Nachbarschaft

Veröffentlicht am 25.02.2020 von André Görke

Snezana Michaelis, 49, Vorstandschefin der Gewobag. Das Unternehmen baut gemeinsam mit der WBM tausende Wohnungen am Havelufer für 5000 Menschen. Projektname: „Waterkant“. Zur Erinnerung: Michaelis hatte ich vor gut einem Jahr schon mal am Handy. Damals ging’s um ihre alte Uni-Stadt: Konstanz am Bodensee. Dort seien ganz selbstverständlich Wassertaxis im Einsatz – eigentlich ideal für die Havel, oder? Diesmal sprach ich mit Michaelis über ein neues BVG-Projekt, Verkehrsnöte, Hochhausträume – und Asbest-Alltag in Berlin.

Frau Michaelis, wir sprachen zuletzt vor gut einem Jahr über Spandau. Kommt das BVG-Boot in die Wasserstadt? „Schöne Idee, aber leider etwas kompliziert. Wir konzentrieren uns jetzt lieber konkret auf die Straßen hier in Spandau. Da habe ich Neuigkeiten.“

Welche denn? „Wir haben uns gefragt, wo es hapert. Schließlich ziehen Ende Mai die ersten 700 neuen Mieter ein. Die S-Bahn wird so schnell nicht kommen. Aber uns einfach nur wartend dem Schicksal zu ergeben, wollten wir auch nicht. Deshalb setzen wir 2020 unsere Kooperation in Sachen Mobilität gemeinsam mit der BVG fort. Das heißt Jelbi, wir bauen Hubs auf. Kennen Sie vielleicht: Diese Jelbi-Hubs gibt es auch in unseren Quartieren an der Prinzenstraße in Kreuzberg, an der Landsberger Allee, am Jakob-Kaiser-Platz und nun auch hier in Spandau, in der Waterkant Berlin.“

Jetzt mal praktisch. Wie würden Sie den Jelbi-Hub meiner Mutter erklären? „Ich versuch’s mal. Wir wollen autoarme Quartiere aufbauen und Familien ermuntern, gar nicht erst mit dem Auto in die Waterkant zuziehen. Also müssen wir den Umstieg erleichtern. Und diese Jelbi-Hubs sind Umsteigepunkte zwischen BVG und Mobilitätsanbietern – von Carsharing über Bikesharing bis hin zum Rollersharing. Zwei dieser Umsteigepunkte werden 2020 in Spandau aufgebaut: einer durch uns in der Waterkant, also an der Rhenania- Ecke Daumstraße, und der zweite durch die BVG am U-Bahnhof Haselhorst. Die Bewohner teilen sich also ihr Fortbewegungsmittel mit ihren Nachbarn. Koordiniert wird das über eine App, und im Idealfall sind die Autos, Roller, Räder von Miles, Mobileee, Stadtmobil und Voi immer in Bewegung und stehen nicht lange rum. Wenn das neue Mobility Hub an der Daumstraße 2025 fertig ist, soll dort der Jelbi-Hub final platziert werden.“

Was heißt Jelbi eigentlich? „Kommt von Gelb. Wegen der BVG-Farbe.“

Glauben Sie denn, dass die S-Bahn in die Wasserstadt verlängert wird? Oder ist die Tram realistischer? „Der Anschluss an den Schienenverkehr ist generell wichtig für das Quartier. Die Tram wäre schneller zu bauen. Aber ich halte die Siemensbahn für eine gute, leistungsstarke Option. Denn sie verbindet Arbeit und Wohnen – also den Siemens-Campus, die Insel Gartenfeld und die Waterkant – miteinander wie ein Band. Aber so lange können wir unmöglich warten. Die Zeit drängt jetzt, denn ab Ende Mai 2020 ziehen die ersten 700 neuen Mieter ein.“

Wie sind denn die nächsten Schritte der Gewobag in der Wasserstadt? „Die Bauarbeiten am zweiten Abschnitt laufen seit Januar: Das sind 482 Wohnungen, also Raum für 900 Mieterinnen und Mieter. Diese Wohnungen werden südlich der Spandauer Wasserstadtbrücke bis 2022 errichtet…“

…inklusive eines Hochhauses mit 16 Stockwerken.
„Richtig. Ich nenne es eher ein hohes Haus mit 16 Stockwerken, aber meinetwegen: Nennen Sie es Hochhaus. Es wird einen Akzent am Havel-Ufer setzen und eine Torsituation schaffen, weil auf der anderen Seite ja auch ein hohes Haus gebaut wird.“

Sie meinen das Haus mit der berühmten Baugrube neben der Wasserstadtbrücke. Da ging es ewig nicht voran, weil die Brücke wackelte.
„Naja, meines Wissens wackelte da nichts. Aber damit es keine Probleme gibt, bauen wir auf der anderen Uferseite zehn Meter vom Damm der Brücke entfernt. Und auf der anderen Straßenseite bauen wir auch die nächsten 80 Wohnungen.“

Frau Michaelis, wenn ich Sie schon mal am Handy habe. Zuletzt gab’s Ärger um Asbest-Wohnungen an der Heerstraße Nord, die Sie aufgekauft haben.
„Ach, ich bin gar nicht verärgert. Ich hätte es nur gut gefunden, wenn auch uns jemand mal gefragt hätte. Ich bin bei der Asbest-Frage ganz unaufgeregt. Wer im Westteil in den 60-ern und 70-ern Wohnungen errichtet hat, verbaute Asbest automatisch mit. Das war ein ganz normaler Baustoff, das erschreckt uns jetzt auch nicht. Das ist unser Alltag und unsere Routine seit vielen Jahren: Wir sanieren 1000 bis 2000 Asbest-Wohnungen pro Jahr, etwa bei Mieterwechseln. Wenn die Platten nicht beschädigt sind, geht auch keine Gefahr von ihnen aus. Jeder wusste, dass die Häuser an der Heerstraße Nord unter Asbest-Verdacht stehen. Da tut etwas mehr Unaufgeregtheit dem Bürger gegenüber gut.“

Und dann gab es die Geschichte einer 85-Jährigen an der Heerstraße, die plötzlich mehr Miete zahlen sollte – die Gewobag hatte den Mietrabatt gestrichen. Dabei sollten die Gewobag dafür sorgen, dass die Mieten eben nicht mehr wild steigen.
„Auch das muss bitte differenziert werden. Ja, wir gewähren Mietnachlässe, um Menschen zu helfen, die Hilfe brauchen – aber diese sind immer befristet. Nach einer gewissen Zeit wird dieser individuelle Mietnachlass von unseren Mitarbeitern überprüft, inwieweit aufgrund des Einkommens noch ein Anspruch besteht. So machen wir das aktuell bei 120 Wohnungen an der Heerstraße Nord. Wir hoffen doch alle, dass sich die Lage der Menschen verbessert und sie nicht für immer auf die Mietnachlässe angewiesen bleiben, oder? In diesem Fall war es leider so: Wir haben 6000 Wohnungen innerhalb sehr kurzer Zeit übernommen. Und leider war die EDV mit dem automatisch verschickten Brief schneller als der Kundenbetreuer vor Ort. Natürlich prüfen wir jetzt den Einzelfall.“

  • Infoveranstaltung zum Ausbau der Wasserstadt. 26. Februar, 18.30 bis 19.30 Uhr, Zitadelle. Die Veranstaltung ist schon fast ausgebucht. Zutritt nur (!) nach Bestätigung über diese Gewobag-Maildresse. Details im Netz: waterkant-berlin.de
  • Die 1. Simulation vom Jelbi. So soll der neue Umsteigeknoten in der Wasserstadt aussehen – hier ein erstes Bild für Sie aus der Gewobag-Zentrale
  • Die 1. Simulation mit 16-Stockwerke-Haus. Hier ein Modell, wie die Wasserstadt (mit Hochhaus am Ufer) aussehen soll. Hier das Tagesspiegel-Foto.
  • Fotografin: Das Foto der Gewobag-Chefin machte Tina Merkau.
  • Fotostrecke aus der Wasserstadt. Hier meine Bilder für den Newsletter.
  • Katrin Lompscher kommt. Am Freitag reist die Bausenatorin in die Wasserstadt – auf die Baustelle der Wohnungsbaugesellschaft WBM nebenan. Deren Chefs, Christina Geib und Steffen Helbig, laden auf ihre Baustelle südlich der Spandauer-See-Brücke. Auch Bürgermeister Helmut Kleebank, SPD, wird erwartet. Anlass der Sause am Havel-Ufer: Die Dachdecker setzen die Richtkrone fürs 700-Leute-Quartier auf, das bis 2021 als Teil des 5000-Leute-Quartiers in der Wasserstadt entsteht (hier eine Grafik).

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  • Spandau, dein neues BVG-Drehkreuz: Gewobag-Chefin im Interview über Jelbi, Siemensbahn, Asbest-Ärger an der Heerstraße.
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