Kultur

Für eine gerechtere Kulturförderung auch für private Bühnen: Shakespeare Company startet Petition

Veröffentlicht am 31.08.2023 von Boris Buchholz

Die Shakespeare Company, das Freilichttheater residiert neben dem Sommerbad am Insulaner, ruft sein Publikum und alle Kulturinteressierten zu den Fahnen: „Sie wundern sich vielleicht über diesen kämpferischen Ton?“, fragt Katharina Kwaschik. „Zu Recht, denn für uns geht es immer um Alles oder Nichts.“ Jede Saison sei ein finanzielles Abenteuer, geringe Gagen und Selbstausbeutung seien die Regel. Die Theaterleute kritisieren die öffentliche Kulturförderung – freie Theater und Projekte wie ihr Haus gehen seit 24 Jahren leer aus. „600 Millionen Euro gibt Berlin jährlich für Kulturförderung aus“, ergänzt ihr Kollege Stefan Plepp, „95 Prozent davon erhalten dauerhaft institutionell geförderte Institutionen“. Auch 28 Theater gehören dazu, die Shakespeare Company, die in einer normalen Open-Air-Saison 15.000 Zuschauer zählt, nicht. „Das finden wir ungerecht.“ Denn es werde dieselbe Arbeit geleistet, nur die Bedingungen sind schlechter.

Die Theatercrew bringt Beispiele. Private Theater könnten nicht die gleichen Preise und Vergünstigungen anbieten, wie die geförderten Häuser. Die Werbebudgets seien winzig. Für die Löhne, die das freie Theater anbieten kann, sei es zunehmend schwierig neue Mitarbeiter für Bühne, Technik und Verwaltung zu finden. Die geförderten Bühnen können wesentlich besser zahlen. Stefan Plepp nennt das bestehende Fördersystem „eine Wettbewerbsverzerrung“.

Egal ob Theater oder Tanz, eine neue Regelung müsse her. Die Shakespeare Company hat deshalb eine Online-Petition an das Berliner Abgeordnetenhaus gestartet – „ProPublikum“ heißt sie. Die Kernforderung: „Private Kulturträger und Institutionen, die seit Jahren kontinuierlich, effizient und dicht am Publikum arbeiten, sollten … an dem Budget der institutionellen Förderung beteiligt werden.“ Bedingung dafür sollte sein, dass die Kulturbetriebe und -projekte über eine gewisse Zeit dem Publikum ihre Kompetenz und Daseinsberechtigung bewiesen haben. Außerdem dürften die zur Schau gestellten Inhalte nicht demokratiefeindlich sein. Die dritte Bedingung: Förderberechtigt wäre nur, wer durch seine zu mageren Gewinne keine empfohlenen Gagen und Löhne zu zahlen vermag. Die Petenten schlagen vor, dass diese Voraussetzungen „für alle Empfänger der institutionellen Förderung regelmäßig überprüft werden“ sollten. Auch die großen Kultur-Häuser der Stadt müssten dann in festen Abständen Rechenschaft ablegen.

„Angesichts des nun schon über zwei Jahrzehnte andauernden wirtschaftlichen und künstlerischen Existenzkampfes, hat unser Ensemble beschlossen, diesen Kampf zum Politikum zu machen“, sagt Katharina Kwaschik. Es gehe darum, den Umgang des Berliner Senats mit privaten Kulturbetrieben zum Thema zu machen.

Aktuell stehen 932 Unterschriften unter der Petition – Sie finden sie hier auf der Beteiligungsplattform change.org. „Es muss eine gerechtere Verteilung der kulturellen Förderung durch das Land Berlin geben“, schreibt dort Unterstützer Norbert L. als Kommentar. Unterzeichner Ulrich Thümmler nennt die bisherige Kulturförderung „undurchsichtig“ und wünscht sich die Beteiligung „einer interessierten Öffentlichkeit“. – „Es muss jedem klar sein, dass Theater staatliche Subventionen brauchen“, meint Gudrun Gundelach. Dass Häuser wie die Shakespeare Company null Unterstützung erhalten, sei „eine eklatante Geringschätzung“. Und Astrid Wolff begründet ihre Unterstützung unter anderem so: „Weil die Shakespeare Company ganz tolles Theater macht, noch dazu bei jedem Wetter!“

Es gibt noch einen Aspekt, der ins Gewicht fällt: Während sich die meisten der geförderten Theater innerhalb des S-Bahnrings befinden, haben sich viele der freien Projekte auch in den Außenbezirken Berlins angesiedelt. Darüber, wie schwierig es ist, kulturelle Angebote am mehr oder weniger nahen Stadtrand zu schaffen und am Leben zu erhalten, wurde bei einer Podiumsdiskussion Ende Juni diskutiert – Veranstaltungsort war die Open-Air-Bühne der Shakespeare Company, eingeladen zur Veranstaltung hatte Frank Schaal vom Regionalinkubator Berlin Südwest. „Überall werden die Budgets halbiert, geviertelt“, hieß es von den Kulturleuten. Kathrin Schülein, sie leitet das Theater Ost in Adlershof sagte: „Auch wir wundern uns permanent, dass wir es schaffen, uns selbst zu finanzieren.“ Was gleichfalls bedeute, dass sie in ihrem eigenen Theater als miserabel bezahlte Theaterleiterin, Choreografin, Regisseurin, Reinigungskraft und Platzanweiserin jobbe – Selbstausbeutung pur. Was bei der Veranstaltung noch alles auf die Bühne kam, lesen Sie in meinem Bericht hier.

  • Die Petition des Shakespeare-Ensembles „Verändern wir die Berliner Subventionslandschaft – Initiative ProPublikum“ finden Sie hier. Die Saison im Freilichttheater am Insulaner neigt sich dem Ende zu: Bis Samstag zeigt die Shakespeare Company „Viel Lärm um Nichts“; vom 5. bis 9. September steht dann zum Abschluss „Zwei Herren aus Verona“ auf dem Programm. Nach dem letzten Vorhang des Sommers wird am 9. September wild gefeiert: „Sie können zum letzten Mal [in diesem Jahr] unter hoffentlich glitzernden Sternen in lauschiger Atmosphäre die wunderbare Magie unseres Theatergartens inhalieren“, wirbt die Theatercrew in der neuesten Ausgabe ihres Newsletters. Mehr zu Programm und Ensemble lesen Sie hier: shakespeare-company.de