Namen & Neues
Der erste Reichsbürger kam aus Zehlendorf
Veröffentlicht am 20.09.2018 von Boris Buchholz
Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) erhielt im September 1985 Post: Der „Generalbevollmächtigten des Deutschen Reiches“ kündigte dem Berliner Stadtoberhaupt mit, dass fortan er die Geschicke der Weimarer Republik lenken würde, als Reichskanzler und zugleich Reichspräsident. Wolfgang Gerhard Günther Ebel hieß der Regierungswütige, der neben sich keine andere Obrigkeit anerkannte. Der Journalist Andreas Förster von der „Berliner Zeitung“ schreibt, Ebel sei der erste Reichsbürger gewesen. Wolfgang Gerhard Günther Ebel kommt aus Zehlendorf.
Ich bin schon oft an Ebels ehemaligen Wohnhaus vorbei gelaufen: Königsweg 1. Ich weiß noch, dass ich vor fast zehn Jahren wegen der Klingelaufschrift stutzte und im Bezirksamt nachfragte, ohne Näheres zu erfahren. Jahrelang stand „Kommissarische Reichsregierung (KRR). Der Reichskanzler“ an der Gartentür.
1985 reagierten die West-Berliner Behörden gelassen auf Ebel; bei der Stasi in Ost-Berlin allerdings klingelten die Alarmglocken. Immerhin war Ebel früherer S-Bahner der DDR-eigenen Deutschen Reichsbahn gewesen, in den 1980er Jahren strebte er die Übernahme des S-Bahnnetzes an. Also wurden gleich acht Agenten auf den ersten Reichsbürger angesetzt.
Es ist eine spannende Geschichte, die Andreas Förster recherchiert hat (Sie können Sie hier lesen). Ebel starb 2014. 1985 konnte man sich nicht vorstellen, dass 2018 bundesweit mit einer Zahl von 15.000 Reichsbürgern gerechnet wird. In Berlin sollen es laut Verfassungsschutz 550 sein. In Zehlendorf gab es wohl den ersten.