Intro
von Boris Buchholz
Veröffentlicht am 09.05.2019
wissen Sie, worin sich eine Fußgängerzone und eine normale Verkehrsstraße in Zehlendorf-Mitte unterscheiden? Erstere wird öfter fotografiert, das war es. Sonst gibt es keinen Unterschied. Glauben Sie nicht? Dann schauen Sie sich das heutige Bild in der Rubrik „Kiezkamera“ an: Leser Arne Millauer hat es gemacht, ich habe mit der Lupe nach Fußgängern auf der Geh-Bahn gesucht – und nur Autos gefunden (auf dem Fußweg wandeln vier Personen ohne Räder, so wie früher). Zur Erinnerung: Seit dem 9. April ist der „kleine“ Teltower Damm zwischen S-Bahnhof und Postplatz für den Autoverkehr gesperrt – und zum Fußgängerparadies erklärt worden.
Während ich mit dem Zehlendorfer Zick-Zack-Radweg (er war bundesweit das Sommer-Thema 2018) noch einen gewissen Humor-Faktor verbinde, finde ich eine Fußgängerzone für Autos zwar ungewöhnlich, aber doch etwas trist. Gut, man kann sagen, da es ja die erste Fußgängerzone des Bezirks ist, sei mit Anfangsschwierigkeiten zu rechnen gewesen. Leserin T., sie ist Anwohnerin des Teltower Damms, hat da weniger Langmut. Sie spricht von einem „Schildbürgerstreich“, die sogenannte Fußgängerzone sei für gehende und radelnde Menschen sogar gefährlicher geworden, „da Autofahrer das Verkehrsschild schlichtweg ignorieren“. Man könne sich auf nichts mehr verlassen. Und „von Verkehrsberuhigung oder Aufwertung der Nachbarschaft kann nicht die Rede sein“, schreibt sie. Allerdings habe sie beobachtet, dass das Ordnungsamt „regelmäßig“ vor Ort sei; doch ändere sich nichts an der Situation.
Ich habe eine schöne Theorie, es ist sogar eine herrliche Verschwörungstheorie. Ich vermute, dass das Bezirksamt und die Bürgerinitiative Zehlendorf unter einer Decke stecken. Ich gehe davon aus, dass die BI-Leute die zuständigen Stadträtinnen auf dem Samstags-Markt getroffen haben und man ins Fachsimpeln kam. „Wir planen einen Einwohnerantrag für eine städtebauliche Planung für ganz Zehlendorf, nicht nur für Einzelteile“, meinten die Bürger. „Tolle Idee“, sagten die Amtsvertreterinnen, „aber das kriegen wir nie durch, das versteht ja keiner, und Geld kostet das auch“. Und beim Cappuccino überlegten alle gemeinsam, wie man diese wunderbare Kein-Stückwerk-mehr-Gesamtplanung doch irgendwie Bürgern, Politik und Steuersackbewachern näher bringen könnte.
Das Ergebnis dieses raffinierten Mark(t)eting-Plans können wir jetzt bewundern: die Fußgängerzone. Denn natürlich kommt man als nicht eingeweihter Bürger ins Grübeln. Wer soll da eigentlich flanieren? Warum? Wohin? Was lockt denn da am Postplatz? Was hält die Autofahrer davon ab, die Straße zu befahren? Warum nutzen die Gewerbetreibenden den Straßenraum nicht? Auf den ersten Blick scheint es kein Gesamtkonzept zu geben – auf den zweiten ist die Planlosigkeit der Plan. Die Fußgängerzone wirbt jeden Tag, mit jedem illegal einbiegenden und geparkten Auto, dafür, den Einwohnerantrag für ein Gesamtkonzept für Zehlendorf-Mitte zu unterstützen. Nein, nein, danken Sie mir nicht, dass ich dieses gewitzte Ränkespiel offen gelegt habe. Unterschreiben Sie einfach den Einwohnerantrag: Sie finden ihn auf der Website bi-zehlendorf.de.
Boris Buchholz ist freiberuflicher Journalist und Designer. Zwar wurde er in Wilmersdorf geboren, doch wuchs er in Lankwitz auf, besuchte in Steglitz das Gymnasium und wohnt in Zehlendorf. Mehr über Boris Buchholz erfahren Sie auf seiner Website. Wenn Sie Anregungen, Kritik, Wünsche, Tipps haben, schreiben Sie ihm bitte eine E-Mail an boris.buchholz@tagesspiegel.de