Namen & Neues
Leerstehende Villa in der Schmarjestraße 14: Widerstand bei Jugendpolitikern gegen Verkauf
Veröffentlicht am 13.09.2018 von Boris Buchholz
„Das Vorgehen widerspricht zu einhundert Prozent dem Willen der Erblasser und zeigt, wie wenig Respekt die Politik in unserem Bezirk gegenüber dem Stifter-Paar zum Ausdruck bringt.“ Mit diesen Worten kommentiert der Vorsitzende der FDP-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung Steglitz-Zehlendorf, Kay Ehrhardt (er ist auch Mitglied des Jugendhilfeauschusses, kurz JHA), das Vorhaben der Bezirksamtsmehrheit, die Villa in der Schmarjestraße 14 zu verkaufen. Das Ehepaar Mehnert hatte sie dem Bezirk mit der Auflage vermacht, dort Musiker wohnen zu lassen oder ein soziales Projekt zu realisieren. Bis 2012 nutzte eine Kita das Haus, ihr kündigte das Bezirksamt, seitdem steht die Villa leer und verkommt (meine Kollegin Fatina Keilani berichtete).
Die Jugend- und Gesundheitsstadträtin Carolina Böhm (SPD) hatte dem Bezirksamtskollegium vorgeschlagen, die Villa an den Senat zu übertragen und dort ein Projekt für schutzbedürftige Frauen und Kinder einziehen zu lassen. Die Stadträte von CDU und Grüne lehnten den Vorschlag ab, sie wollen das Haus verkaufen. „Die Variante von Frau Böhm hat uns nicht überzeugt“, erklärte mir Bezirksbürgermeisterin Cerstin Richter-Kotowski (CDU) bereits Ende Juni (lesen Sie hier nach). Zweieinhalb Monate später gibt es keinen neuen Sachstand: Eine neue Bezirksamtsvorlage, die die Übertragung an die berlineigene Berliner Immobilienmanagement GmbH und den anschließenden Verkauf vorsieht, gäbe es noch nicht, teilte die Bezirksbürgermeisterin heute mit.
Schwarz-Grün probiere „hinter verschlossenen Türen, an der BVV vorbei, das Objekt zu verkaufen“, kritisiert der Liberale Kay Ehrhardt: „Die FDP unterstützt die Projektidee für schutzbedürftige Frauen und Kinder angesichts des Mangels an Frauenhäusern im Land Berlin.“ Auch andere Mitglieder des JHA sehen das ähnlich. „Das Haus nun vollständig der sozialen Nutzung zu entziehen und zu privatisieren, ist ein Skandal“, nimmt Jan Kellermann (SPD) Stellung. „Ich erwarte“, fährt der Sozialdemokrat fort, „dass das Bezirksamt die vollständige Aufgabe des Gebäudes für die Nutzung sozialer Belange durch den Jugendhilfeausschuss bestätigen lässt.“ Bisher war die Causa Schmarjestraße kein Thema im JHA. Für Sabine Gollombeck von der AfD ist die jüngere Geschichte der Villa „das Ergebnis politischen Versagens“, ein „Verkauf an Dritte verbietet sich“. Sie würde das Haus gerne einer Einrichtung im Jugendbereich zum Beispiel zur „Benachteiligtenförderung“ zur Verfügung stellen.
Harald Mier, Jugendpolitiker der CDU, bittet um Verständnis, dass er inhaltlich keine Stellung beziehen könne: Es würden viele Informationen fehlen, denn „der JHA hat sich aktuell damit nicht befasst“. Frühestens in der nächsten Sitzung könne es dazu kommen. Sebastian Serowy (Grüne), er ist der Vorsitzende des JHA, sagt: „Meines Erachtens hätte der Jugendhilfeausschuss damit befasst werden müssen.“ Er hätte sich gewünscht, „dass die Jugendstadträtin den Jugendhilfeausschuss rechtzeitig über das Vorhaben informiert hätte, damit es uns möglich gewesen wäre, darüber zu beraten“. Generell begrüße er das Vorhaben, „Einrichtungen für schutzbedürftige Frauen und Kinder auch in unserem Bezirk zu schaffen“. Allerdings sei ihm auch bekannt, dass das denkmalgeschützte Haus über keinen zweiten Rettunsgweg verfüge und „baulich nicht mehr im besten Zustand ist“.
Für den Verein „Nachbarschaft hilft Wohngemeinschaft“ sitzt Manfred Jannicke im JHA. Er meint: „Die Planung des Jugendamtes wäre bedarfsgerecht und nahe dem testamentarischen Sinn des Stifters gewesen.“ Ob das Vorhaben ernsthaft geprüft worden ist, sei ihm aber nicht bekannt. „Der Jugendhilfeausschuss wurde in der derzeitigen Periode nicht mit einer solchen Prüfung befasst.“ Das klingt vorsichtig kritisch. Ob der JHA sich jetzt in die Debatte einschalten wird? Das Verfahren wirft noch eine andere Frage auf: „Wer wird dem Bezirk in Zukunft eine Erbschaft vermachen, wenn man sieht, wie die Politik mit dem Erbe umgeht“, will Kay Ehrhardt wissen.
Eine Stellungnahme der Linke-Fraktion lag zum Redaktionsschluss des Newsletters nicht vor.