Kultur

Liebe zur Orgel: Ulrich Eckhardt spielt Musik aus 800 Jahren

Veröffentlicht am 01.04.2021 von Boris Buchholz

Er ist ein hingebungsvoller Liebhaber. Ulrich Eckhardt verehrt die Orgel: „Ich habe mich diesem Wunderwerk verschrieben.“ Der 86-jährige Jurist, Kulturmanager, Pianist und Organist leitete 28 Jahre lang die Berliner Festspiele, heutzutage sitzt der Zehlendorf Frühaufsteher oft schon morgens in der leeren Herz-Jesu-Kirche oder in einem anderen Gotteshaus und spielt die Orgel (ein Gespräch mit ihm finden Sie hier). Jetzt hat der Musiker eine neue CD eingespielt: „Klang Zeit 1200 – 2014“ heißt sie und versammelt Orgelmusik aus über 800 Jahren.

Perotinus schrieb sein „Organum“ um das Jahr 1200, António Correa Braga führte „Batalha de 6. Tom“ Mitte des 17. Jahrhunderts auf, Franz Liszt veröffentlichte „Nuages Gris“ 1881. Das jüngste Werk auf der CD stammt von Dieter Schnebel: Seine „Orgel-Variationen“ komponierte er 2014; auf „Klang Zeit 1200 – 2014“ ist die Uraufführung zu hören. Gespielt wurden alle Stücke auf der Emil-Hammer-Orgel der Jesus-Christus-Kirche in Dahlem.

„Die CD soll die ganze klangliche Bandbreite der Orgel zur Geltung bringen“, sagt Ulrich Eckhardt. Gerade jetzt sei die Zeit für die CD reif geworden: Denn erstens konnten und können durch Corona viele Konzerte nicht stattfinden. Das habe auch die Uraufführung der Schnebelschen „Orgel-Variationen“ betroffen, die der Komponist Ulrich Eckhardt zum 80. Geburtstag gewidmet hatte. Zweitens sei die Orgel zum Instrument des Jahres 2021 gewählt worden. Und drittens ist die Einspielung ein Abschiedsgruß an die „reich disponierte Orgel der Jesus-Christus-Kirche“ – wegen Bauarbeiten in der Kirche ist die Orgel verstummt, voraussichtlich in zwei Jahren „kehrt sie in verbesserter Klangpracht zurück“.

Seine Liebe zur Orgel erklärt Ulrich Eckhardt zum Beispiel so: Mit den Orgelklängen werde versucht, „den Kosmos oder das Jenseits nachzubilden – im Streben nach Transzendenz“. Und so: „Durch permanenten Luftstrom erwacht das Instrument zum Leben und wird zum atmenden Organismus. Ich spiele mit Luft und schlage nicht auf Saiten aus Stahl.“ Und so: „Die Klangwellen einer Orgel berühren den Hörer nicht nur psychisch, sondern in starkem Maße auch physisch.“ Die Ton-Frequenzen reichten in die Unhörbarkeit „und wirken in der Tiefe markerschütternd“. Selbst der allergrößte Konzertflügel könne eine solche Breite nicht erreichen. So ist das mit der Liebe.

Ein Irrtum sei es im übrigen, klärt Ulrich Eckhardt auf, dass das Orgelspiel eine Fortsetzung des Klavierspiels mit anderen Mitteln sei. Mitnichten. Allein die Tastenanordnung sei gleich: Denn die Orgel werde mit Händen und beiden Füßen gespielt. „Ein ganz entscheidender grundsätzlicher Unterschied ist das Denken auf drei Ebenen, was der natürlichen Symmetrie des menschlichen Körpers eigentlich widerspricht“, führt der Organist aus. Weil das Orgelspiel vom Künstler großes Können erfordere, müsse er „ständig dranbleiben und möglichst täglich üben“.

Das macht Ulrich Eckhardt – morgens in der Kirche um die Ecke. Er hat einen eigenen Schlüssel.

Die CD „Klang Zeit 1200 – 2014“ kostet 15 Euro plus 2 Euro Versandkosten und ist bei Note&Ton erschienen. Bestellungen können per E-Mail und unter Angabe Ihrer Anschrift unter reinerTon@t-online.de ausgelöst werden.