Intro
von Boris Buchholz
Veröffentlicht am 17.01.2019
ich habe lange nach einer geschmeidigen Analogie gesucht à la: Meine Tochter kommt aus der Schule und will sich an die Erfüllung der Hausaufgaben machen. Gerade noch rechtzeitig schreite ich ein, sehe, dass sie diese Übungen noch nie zuvor machen musste, schicke die Tochter spielen und befrage meinen Rechtsbeistand. Muss meine Tochter diese mir gänzlich unbekannten Hausaufgaben wirklich machen, gibt es dafür eine Rechtsgrundlage? Der Jurist wiegt den Kopf, murmelt, „kann man so oder so sehen“ und „ich habe Zweifel“. Denn schließlich sei es für das Individuum irrelevant, dass sie auch schon gestern Hausaufgaben gemacht habe oder dass auch die anderen Kinder die gleiche Aufgaben bereits erledigen. Also wende ich mich an die Schulaufsicht, an den Senat, an die Kultusministerkonferenz. Nach neun Monaten der Prüfung komme ich zu dem Schluss: Doch die Hausaufgaben sind rechtmäßig und dürfen erledigt werden.
Sie haben ja recht, geschmeidig ist diese Geschichte nicht. Unglaubwürdig, verworren, seltsam. Ich bin auch nicht zufrieden. Doch hat sich das Bezirksamt (fast) genauso verhalten, nachdem es im April 2018 den Auftrag von der Bezirksverordentenversammlung (BVV) erhielt, eine kostenlose bezirkliche Mieterberatung ins Leben zu rufen. Nein, das war falsch: Der Beschluss lautete, zu prüfen, ob eine solche Erstberatungsstelle im Amt installiert werden kann.
In der BVV-Sitzung am Mittwochabend erklärte der Stadtrat für Bürgerdienste, Michael Karnetzki (SPD), „die Prüfung ist noch nicht abgeschlossen“. Monatelang habe das Bezirksamts-Kollegium keinen Beschluss fassen können, weil das Rechtsamt unsicher war, auf welcher Rechtsgrundlage diese neue Beratungsleistung eingeführt werden könne. Darf man als Bezirksamt eine Mieterberatung anbieten? Dass andere Bezirke schon längst gehandelt hätten, sei irrelevant, sagte der Stadtrat, es habe gar keinen Sinn gemacht, sich nach den Verfahren in anderen Bezirken zu erkundigen. Denn Steglitz-Zehlendorf müsse für sich feststellen, ob der Beschluss legal umsetzbar sei. Dann schrieb er erst an den Justizsenator und danach an die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen. Im Oktober sei von von dort eine Antwort gekommen; könnt ihr machen, habe es geheißen.
Obwohl beim Rechtsamt trotzdem die „Bedenken nicht völlig ausgeräumt“ waren, so Stadtrat Karnetzki, fasste das Bezirksamt im Dezember endlich einen Umsetzungsbeschluss: Die Mieterberatung soll kommen, Michael Karnetzki sei zuständig. Dazu Karnetzki: „Aber wie konkret ist noch zu erarbeiten.“ Und es wird schlimmer: „Ich brauche mit Sicherheit die Hilfe des Rechtsamts.“ Tonka Wojahn, Fraktionsvorsitzende der Grünen, hakte nach und fragte, wann denn nun der neue Bürgerservice berginnen würde. „Am besten noch in diesem Quartal, aber das ist sehr ambitioniert“, lautete die stadträtliche Antwort. Liebe Mieterinnen und Mieter im Deutsche-Wohnen- und BIMA-Bezirk, Sie sehen, für Ihre Interessen wird gekämpft. Emsig.
Boris Buchholz ist freiberuflicher Journalist und Designer. Zwar wurde er in Wilmersdorf geboren, doch wuchs er in Lankwitz auf, besuchte in Steglitz das Gymnasium und wohnt in Zehlendorf. Mehr über Boris Buchholz erfahren Sie auf seiner Website. Wenn Sie Anregungen, Kritik, Wünsche, Tipps haben, schreiben Sie ihm bitte eine E-Mail an boris.buchholz@tagesspiegel.de.