Kiezkamera

Veröffentlicht am 09.02.2023 von Boris Buchholz

Jetzt balzen am Schlachtensee schon die Kormorane. Bisher gab es im Südwesten Berlins nur einen Kormoran-Hotspot: die Insel Imchen vor dem Kladower Hafen. Die Steglitzer Biologin Elke Brüser schätzt, dass sich auf der kleinen Insel etwa 60 Kormorane zum Brüten niedergelassen haben, hinzu kämen noch viele einzelne Vögel. „Es dürften also an die 100 Vögel sein“, meint die Expertin auf Nachfrage des Tagesspiegels. Doch jetzt müssen Steglitz-Zehlendorfer nicht mehr die Wannseefähre ans andere Ufer nehmen, um die großen Vögel zu beobachten: Am Schlachtensee versammeln sich regelmäßig bis zu einem Dutzend Kormorane. „Eine Balz habe ich dort in diesem Januar erstmals beobachtet“, sagt Elke Brüser. Es könnte der Beginn einer neuen Kolonie sein.

Denn es sind junge Vögel, die zum Schlachtensee kommen. Es seien in der Regel die Jungen, die neue Lebensräume erkunden, weiß die Biologin. Schon in der Vergangenheit sind Kormorane einzeln oder zu zweit zu Gast in der Grunewalder Seenkette gewesen. Da die Vögel seit 1979 unter Schutz stehen und sich stetig vermehrt haben, brauchen sie auch neue Reviere. Es sei denkbar, dass am Schlachtensee eine neue Kolonie entsteht, „denn Kormorane sind flexibel bei der Wahl des Nistplatzes und Bäume gibt es ja am Schlachtensee genug“. Zwar sei der Fischreichtum des relativ kleinen Sees begrenzt, „die Vögel brüten allerdings nicht unbedingt dort, wo sie fischen“.

Aktuell sei es interessant, die Vögel bei der Balz zu beobachten. Kormorane pflanzen sich erst im Alter von drei oder vier Jahren zum ersten Mal fort, die Hauptsaison für die Balz sind Februar und März. In milden Wintern kann das Werben aber auch schon Mitte Januar beginnen. In der Gruppe der Jung-Spunde am Schlachtensee wird wohl vor allem für später geprobt: „Speziell im Frühjahr ‚üben‘ subadulte Vögel die ‚Anmache‘, also das Balzen, versuchen wohl auch zu kopulieren und ein Nest zu bauen“, schreibt Elke Brüser in ihrem Blog „Flügelschlag und Leisetreter“. Chrochrochro, Chroho-chroho-chroho oder Chrahohoho: Wenn Sie wissen möchten, wie sich die Laute, die Kormorane beim Balzen machen, anhören und welche Taktik sie beim Liebesspiel anwenden, werden Sie im Blog der Steglitzerin fündig.

Übrigens ist das Üben des Sexlebens keine Besonderheit der Kormorane – die Kraniche machen das auch. „Das Balzverhalten sorgt dafür, dass sich weiblicher und männlicher Vogel annähern und synchronisieren“, erklärt die Vogel-Fachfrau. „Der männliche Part ist manchmal besonders schwierig, denn es gilt, mit einem Sprung zum richtigen Zeitpunkt auf den Rücken der Partnerin zu gelangen. Der Kranich springt nach der Kopulation sogar über den Kopf der Partnerin weg.“

Zurück zum Schlachtensee – dort hat Elke Brüser übrigens auch das Foto aufgenommen, bis zu 150 Zentimeter misst die Flügelspannweite. „Für die Menschen, die dort spazieren gehen, sind Kormorane vor allem unterhaltsam“, so die Biologin. Sie habe schon erlebt, wie Menschen stehen blieben, sich über die Vögel unterhielten und Fotos machten. Kormorane sind klug und lernfähig; da sie zudem sozial sind und Gruppen bilden, gibt es auch ständig Rangeleien und Zeichen von individueller Zuneigung. „In den Kolonien ist immer viel los“, begeistert sich die Steglitzerin. „Und bei ihrer Interaktion nutzen die Vögel eine Menge visueller und akustischer Signale.“ Außerdem seien Kormorane schon wegen ihrer Größe leicht zu beobachten – ein guter Vogel zum ornithologischen Einstieg. Eine dringende Bitte hat die Vogelfreundin allerdings: Hunde sollten vom Ufer fernbleiben und Abstand zu den Wasservögeln halten.

Was für Folgen hätte es, wenn die Vögel tatsächlich eine neue Kolonie gründeten? „Würde tatsächlich ein Baum als neuer Nistplatz von den Kormoranen auserkoren werden, ist zu befürchten, dass er nach und nach abstirbt“, sagt Elke Brüser: „Denn der scharfe Kot der Vögel verhindert, dass neue Zweige sich entwickeln und Blätter austreiben.“