Intro

von Boris Buchholz

Veröffentlicht am 10.10.2024

eine feierliche Flaggen-Zeremonie, Nationalhymnen, die amerikanische Fahne vor und im Rathaus, Männer und Frauen in Uniform, Reden auf Englisch – so eine Feierstunde gibt es selten im Rathaus Zehlendorf. Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) hatte am Dienstag zur Veranstaltung „30 Jahre Abzug der US Berlin Brigade“ geladen; initiiert hatte die Veranstaltung die FDP-Fraktion. Die wichtigsten Ehrengäste waren nicht Colonel Brian C. Kreitlow, der Air Attaché der US-Botschaft, Oberst Horst Busch, er ist Chef des Landeskommandos Berlin der Bundeswehr, oder Bezirksbürgermeisterin Maren Schellenberg (Grüne). Die Stars der Stunde waren die 55 ehemaligen Soldatinnen und Soldaten der US Berlin Brigade, die aus den USA nach Berlin angereist waren. Eine von ihnen, Rose Miller, erleben Sie weiter unten im Interview.

„I’m glad you guys were all able to make the trip out here to Berlin“, sagte Brian Kreitlow in seinem Grußwort. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und fünf Jahre bis nach dem Fall der Mauer waren in Steglitz-Zehlendorf bis zu 5000 US-Soldaten stationiert. „Diese Präsenz war ein Zeichen an die Sowjets, dass wir uns der Unterstützung der Demokratie verschrieben haben“, so der Botschafts-Attaché.

Auch baulich und in den Straßen der damaligen Bezirke Steglitz und Zehlendorf setzten die Amerikaner Zeichen: Das Militärkrankenhaus in der Fabeckstraße entstand (jetzt wächst dort der Innovationscampus FUBIC), die Berlin American High School zog nach Dahlem in die Straße Am Hegewinkel. In der Goerzallee befand sich die McNair-Kaserne, die Kaserne der SS-Leibstandarte „Adolf Hitler“ in der Finckensteinallee wurde zu den Andrew-Barracks. Ob Charles-H.-King-, Taylorstraße oder Lützelsteiner Weg – in den ehemaligen Wohnbauten der Alliierten leben heute tausende Berlinerinnern und Berliner. Das ehemalige kommerzielle Zentrum der US-Truppen, das Truman-Plaza an der Clayallee machte Platz für Gewerbe und Wohnungen. Im ehemaligen Berliner Hauptquartier der US-Truppen ist nun das US-Konsulat zu finden (in einem anderen Teil sind Wohnungen entstanden). Und wiederum schräg gegenüber wurde aus dem Truppen-Kino „Outpost“ das Alliiertenmuseum. Die Geschichte des Berliner Südwestens ist auch die Geschichte des amerikanischen Engagements im Nachkriegs-Berlin.

„It’s a different world because of you.“ Oft glaube man als Soldat nicht, einen wichtigen Beitrag für den Aufbau von Ländern oder die Aufrechterhaltung der Demokratie zu leisten. Man mache eben seinen Job, so Colonel Kreitlow. „Wir patrouillieren, überprüfen Ausweise, liefern Post aus, reparieren Panzer, fahren einen Zug, halten Reden.“ Doch all das trage dazu bei, dass etwas Besonderes entstehen könne. „Diesen Monat feiern wir den 34. Jahrestag der deutschen Wiedervereinigung – und das ist das Erbe der Berliner Brigade“, sagt der Militär. Auch wenn US-Präsident Joe Biden irgendwann Berlin besuchen werde (er hat seinen heutigen Besuch wegen Hurrikan „Milton“ abgesagt), sei das auch ein Verdienst der US-Veteranen.

„Wir in Steglitz-Zehlendorf haben den US-Soldatinnen und Soldaten viel zu verdanken“, sagte René Rögner-Francke (CDU, Vorsteher der BVV) in seiner Rede. „Dass die Berliner in Ost und West gemeinsam in Freiheit leben können, war vor allem dem Mut, der Entschlossenheit und der Freundschaft der Amerikaner, Briten und Franzosen in den vergangenen Jahrzehnten [vor dem Mauerfall] zu verdanken“, sagte er. Angesichts des russischen Angriffskrieges in der Ukraine und des Konflikts im Nahen Osten sei es wichtig, „sich an den Mut und die Geschlossenheit des Westens im Kalten Krieg heute zu erinnern“.

Dagmar Odenthal ist im Nachkriegs-Berlin aufgewachsen. „Alt zu werden, war eines unserer Ziele“, sagte sie im Rahmen der Feierstunde. Luftbrücke und Mauerbau – über die Zeit seien die Amerikaner Freunde geworden. Die Alliierten hätten nicht nur die Sicherheit West-Berlins gesichert, sondern auch neue Impulse in die Stadt getragen. Sie erinnert an den US-Radio-Sender AFN in Dahlem, der mit Musik aus den Staaten und ab 1978 mit den Morgensendungen von Moderator Rick De Lisle Füße und Körper zum Tanzen brachte. Sein Morgenspruch war: „I’m Air Force Sergeant Rik de Lisle – reminding you, that Rock’n Roll is just a state of mind.“ Die Zeitzeugin dazu: „Für das damals leicht verschlafene Steglitz und Zehlendorf war das ein Kulturschock.“

Dass die Geschichte der deutsch-amerikanischen Freundschaft im Berliner Südwesten noch viele Kapitel haben wird, daran erinnerten auch andere Ehrengäste der Feierstunde: Die Kinder der Klasse 1b der John-F-Kennedy-Schule sangen im Rathaus-Saal „Hello to all Children of the World“ – sie wurden mit lautem Applaus gewürdigt. Später standen die Erstklässlerinnen und Erstklässler mit der Bezirkspolitik und den Veteranen der Berlin Brigade zusammen auf der Bühne: Die Smartphone-Kameras klickten und summten, so mancher Blitz erhellte den Raum. Erhellend, würdig, gemeinsam und mit Gelächter – ein gutes Ende für eine gelungene Feierstunde.

Lesen Sie mehr: Schwerpunkt US-Amerikaner in Steglitz-Zehlendorf.

  • Veteranin Rose Miller erzählt, wie sie als erste Frau eine Einheit der Militärpolizei befehligte (Nachbarschaft).
  • Es gibt ihn noch, den Bahnsteig in Lichterfelde-West, auf dem die meisten US-Soldaten nach West-Berlin kamen: Eine Bürgerinitiative will ihn unter Denkmalschutz wissen – was aus Sicht des Landesdenkmalamts dagegen spricht (Namen & Neues).
  • Wild beschimpft: Aus erster Hand berichtet Ihnen Reiner Kolodziej, wie er als Funker im Versorgungszug der US-Amerikaner arbeitete – der „Duty Train“ war für die amerikanischen Truppen überlebenswichtig (Namen & Neues).