Intro
von Boris Buchholz
Veröffentlicht am 02.04.2020
Bis über den Parkplatz standen die noch keks- und mundschutzlosen Menschen: Als ich am letzten Freitag in der Takustraße 38 mein Rad anschloss, staunte ich nicht schlecht. Von 12 bis 16 Uhr wollte eßkultur, die Betreiberfirma des geschlossenen Restaurants in den Dahlemer Museen, Backwaren und selbstgenähte Mundschutze verkaufen. Um über die Runden zu kommen, um irgendwie Einnahmen zu generieren und die Vorräte an Eiern und Butter nicht verkommen zu lassen. Ich hatte im letzten Newsletter berichtet; doch dass so viele von Ihnen den Weg nach Dahlem gefunden haben, machte mich sprachlos. Es war kurz nach 13 Uhr, die Schlange war lang – und die 200 vorbereiteten Mundschutze bereits ausverkauft.
„Es ist überwältigend“, sagte eßkultur-Chefin Birgitt Claus sichtlich gerührt und begeistert an einem Tisch vor ihrem Restaurant stehend. „Ich nehme zwei“, sagte eine Kundin, die sich am Tisch in die Mundschutz-Order-Liste eintrug. Sie zog etwas die Schultern nach oben, „mein Mann wird leicht hysterisch“. Drei Euro kostet ein farbenfroher Mundschutz, es gibt auch einen grauen mit Rettungsanker darauf, die Kundin legt das Geld plus Porto in den Karten auf dem Tisch. Währenddessen winkt der Wachmann den nächsten Kunden in die Räume des Restaurants, hier warten vorbestellte Backwaren auf ihre Abholer. Es duftet lecker aus der Tür.
Fast wäre die ganze Aktion ins Wasser gefallen. „Ich hatte nicht Bescheid gesagt“, erklärte Birgitt Claus. Der Wachdienst des Museumsgebäudes wusste nichts von der Aktion und drohte, den eßkultur-Kunden den Eintritt zu verweigern. Gefühlte zehn Telefonate mit der Stiftung Preußischer Kulturbesitz später war klar: Alles klar, eßkultur kann seine Waren verkaufen, immer nur ein Besucher darf an den Tresen mit Quiche und Keksen herantreten.
Und dann rief die eßkultur-Frau laut in die Reihe der Wartenden: „Das hier ist der Tagesspiegel-Redakteur.“ Betretenes Schweigen auf meiner Seite. Dann hörte ich: „Ach ja, ich habe Sie gar nicht erkannt, als Sie vorbeigeeilt sind.“ „Ich bin auch eine Leserin.“ „Wie auf dem Foto.“ Mir wurden – aber das sah ich erst später – sogar E-Mails aus der Schlange gesendet: „Masken sind aus“, schrieb mir Susanne Dröge, „danke für Ihren Bericht, ein voller Erfolg“. „Es ist gerade in diesen schweren Zeiten wichtig, dass wir füreinander sorgen und respektvoll miteinander umgehen“, meinte Sabine Sylvester. Eine andere Leserin war enttäuscht: Sie sei „leider ohne Kekse, Kuchen, Quiche und Masken nach einer Stunde ohne Aussicht auf die Möglichkeit eines Einkaufes wieder von dannen gezogen“. Sie würde sich eine bessere Organisation wünschen.
Gerne will Birgitt Claus die Kritik annehmen: „Wir bemühen uns, wirklich!“ Am Freitag, 3. April, gibt es ab 12 Uhr eine neue Runde Kekse, Käsekuchen, Quiche und Mundschutz in der Takustraße. Am besten machen Sie sich auf der eßkultur-Website schlau – und bestellen vor. Übrigens hat sich das Sortiment noch einmal erweitert: „Wir brauchen gerade unsere Schürzen nicht und haben sie zu eßkultur-Rettungsschürzen umfunktioniert.“ Eine gebrauchte kostet 15 Euro, eine „nadelneue“ 30 Euro.
Boris Buchholz ist freiberuflicher Journalist und Designer. Zwar wurde er in Wilmersdorf geboren, doch wuchs er in Lankwitz auf, besuchte in Steglitz das Gymnasium und wohnt in Zehlendorf. Mehr über Boris Buchholz erfahren Sie auf seiner Website. Wenn Sie Anregungen, Kritik, Wünsche, Tipps haben, schreiben Sie ihm bitte eine E-Mail an boris.buchholz@tagesspiegel.de