Intro
von Boris Buchholz
Veröffentlicht am 25.05.2023
Mittwochnacht, es war kurz nach 22 Uhr, die Bezirksverordneten waren gerade bei der Behandlung des Antrags „Die BVV Steglitz-Zehlendorf korrigiert ihre Abrissentscheidung bezüglich des Mäusebunkers“. Da ließ Mathia Specht-Habbel, die Fraktionsvorsitzende der FDP, die Katze aus dem Sack beziehungsweise die Mäuse aus dem Bunker: Am Abend hatte der Tagesspiegel exklusiv berichtet, dass der Mäusebunker am Teltowkanal, die ehemalige Tierversuchsanstalt der Freien Universität, vom Landesdenkmalamt unter Denkmalschutz gestellt wird. Ein liberaler Parteikollege hatte schon die Zeitung von morgen gelesen – Staunen im Bürgersaal des Rathauses Zehlendorf.
Für manche ist es ein Raumschiff, für andere ein Panzerkreuzer, für viele ist es das hässlichste Gebäude Berlins – so oder so, der markante Bau ist eine Ikone des Brutalismus. Bis 2020 wollte die Charité den Mäusebunker abreißen, der Campus des Uniklinikums Benjamin Franklin sollte erweitert werden. Dann die Wende: „Wir verdanken es dem Engagement vieler Menschen im In- und Ausland, dass die Uhr von fünf nach zwölf auf fünf vor zwölf zurückgedreht werden konnte“, sagt Landeskonservator Christoph Rauhut im Interview mit dem Tagesspiegel. Denn weil der Abriss schon beschlossene Sache und bereits genehmigt war, hatte sein Amt den Fall bis dahin nicht geprüft. Jetzt kommt das einzigartige Gebäude, das bis 1978 für 134 Millionen Mark nach den Entwürfen von Gerd und Magdalena Hänska entstand, auf die Denkmalliste.
Zwei Entwicklungen retteten den Mäusebunker. Zum einen stellte die Charité fest, dass sie ihre Pläne auch sehr gut ohne das Grundstück am Teltowkanal verfolgen könnte (hier lesen Sie mehr). Zum anderen startete unter der Leitung des Landesdenkmalamts ein Werkstattverfahren, Fachleute tauschten sich aus, entwickelten Ideen. „Wir wollten klären, ob man einen derart ungewöhnlichen Bau überhaupt nachnutzen kann, und zwar als Denkmal“, erläutert Christoph Rauhut: „Die Antwort lautet: ja.“
Und wie? Na, „mit Cafés, Veranstaltungsräumen, gewerblichen Nutzungen, Räumen für die Forschung und künstlerische Praxis, so ließe er sich aktivieren“. In dieser Gegend am Teltowkanal, so der Landeskonservator, fehle es ohnehin an Orten für die Stadtgesellschaft. Recht hat er. Doch bevor Sie im Bunker-Café Platz nehmen und bei einem Kaltgetränk die neue Ausgabe des Tagesspiegels genießen können, müssen erst die Schadstoffe aus dem Gebäude entfernt werden. Und dann, das ist zumindest eine Idee, könnten Lichthöfe in den Beton geschnitten werden.
In der Bezirksverordnetenversammlung Steglitz-Zehlendorf sorgte die Entscheidung der Denkmalschutzbehörde für ein geteiltes Echo: Grüne, SPD, FDP und Linke stimmten dafür, das Modellverfahren Mäusebunker „positiv zu begleiten“. Die AfD enthielt sich. Und die CDU stimmte dagegen. Natürlich ist klar: Auch die 22 Bezirksverordneten der Christdemokraten werden auf dem Kulinarik-Deck des Labor-Schlachtschiffs am Teltowkanal gern gesehene Gäste sein – allerdings wird es noch ein paar Jahre dauern, bis die Steglitz-Zehlendorfer und ihre Gäste dort für ein paar Mäuse Milchkaffee schlürfen können.
- Kultstatus für den Mäusebunker: Das ausführliche Interview, das meine Kollegin Christiane Peitz mit dem Landeskonservator führte, können Sie hier auf Tagesspiegel Plus lesen, unserem digitalen Angebot. Mit einem Abo T+, das Sie hier gratis testen können, unterstützen Sie unseren unabhängigen Journalismus und nicht zuletzt den kostenfreien Steglitz-Zehlendorf-Newsletter.