Nachbarschaft
Veröffentlicht am 17.12.2019 von André Görke
Auf dem Foto sehen Sie Viktor Weber, 38, Pfarrer in Berlin-Haselhorst. Ihm gehört gleich das Wort zum Weihnachtfest – darum bitte ich jedes Jahr eine andere Pfarrerin (2018) oder einen anderen Pfarrer (2017) aus Berlin-Spandau. Warum diesmal Pfarrer Weber? Hier ein kleines Vorwort von mir: Mit Kirche hatte ich bisher nicht viel am Hut. Ich kenne einen klugen und witzigen Pfarrer, der mich unter die Haube gebracht hat und auswärts zu Hertha BSC im Fanbus mitfährt, allerdings quasselt man zwischen Bulette und Schultheiss auf der Autobahn eher selten über Gott. Doch durch den Spandau-Newsletter hat sich auch für mich einiges verändert.
Ich lernte viele Pfarrerinnen und Pfarrer kennen, die ihre Stimme für ihren Kiez erheben. Die große, aber stille Netzwerke lenken. Pfarrer, die Humor hatten und wild herumexperimentierten. Pfarrer, die mich nie nach Psalm irgendwas fragten. Im Gespräch bin ich trotzdem mit vielen geblieben, und oft war es lehrreich. Einer dieser Pfarrer ist Viktor Weber. Er hat 2019 einen Gottesdienst für Tiere in Staaken organisiert, er plauderte an der Imbissbude mit Kids und Bauarbeitern über die Welt und irgendwann über Gott. Vom Tagesspiegel hat er mal den Spitznamen „Hipsterpfarrer“ verpasst bekommen – feine Ironie, er ist kein Hipster, nutzt aber Instagram und Twitter. Viktor Weber kann auch leise, ernst und seriös. Was Pfarrer halt so machen.
Ich habe ihn gefragt, ob er Ihnen, den Leserinnen und Lesern des Spandau-Newsletters zum Weihnachtsfest schreiben möchte. Weber hat sofort zugesagt. Er ist Pfarrer in der Weihnachtskirchengemeinde in Haselhorst und unterstützt ab 2020 zusätzlich die Kolleginnen und Kollegen in der evangelischen Kirchengemeinde Siemensstadt. Pfarrer Weber, jetzt Sie.
- „Eines der bekanntesten Weihnachtslieder aller Zeiten ist… Woran denken Sie? ‚Last Christmas‘? Mir schwebt ein anderes vor: ‚Alle Jahre wieder, kommt das Christuskind, auf die Erde nieder, wo wir Menschen sind.‘ Es kommt, um uns Frieden und Erlösung anzukündigen. Denn alle Jahre muss es wiederkommen, weil alle Jahre wieder die Welt neu aus den Fugen gerät und wieder in Ordnung gebracht werden will.
- Die Geburt von Jesus, des Christkinds, gilt im christlichen Glauben als Ankunft des Erlösers, des Befreiers. Doch wenn wir unseren oft harten Alltag betrachten, ist von Erlösung häufig keine Spur. Es lohnt sich jedoch, genauer hinzuschauen.
- Es ist mein erstes Jahr hier in Spandau, das erste Weihnachten. Noch singe ich nicht das Lied „alle Jahre wieder“, noch ist keine Routine eingekehrt. Ich bin neugierig auf Sie und Ihren Bezirk. In vielen Gesprächen mit Spandauer Bürgerinnen und Bürger habe ich von den verschiedensten Nöten gehört, ich zähle sie nicht auf, die Medien sind voll davon. Doch eines kann ich bisher sagen: Es hätte mir hier nicht auf Anhieb so gut gefallen, gäbe es nur den Alltag und die Probleme. Ganz im Gegenteil, es gibt ganz viel Gutes und Schönes.
- Auf meinen Wegen durch Spandau, von Siemensstadt bis Staaken, vom Falkenhagener Feld bis Kladow habe ich viele Engel gesehen, die Frieden auf Erden verkünden und Liebe ausbreiten. Nicht nur zu Weihnachten. Bestimmt sind Sie Ihnen auch schon begegnet. Haben Sie sie bemerkt?
- Da sind die Ehrenamtlichen, die sich in allen möglichen Bereichen engagieren, seien es Menschen bei den Ausgabestellen von „Laib und Seele“ (Berliner Tafel) in den Kirchengemeinden, Menschen in Sportvereinen, im sozialen Bereich oder in der Kommunalpolitik.
- Da sind die vielen fleißigen Arbeitenden an ihrer Arbeitsstelle, seien es die geduldigen Busfahrerinnen und Busfahrer, die immer wieder mal anhalten und die Heranrennenden noch mitnehmen. Seien es die pflichtbewussten Polizistinnen und Polizisten oder seien es die geduldigen Erzieherinnen und Erzieher, oder, oder, oder. Alle Jahre wieder breitet das Christkind neue Hoffnung aus. Wenn ich sehe, wie sich Menschen für ein besseres Zusammenleben einsetzen, bekomme ich immer wieder Hoffnung, dass wir es gemeinsam schaffen, eine bessere Welt aufzubauen.
- Manche von Ihnen werden denken, ich glaubte an Wunder. Ja, das tue ich. Und auch daran glaube ich: Die größten Wunder geschehen dann, wenn wir sie selbst tun. Wenn wir Liebe in unser Leben lassen und achtsam mit uns selbst und mit unseren Mitmenschen umgehen – alle Jahre wieder, alle Tage wieder.
- Ich wünsche Ihnen ein schönes und gesegnetes Weihnachtsfest, Ihr Pfarrer Viktor Weber.“
Und was macht Pfarrer Weber Heiligabend? „Am 24. Dezember feiere ich um 22 Uhr einen besinnlichen und nicht so klassischen Gottesdienst in der Weihnachtskirchengemeinde am Haselhorster Damm 54. Spoiler: Es gibt Saxophonmusik von mir.“
Gottesdienste zum Weihnachtsfeste. Es gibt noch unzählige und wunderbare andere Gottesdienste und Neujahrsansprachen, ich will und kann sie hier gar nicht auflisten. Die Gottesdienste für Ihren Spandauer Kiez finden Sie hier (evangelisch) oder hier (katholisch). – Text: André Görke, Foto: privat
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Dieser Text ist zuerst im Tagesspiegel-Newsletter für Berlin-Spandau erschienen. Den gibt es in voller Länge und kostenlos unter leute.tagesspiegel.de.
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