Nachbarschaft
Veröffentlicht am 06.08.2019 von André Görke
Viktor Weber, 38, evangelischer Pfarrer in Staaken. Er veranstaltet am Sonntag, 18. August, 13 Uhr, den 1. Open-Air-Gottesdienst für Tiere und Menschen. Wo: Dorfkirche Staaken.
Pfarrer Weber, wie geht’s Mucki? (lacht laut los) „Danke, gut, mein Hamster schläft nebenan.“
Kommt Ihr Hamster auch zum Gottesdienst für Tiere? „Nee, Mucki ist nachts aktiv, für den ist das nichts. Auf die Idee mit dem Gottesdienst für Tier und Mensch bin ich quasi am Gartenzaun mit meiner Nachbarin gekommen. Katharina Marioth-Lange heißt sie, eine Hunderzieherin. Sie hat sich auch schon mal im Spandau-Newsletter vorgestellt und arbeitet direkt neben der Dorfkirche hier in Staaken. Ich will mit ihr eine Dialog-Predigt halten. Es soll ein sommerlicher, fröhlicher Gottesdienst für Mensch und Tier werden. Ich will die enge Beziehung würdigen, das Vertrauen, aber auch auf die andere Seite hinweisen: das Ausnutzen von Tieren durch uns Menschen. Ich lade auf die Wiese vor unserer Dorfkirche. Wenn es regnet, ist es ein Zeichen von oben – dann gehen wir rein. Ich probiere es einfach mal aus, soll ja allen Spaß machen, auch Menschen mit weniger Gottesdienst-Erfahrung.“
Kommen nur Hunde und ihre Besitzer? „Für Hasen und Katzen ist das eher nichts, denke ich, Mucki bleibt auch zuhause. Aber wer seinen Goldfisch mitbringen möchte, bitteschön, die haben weniger Ängste vor Hunden.“
Kommt auch der Spandauer Youtuber Hänno, also Maximilian Knabe? Den hatte ich letzte Woche hier vorgestellt, weil er 62.500 US-Dollar ans Tierheim spendet – so viel hat er bei der Gamer-WM in New York gewonnen. Sie haben ihn zum Gottesdienst nach Staaken eingeladen. „Ja, weil auch wir am 18. August fürs Tierheim sammeln, als Kollekte im Anschluss an den Gottesdienst. Und da Max Knabe einen Hund adoptiert hat, dachte ich, das könnte passen. Er hat aber viel Trubel, will erst mal runterkommen. Vielleicht ergibt sich ja später ein Treffen.“
Herr Weber, Sie probieren viel als Pfarrer aus. Letzte Woche sind Sie mit einem T-Shirt durch Staakens Straßen gelaufen, auf dem stand: „Ich bin ein Berliner“. Und etwas kleiner darunter: „Pfarrer“ (hier die Fotos). Wurden Sie angesprochen? „Oh ja, ich war gespannt auf die Reaktion. Ich stand also vor dem Staaken-Center an der Dönerbude, habe einen Kaffee geholt, da haben mich sofort drei Jungs angesprochen, 13 bis 15 Jahre, alle hatten einen muslimischen Hintergrund. Der eine kannte sich super mit Religion aus. Bist du evangelisch? Katholisch? Der erklärte seinen Kumpels erstmal, dass ich ein hoher Geistlicher bin, und zwar so detailliert, dass mir die Kinnlade runtergeklappt ist. Wir haben über Frauenbilder gesprochen, über Religionen, dann mischte sich ein Mann ein – Mitte 50, mit Bierchen. Er hat seit Jahren mit Kirche nichts mehr zu tun, aber an den Kindergottesdienst habe er sich gern erinnert. Und so kamen wir langsam wieder über Kirche ins Gespräch. Auch die zwei Döner-Verkäufer fanden das spannend, haben zugehört, später mitgeredet. Und so haben wir alle über Gott und die Welt und Spandau gesprochen. Darum ging es mir ja: zuhören, reden, im Gespräch bleiben. Der Nachmittag hat mir Mut gemacht.“
Und jetzt wollen Sie einen Pilgerweg in Spandau aufbauen. „Na, fast. Die evangelische Kirche in Spandau möchte 2020 drei Pilgerwochenenden veranstalten. Auf mehreren Routen können Interessierte durch Spandau pilgern und dabei nicht nur spirituelle Orte entdecken – zu Fuß (per pedes), zu Wasser (per Boot) und, wenn man so möchte, in der Luft, also auf dem Fahrrad. Dazu wird ausreichend Material vorbereitet. Das Projekt soll als mögliche Wanderoption im Tourismuskonzept verankert werden, sodass Spandau langfristig davon profitiert. Zu sehen sind natürlich die vielen schönen Kirchen Spandaus, aber auch alles, was Spandau sonst noch so interessant macht. Zurzeit suchen wir nach einem Slogan – der Favorit ist bisher „Kreuz und quer durch Spandau“ – , aber auch nach Menschen, die mögliche Routen ablaufen und interessante Pilger-Zwischenziele ermitteln. Wer Ideen hat, kann uns gerne eine Mail schicken, pilgern@kirchenkreis-spandau.de.“
Sind Sie schon mal gepilgert? „Nein, aber ich will mal den Jakobsweg laufen. Das muss eine große spirituelle Erfahrung sein.“
Und Ihre nächste Pfarrer-Station? „Haselhorst, ab Herbst. Ich bin gerade im Entsendungsdienst, also in der Probezeit. Da betreue ich abwechselnd verschiedene Spandauer Gemeinden.“ – Interview: André Görke
- Wie er zum Spitznamen „Hipsterpfarrer“ kam, hat er hier im Spandau-Newsletter 03/2019 erzählt.
- Twitter-Account: Weber twittert unter priestofberlin. Lohnt sich.
- Kontakt: Die Kirchengemeinde Staaken im Netz – hier.
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Diesen Text habe ich als Leseprobe dem neuen Tagesspiegel-Newsletter für Berlin-Spandau entnommen. Den – kompletten! – Spandau-Newsletter, den ich Ihnen einmal pro Woche schicke, gibt es ganz unkompliziert und kostenlos hier leute.tagesspiegel.de.