Namen & Neues
250, 450 oder 650: 200 Reihenhäuser mehr in Lichterfelde-Süd sorgen für Streit in der BVV
Veröffentlicht am 27.09.2018 von Boris Buchholz
Wenn in mehreren Jahren die Bauarbeiter zur nächsten Großbaustelle weitergezogen sind, werden in Lichterfelde-Süd etwa 6.000 Menschen ein neues Zuhause bezogen haben. Die Groth-Gruppe wird 2.500 Wohneinheiten errichten – von mietpreisgebunden günstigen Wohnungen über teurere Apartments bis hin zu Einfamilienhäuser. Über letztere wird seit Jahren im Bezirk gestritten, genauer über ihre Anzahl. Während CDU und FDP sich viele Reihenhäuser wünschen, halten Sozialdemokraten und Linke die Fahne für mehr Geschosswohnungsbau hoch. In der letzten Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung trat der Konflikt deutlich hervor: Die FDP hatte beantragt, 200 Reihenhäuser mehr zu planen; anstelle von 450 sollen es nach dem Willen der Liberalen 650 Reihenhäuser werden.
Das sei verantwortlungslos und ein Unding, „auf der Fläche für 200 Reihenhäuser können bis zu 800 Geschosswohnungen gebaut werden“, meinte der SPD-Fraktionsvorsitzende Volker Semler. Er brachte für seine Fraktion einen Änderungsantrag ein, der nur noch 250 Reihenhäuser erlauben würde, also 200 weniger als nach dem aktuellen Planungsstand. Diesem Ansinnen widersprach Peer Döhnert, der Fraktionsvorsitzende der AfD: Reihenhäuser böten die Chance „aus Mietskasernen herauszukommen und 150 Quadratmeter Garten selber zu bewirtschaften“; das zu ermöglichen, sei ein soziales Anliegen seiner Fraktion. Auch der Fraktionsvorsitzende der FDP, Kay Ehrhardt, kritisierte den Standpunkt der SPD. „Sie wollen eine ungesunde Mischung“, erklärte er, zu einem gesunden Mix „gehören auch Familien, die in Reihenhäusern leben“.
Jedes neue Reihenhaus gehe zu Lasten von bezahlbarem Wohnraum, „das setzt die Quote noch weiter herunter“, argumentierte Hans-Walter Krause (Linke). Nach dem Berliner Modell muss die Groth-Gruppe als Bauherr 25 Prozent der Geschosswohnungen als günstige Sozialwohnungen bereitstellen; je weniger Wohnungen gebaut werden, desto kleiner wird auch der 25-Prozent-Anteil, so die Befürchtung der Linken. Doris Manzke-Stoltenberg, die stadtplanungspolitische Sprecherin der grünen Fraktion, sagte in ruhigem Ton, dass 538 Sozialwohnungen in Lichterfelde-Süd fest vorgesehen seien, weniger würden und dürften es nicht werden. Ihrer Fraktion seien neben dieser Anzahl von günstigen Wohnungen zwei weitere Punkte wichtig: Genossenschaftliches Bauen soll in Lichterfelde-Süd umgesetzt und ein Wohnprojekt für psychisch Kranke initiiert werden. Alle drei Projekte seien im Städtebaulichen Vertrag festgeschrieben, „an diesen Punkten werden wir festhalten“.
Die Anzahl der bisher geplanten Sozialwohnungen werde nicht reduziert werden, versicherte Jens Kronhagel (CDU): „Wir wollen Sozialwohnungen, wir wollen Mietwohnungen und Reihenhäuser.“ Am Ende der Debatte wurde der 250-Reihenhäuser-Antrag der SPD abgelehnt (SPD und Linke waren dafür) und der 650-Reihenhäuser-Antrag mit den Stimmen von FDP, CDU, Grüne und AfD beschlossen.
Während die meisten Verordneten nach der Abstimmung schon nach dem nächsten Tagesordnungspunkt fahndeten, kam in den Besucherreihen Unruhe auf: Drei junge Frauen zeigten ein Banner mit der Aufschrift „Ihr baut nicht für uns“ – als der BVV-Vorsteher mit Ordnungsmaßnahmen drohte, verließen die drei Protestierenden den Saal. Im Treppenhaus erklärte mir Maiko Maares die Aktion: „Es gibt einen unglaublichen Bedarf an bezahlbarem Wohnraum und wir haben so wenig wertvolle Grünflächen.“ Es sei daher Verschwendung, wertvollen Platz für privilegierte Bewohner von Reihenhäusern zu verwenden. Ihre Mitstreiterin Hannah Brückmann ergänzte: „Ich stelle mir vor, dass in dreißig Jahren eine spießige Geisterstadt entstanden sein wird.“ Stattdessen könnte in Lichterfelde-Süd doch ein „Vorzeigeprojekt“ Gestalt annehmen; ein zukunftsweisender „Ort der Ruhe, ein Ort für Menschen“.