zwischen Rathaus, ICE-Bahnhof und Havel (hier eine Tagesspiegel-Fotostrecke). Dort ist bis 2023 ein Hochhausviertel für 100 Millionen Euro geplant, mit Cafés, Hotels, Stadtplatz. Diese Woche reißen Bagger die letzten Reste der Post-Ruine ab, die dort seit den 90ern vor sich hindöst. Im Spätsommer könnte Baustart sein. Investor Agilolf Bachner hat hier im Newsletter seine Pläne mal groß vorgestellt („Die Lage ist so geil“). Für Spandaus Chefplaner Schulte hat diese Baustelle eine ganz spezielle, weil persönliche Bedeutung – die Baustelle begleitet ihn seit dem ersten Arbeitstag vor 25 Jahren im Rathaus Spandau. Das verriet er mir jetzt.

  • „Ich habe 1995 in Spandau angefangen. Ich komme ursprünglich aus Ostwestfalen. Ich habe in Berlin studiert und meine Diplomarbeit über das Umfeld der Zitadelle geschrieben. So kam der Kontakt zustande.
  • Mein damaliger Chef hieß Walter Göllner. Ich erinnere mich, dass wir am ersten Tag gemeinsam aus dem Rathaus-Fenster guckten: Was tun mit diesem Filetgrundstück da drüben? Er meinte die Post. So lange beschäftigt mich dieses Grundstück schon – wirklich seit dem ersten Tag.
  • Die Post hatte 1995 keine Zukunft mehr, wir brauchten eine städtbauliche Idee. Damals, Mitte der 90er, sah es noch ganz anders aus – aber alles war schon im Wandel.
  • Der neue, gläserne ICE-Bahnhof sollte gebaut werden, daneben das große Einkaufszentrum auf dem Güterbahnhof. So was gab es ja nicht in Spandau. Und auf der anderen Straßenseite lag die Post.
  • Ich erinnere mich an Ideen für einen 130-Meter-Tower, an eine Marina, an ein großes Theater – wurde aber alles nicht gebaut. Das Grundstück hatte leider viele Besitzer mit vielen Ideen, aber Spandau stand viele Jahre nicht so im Fokus. Das Projekt kam einfach nicht voran, aus ganz unterschiedlichen Gründen.
  • Deshalb sind wir jetzt alle froh, dass es nach vielen Jahren konkret wird. Und die Zusammenarbeit mit dem Investor ist wirklich vertrauensvoll und ernsthaft.
  • Es ist das letzte ‚freie‘ Grundstück im Spandauer Zentrum. Dutzende sich zum Teil widersprechende und vermeintlich ausschließende Interessen und Belange müssen zu einer fachlich tragfähigen, rechtsverbindlichen und von den Bürgerinnen und Bürgern hoffentlich anerkannten und akzeptierten Lösung gebracht werden, ohne das große planerische Ziel aus den Augen zu verlieren: einen städtebaulichen Mehrwert für den Bezirk zu erzielen.
  • Wir geben richtig Vollgas. 120 Seiten hat der Bebauungsplan. Da sitzt mein tolles Team schon mal zwei Jahre dran. Ich bin sehr optimistisch, dass es im Sommer 2020 einen Grund zum Feiern gibt.“

Und das bleibt nicht die einzige Großbaustelle 2020. Am Mittwoch wurden die 600-Mio-Pläne für den Siemens-Campus vorgestellt – ein Jahrhundertprojekt, eine Milliarden-Baustelle für Berlin und Spandau. 18 Architekturbüros hatten ihre Ideen entworfen, wie Forschung und Wohnungen auf dem Areal aussehen könnten. Zur Jury gehörten auch Spandaus Bürgermeister Helmut Kleebank, SPD, und sein Jury-Stellvertreter, Baustadtrat Frank Bewig, CDU. Erste Infos und Bilder von der Veranstaltung zeigte ich Ihnen, liebe Leserinnen und Leser des Spandau-Newsletter hier im Thread unter  twitter.com/tsp_spandau. Im Frühjahr gibt es dann Neuigkeiten zum Wiederaufbau der Siemensbahn.

Konkreter wird es 2020 auch beim 300-Mio-Projekt der Bundespolizei, die ihr Quartier in der Knobelsdorf-Kaserne in Wilhelmstadt errichten wird. Vielleicht hören wir in diesem Jahr sogar etwas vom Durchbruch im Luftwaffenmuseum Gatow (Berlins größtes Museum soll für 100 Mio aufgemöbelt werden). Und wenn die Gerüchte stimmen, dann könnte die Entscheidung um Berlins neue Wasserball-Arena im Frühling…

Ach, Sie merken schon: Es wird so schnell nicht langweilig in Spandau. Bis nächsten Dienstag im neuen Spandau-Newsletter. – Text: André Görke

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Dieser Text ist zuerst im Tagesspiegel-Newsletter für Berlin-Spandau erschienen. Den gibt es einmal pro Woche – kostenlos, kompakt und in voller Länge unter leute.tagesspiegel.de.
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Meine weiteren Themen aus dem neuen Spandau-Newsletter – eine Auswahl

  • Bello-Statistik für Spandau: Hunde, wie viele seid ihr?
  • „Das werden wir uns 2020 öfter anschauen“: Newsletter-Interview mit Stadtrat Stephan Machulik über Strafzettel, Abschlepper und Poller in der Altstadt.
  • Jetzt ist es amtlich: Gedenkfeier für Tote ohne Angehörige jetzt auch in Spandau – der Pfarrer nennt Details im Newsletter
  • „Ich gucke seit 25 Jahren auf dieses Grundstück“: Spandaus Chef-Planer im Newsletter-Gespräch über die 100-Mio-Baustelle neben dem ICE-Bahnhof
  • Kennen Sie den „Spandau-Dollar“? Newsletter-Leser haben ihn entdeckt
  • Spandau 112: Senat plant eine neue Rettungswache der Feuerwache in der Wilhelmstadt
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  • Spandaus wichtigster Platz wird entrümpelt: Alle Details und erste Zeitpläne zum neuen Rathausplatz
  • Sie wollten in die 2. Liga: Sorge beim FC Spandau
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  • …das alles und noch mehr Tipps, Termine, Kulturevents finden Sie im neuen Spandau-Newsletter. Den gibt es in voller Länge unter leute.tagesspiegel.de