Nachbarschaft
Veröffentlicht am 18.08.2020 von André Görke

Christin Respondek, 39, DLRG-Chefin in Berlin-Spandau. Sie ist seit 1994 bei den Rettungsschwimmern und hat im Frühjahr die Leitung hier im Bezirk übernommen (ja, auch das ist ein Ehrenamt). Sie lebt in Staaken. Nach den letzten heißen Wochenenden zieht sie hier eine erste Spandau-Bilanz, spricht über Gaffer und Flammkuchen und bittet die Politik heute konkret um Hilfe.
Frau Respondek, wo waren Sie am Wochenende? „Wie immer auf meiner Heimatstation an der Großen Badewiese, also in Hohengatow an der Havel.“
Ihre erste Einsatzbilanz für die DLRG Spandau? „Auch wenn der Sommer dieses Jahr etwas später angefangen hat und das letzte Wochenende erstaunlich ruhig war, hatten wir bisher schon über 50 Einsätze auf unseren zurzeit nur drei Spandauer Stationen. Das waren vorrangig Erste-Hilfe-Leistungen.“
Gab’s eine Rettung mit Happyend? „Momentan gibt’s seltener Rettungen mit Happyend, da immer weniger Menschen sicher schwimmen können oder ihre Kräfte überschätzen. Leider ist oft Alkohol im Spiel, der zu viel Leichtsinn führt. So kam es neulich dazu, dass eine Person, die nicht sicher schwimmen konnte, im neuen Spektesee ertrunken ist. Daraufhin gab es eine gemeinsame Übung mit der Freiwilligen Feuerwehr aus Staaken, unter der Wehrleitung von Daniel Brose. Hier wurde das Einsatzszenario geübt, falls solche Einsätze auch unterhalb der Woche geschehen, wenn die DLRG nicht einsatzbereit ist.“
Gab es zuletzt einen Einsatz, über den Sie sich geärgert haben? „Ja, sehr, sehr viele sogar, da viele Mitmenschen leider keine Zivilcourage besitzen und eher ein egoistisches Verhalten an den Tag legen. Sie schauen weg, helfen nicht, gaffen nur, nehmen Einsätze sogar auf Video auf und behindern Rettungskräfte.“
35 Grad am Badesee sind nur auszuhalten mit… „…vielen Getränken, einem schattigen Plätzchen und Sonnenschutz.“
Lieber morgens oder abends schwimmen – und wo? „Ich persönlich schwimme gerne abends am Glienicker See, da dort die Blaualgen noch sehr gering sind. Wichtig wäre nur, dass man vor allem am Wochenende an bewachten Badestellen schwimmen geht.“
Wie machen Schwimmer den DLRG-Leuten eine Freude? „Auf Baderegeln achten. Auf Ansagen reagieren. Nicht gaffen, sondern lieber Hilfe anbieten und die Einsatzkräfte nicht bei ihrer Arbeit behindern.“
Und gibt es Unternehmer oder Anwohner, die Eis, Kuchen oder Wasser vorbeibringen? „Nicht wirklich. Die Wertschätzung des Ehrenamtes hat in den letzten Jahren ziemlich nachgelassen, sodass es nur noch vereinzelt Spenden direkt an die Stationen gibt. Es gibt aber auch Dauerspender, die uns regelmäßig finanziell unterstützen. Ansonsten freuen wir uns über jede Spende, egal wie sie aussieht. Ein „Schön, dass es euch gibt“ würde uns auch schon reichen, denn wir machen es ehrenamtlich und bekommen dafür kein Entgelt.“
Was gibt’s eigentlich auf Ihrer DLRG-Station zum Mittag? „Flammkuchen. Als Schwimmer sollte man nicht mit zu vollem oder zu leerem Magen ins Wasser gehen.“
Wo braucht die DLRG Spandau jetzt akut Hilfe? „Unsere große Baustelle ist weiterhin die Station am Groß Glienicker See in Kladow, die wir bisher nicht eröffnen konnten und auch in dieser Saison nicht mehr eröffnen können. Das Geschehen ist jetzt bereits ein Jahr her und viel ist bisher noch nicht passiert. Wobei wir als DLRG nicht viel Einfluss darauf haben, sondern es eher an der BIM liegt. Dort versuchen wir momentan vergebens Informationen zum aktuellen Baustand zu erhalten. Mein großer Wunsch ist, politische Unterstützung zu erhalten. Das gestaltet sich aber bisher sehr schwierig.“
- Die DLRG Spandau hat 900 Mitglieder. Knapp 100 davon sind Rettungsschwimmer in ihrer Freizeit.
- Wofür Spenden benötigt werden? Hier ein Blick auf die „aktuellen Spendenprojekte“ der Spandauer DLRG: Ein neues Fernglas kostet 170 Euro, ein Notfallkoffer 300 Euro, die Erst-Ausstattung für Schwimmer 100 Euro („Hose, Pullover, Shirt“). Außerdem röchelt der 20 Jahre alte Diesel-Einsatz-Bus bedenklich und selbst Sonnencreme geht ordentlich ins Taschengeld.
- Wer der DLRG mit einer Spende helfen möchte oder Kontakt sucht, ist unter diesem Link richtig: spandau.dlrg.de.
- Vier Stationen betreibt die DLRG Spandau normalerweise: an der Bürgerablage, in einer Kleingartenkolonie in Hakenfelde (gegenüber dem Tegeler See), an der Großen Badewiese in Gatow und am Glienicker See (aktuell kaputt). An der Havel gibt es zum Beispiel am Breitehorn auch noch Rettungsstationen der DRK-Wasserwacht.Feuerwehrleute, Kita-Erzieher und Lehrer werden auch von der DLRG ausgebildet, zum Beispiel im Schwimmbad an der Gatower Straße („Für die DLRG ist eine Bahn in einem Schwimmbad kein Abend-Vergnügen“). – Text: André Görke
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