Intro
von Boris Buchholz
Veröffentlicht am 25.03.2021
es ist eine ungewöhnliche Allianz, die sich da im Posteingang meines E-Mail-Programms zusammengefunden hat: Das Aktionsbündnis Lichterfelde-Süd, Fridays for Future Steglitz-Zehlendorf und das Willkommensbündnis für Flüchtlinge in Steglitz-Zehlendorf haben sich zusammengetan und eine gemeinsame Pressemitteilung verfasst. Der Titel: „Bürgerinitiativen in Steglitz-Zehlendorf – in der Gesellschaft eine starke Stimme, von der Politik wenig beachtet“.
In Steglitz-Zehlendorf gebe es „wie in kaum einem anderen Bezirk“ ein thematisch besonders breit aufgestelltes zivilgesellschaftliches Engagement, schreiben die drei Organisationen. Das Netz der ehrenamtlichen Aktivitäten reiche von lokalen Bürgerinitiativen über temporäre Zusammenschlüsse in der Nachbarschaft bis hin zu bezirksweit agierenden Bündnissen, die auch überregional bekannt und vernetzt sind. Doch die Erfahrungen der Bürgerinnen und Bürger sei häufig, dass sie vom Bezirksamt, der Verwaltung und der Bezirkspolitik kaum wahrgenommen würden. Informationen würden nicht fließen, Anfragen nicht beantwortet werden, in Ausschüssen gebe es nur geringe Mitwirkungsmöglichkeiten. Das soll anders werden.
Deshalb haben die drei gesellschaftlichen Akteure – die jugendliche Klimabewegung, die kritischen Begleiter:innen der Bebauung in Lichterfelde-Süd und das Hunderte von Köpfen zählende Willkommensbündnis – sechs konkrete Wünsche für eine bessere Zusammenarbeit von Bürger:innen und Politik erarbeitet. Die drei Bündnisse schlagen vor
- „alle öffentlichen Sitzungen der BVV und ihrer Ausschüsse per Video-Stream zu übertragen.
- den Akteuren aus den Bündnissen eine aktive Teilnahme an den Sitzungen der Fachausschüsse zu ermöglichen.
- die Einsicht in alle dafür notwendige Unterlagen auch gemäß Informationsfreiheitsgesetz zu gewährleisten.
- die Anträge aus den Bündnissen zügiger als bisher zu behandeln.
- die Tätigkeit von Beiräten wie Klimabeirat und Migrationsbeirat zu empowern, diese mit dem notwendigen und unabhängigem Sachverstand zu besetzen und ihre Aufgaben gegenüber dem Bezirksamt und der BVV zu stärken.
- bei der Benennung und Wahl von Bürgerdeputierten auch Fachleute aus der Zivilgesellschaft zu berücksichtigen.“
Politiker:innen, hört auf Eure Bürger:innen. Denn sehr verwegen klingen diese Vorschläge nicht. Und doch meine ich, das erregte Herzklopfen so manches Lokalpolitikers schon hören zu können: zu viel Video, zu viel nicht mit Parteiräson zu kontrollierendes Engagement, zu viel Wissen, das in – vielleicht unbequeme – Fragen münden könnte. Es ist schon verzwickt: Auf Bundesebene probiert die Politik neue Beteiligungsformen wie Bürgerräte in der Außenpolitik aus, aber auf der lokalen Ebene graut es der Mehrheit der Bezirksverordneten schon seit Jahren davor, dass ihre Sitzungen live übertragen werden könnten.
Ob es denn schon Reaktionen auf ihre sechs Vorschläge gegeben habe – die drei Bündnisse haben sie an alle Parteien und Fraktionen verschickt –, fragte ich nach: „Noch keine Reaktion, null“, lautete die Antwort am gestrigen Mittwochnachmittag. Also alles wie gehabt.
Haben Sie mit Ihrer kleinen oder großen Bürgerinitiative ähnliche Erfahrungen gemacht wie Fridays for Future, das Aktions- oder das Willkommensbündnis? Unter info@wikobuesz.berlin erreichen Sie Gleichgesinnte – vielleicht erwirken Sie gemeinsam mehr. Als eine Bürger-Bürgerinitiative.
Boris Buchholz ist in Wilmersdorf und Lankwitz aufgewachsen. Der Tagesspiegel-Redakteur arbeitet in Steglitz und lebt in Zehlendorf – die lokale und globale Politik interessiert ihn, seitdem er im Fichtenberg-Gymnasium die Schulbank drückte. Wenn Sie Anregungen, Kritik, Wünsche, Tipps haben, schreiben Sie ihm bitte eine E-Mail an boris.buchholz@tagesspiegel.de.