Nachbarschaft
Veröffentlicht am 12.05.2020 von André Görke
Neustart in der Corona-Krise – auch für eine der bekanntesten Bars im Berliner Westen, in Spandau. Lucie Friede, 56, betreibt mit Cornelia Ort das „Café Barfly“ in Berlin-Wilhelmstadt. Das Barfly befindet sich seit 1992 an der Wilhelm- Ecke Brüderstraße. Seit 13 Jahren gehört den beiden auch das „Plan B“ nebenan. Hier das Interview im Tagesspiegel-Newsletter für Berlin-Spandau zum Neustart in der Corona-Krise.
Hallo Frau Friede, Zapfhahn durchgespült, Kühlschrank voll, kann’s am Freitag losgehen? „Klar, kommen Sie vorbei? Donnerstag wird die Leitung durchgespült, der Kaffeeautomat in Betrieb genommen… aber sonst ist der Laden fit. Wir, also die beiden Chefinnen, waren jetzt wochenlang all-in-one. Putzfrau, Kasse, Spätdienst. Wir haben Tische geölt, die Kühlschränke drei Mal neu sortiert und den Holzschrank am Tresen mit all den Biergläsern komplett aus- und wieder eingeräumt. Und jetzt freuen wir uns einfach mal wahnsinnig, dass es endlich wieder losgeht. Wir sind alte Hasen, aber echt aufgeregt, weil….“
Weil? „Na, weil so eine Gaststätte ohne Gäste nun mal doof ist.“
Sie haben in der Corona-Krise Essen zum Mitnehmen angeboten. „Das hat uns ein bisschen Luft verschafft, aber damit hätten wir auf Dauer nicht überleben können.“
Was wird das eigentlich am Freitag für eine Veranstaltung? „Wir haben ohne Ende Fragezeichen im Kopf.“
Was ist mit Abstand? „Mit Hygiene kennen wir uns alle sehr gut aus. Auch die Gäste haben in den letzten Wochen viel gelernt. Die Leute wundern sich nicht mehr über Mundschutz, über Abstand, dass es keine Umarmung gibt. Und wenn der Laden voll ist, kommt halt keiner mehr rein und… ich habe hier übrigens gerade noch einen großen Kanister Sagrotan besorgt.“
Wie viele Plätze fallen weg? „Die Hälfte. Innen und Außen. Draußen stehen wir in Kontakt mit Frank Bewig…“
…dem Stadtrat der CDU, zuständig für Straßen… „genau. Wir wollen gemeinsam mit der benachbarten ‚Solo Pizza‘ Sitzplätze draußen anbieten, damit alle den nötigen Abstand einhalten können – sonst wird es logischerweise zu eng auf dem Bürgersteig. Dann fallen halt mal 15 Parkplätze weg und wir haben hier so eine Art Spielstraße. Bewig sagt, dass er das prüft.“
Gab’s genug Hilfe von der Politik? „Doch, ja, wirklich – das muss ich jetzt mal so deutlich sagen. Ich fühle mich als Unternehmerin nicht im Stich gelassen. Die haben sich wirklich alle engagiert. Patrick Sellerie von der Wirtschaftsförderung hat sich um uns gekümmert und mit Infos versorgt, Gerhard Hanke und Stephan Machulik haben sich nach uns erkundigt…
…der erste ist Wirtschaftsstadtrat der CDU, der zweite Stadtrat für Ordnung von der SPD. Machulik war vorhin hier und hat mit uns geredet, wie wir das machen mit den Namenslisten. Das ist für alle Beteiligten neu. Für Politik, für uns, für Gäste. Mein Job ist ein anderer geworden in der Corona-Krise. Ich musste mich plötzlich um Themen wie Kurzarbeit für meine Mitarbeiter kümmern. Damit hatte ich keine Erfahrung.“
Hat die Corona-Krise in Ihrer Bar etwas verändert? „Wir waren schon vorher flexibel und kreativ, aber durch Corona war auf einmal jeder Tag anders. Ständig neue Regeln, auf die du dich einstellen musst. Aber so war’s halt – für alle. Wir haben jetzt Paypal, nehmen Bestellungen im Netz an, haben das Telefonsystem optimiert. Wir fahren jetzt Schritt für Schritt hoch, nur keine Hektik und auf Sicherheit achten. Keiner weiß, wie lange die Corona-Krise noch dauert. Wir öffnen erst mal ab 16 Uhr, es gibt also kein Frühstücksbuffet.“
Und das Plan B nebenan? Rauchergaststätte, keine Speisen… „Die liegt brach und wird es als Raucherkneipe auch länger bleiben, fürchte ich. Es sei denn, wir machen daraus einen Nichtraucher-Laden. Dann können wir vielleicht was mit Speisen… aber jetzt kommt erst mal Schritt 1 am Freitag.“
- Interview: Andre Görke für den Spandau-Newsletter vom Tagesspiegel.
- Foto: Frank Gehrke
- Das Barfly im Netz: cafe-barfly.de
- Historie zum Barfly: „Bei einer Runde Gassi mit dem Hund entdeckten wir das Café, eine alte Tommykneipe, wo die britischen Soldaten ihr Bier tranken. Wir waren Mitte 20, hatten kein Geld, sind da reingestratzt, haben Freunde angepumpt und den Laden 1992 übernommen.“ – Das Interview im Tagesspiegel
+++ Corona-Krise +++ Kleines Gastro-ABC. Ab Freitag, 15. Mai, darf die Gastro („mit selbst zubereitetem Speiseangebot“) wieder öffnen – Raucherkneipen, Clubs, Shishabars bleiben geschlossen. Hier nennt die Dehoga dringende Tipps für Gastronomen zur Eröffnung: „Keine Buffets, nicht alles sofort wieder anbieten, Laufwege als Einbahnstraße markieren, jedes zweite Urinal sperren, Apple Pay einrichten, Preise durch Hygiene-Mehrkosten anheben….“: Die neuen Regeln ab Freitag sind zum Beispiel: 1,50 Meter Abstand zwischen den Stühlen. Gästeliste mit Adresse führen (wird nach 4 Wochen gelöscht). Schluss ist um 22 Uhr. Mund-Nasen-Schutz fürs Personal. Der Aufenthalt ist nur alleine oder in Begleitung von Personen des eigenen Haushalts oder Angehörigen eines weiteren Haushalts erlaubt. Details: Senat – Text: André Görke
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Dieser Text erschien zuerst im Tagesspiegel-Newsletter für Berlin-Spandau. 210.000 Abos haben unsere Bezirksnewsletter schon. Die gibt es kostenlos und in voller Länge hier: leute.tagesspiegel.de.
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Meine Themen diese Woche im Spandau-Newsletter – hier eine Auswahl
- Barfly in der Corona-Krise: Wie geht’s am Freitag wieder los?
- Corona-Krise: Wie steht’s um die digitale BVV im Rathaus?
- Was sagt die CDU zum Streit um den „Platz der Weißen Rose“?
- Gamer-Superstar HandofBlood verlässt Insel Eiswerder – und zieht wohin?
- Was ist mit der 62.500-Dollar-Spende fürs Tierheim?
- Welches Eis schmeckt am Fähranleger Hakenfelde?
- Wie viel Geld sammelten Hertha-Fans für ihre Spandauer Kneipe?
- Gibt’s im Falkenhagener Feld nur Beton?
- Wie ging es weiter mit der Liebeserklärung in Gatow?
- Was haben New York, Chicago und Kalifornien mit Spandau zu tun?
- Welche Sportplätze müssen saniert werden? +++
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