Namen & Neues

Schützt Mieter: SPD und Linke fordern in der BVV die Einführung von Milieuschutzgebieten

Veröffentlicht am 18.10.2018 von Boris Buchholz

In neun von zwölf Bezirken sind Milieuschutzgebiete geplant oder schon existent, in aktuell 46 Arealen Berlins stehen die bestehenden Mietwohnungen unter besonderem Schutz: Wer in einem Milieuschutzgebiet ein Haus verkaufen oder abreißen, es umbauen oder die Nutzung verändern möchte, braucht die Zustimmung des Bezirksamts. Auch die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen muss genehmigt werden. In Steglitz-Zehlendorf wird dieser Schutz der Mieter in absehbarer Zeit nicht kommen. In der Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung am Mittwochabend lehnten CDU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und AfD einen Antrag von SPD und Linken ab, in 14 Kiezen „Voruntersuchungen für den Erlass von sozialen Erhaltungssatzungen“ durchzuführen.

Das vom Stadtplanungsamt 2016 durchgeführte und 2017 ergänzte Grobscreening einiger Planungsräume im Bezirk habe zu keinem Handlungsbedarf geführt, erklärte Bezirksbürgermeisterin Cerstin Richter-Kotowski (CDU) in der Debatte. Als Beispiel nannte sie den Kiez Botanischer Garten: „Letztendlich gibt es zwar Hinweise auf Aufwertung und Verdrängung, aber nicht ausreichende Belege.“ Und sie fügt hinzu, dass sie den Dachausbau der Siedlungsbauten aus den 1920er Jahren begrüße. Milieuschutz „schützt nicht die Interessen der Mieter“, es sei das falsche Mittel. Stattdessen habe sich das Amt „auf die Strategie des Wohnungsneubaus mit dem Berliner Modell konzentriert“, erklärte sie. Ihr gehe es darum, „so viele neue Wohnungen zu bauen wie möglich“.

Und dann listet die Bezirksbürgermeisterin auf: In Lichterfelde-Süd entstünden 538 Sozialwohnungen (von 2.500), in der Fischerhüttenstraße 85 (von 257), in der Dessauerstraße 125 (von 250), am Wiesenschlag 115 (von 230), auf dem Gelände der ehemaligen Teltowwerft 54 (von 180) und in der Lankwitzer Mühlenstraße 32 (von 128).

Das sei ja alles schön und gut, erwiderte der SPD-Fraktionsvorsitzende Volker Semler, aber es sei „wesentlich preiswerter und schneller, die Bestandswohnungen vor Umwandlung und Verdrängung zu schützen“. Schließlich würden Modernisierungen im ganzen Bezirk dafür sorgen, „dass Mieter aus ihren Wohnungen raus müssen, weil sie die Miete nicht mehr bezahlen können“. Hans-Walter Krause von den Linken ist über die Argumentation der Bezirksbürgermeisterin „erschüttert“. Es sei Absicht, „alles zu konterkarieren, was mit Milieuschutz zu tun hat“, „hier vertritt keiner die Mieterinteressen, hier wird abgeblockt und bagatellisiert“ und „Zehlendorf muss man sich leisten können“, wetterte er.

Die AfD-Politikerin Yvonne Cremer fragt, was man mit Milieuschutz wolle, „wenn er nichts bringt“. Er sei kein individueller Mieterschutz, die energetische Modernisierung sei der Hauptpreistreiber und außerdem störe es sie, dass „alle Mieter in einem Gebiet gesponsert“ werden würden. „Das entspricht dem, was ich in dieser Frage auch denke“, eröffnete der CDU-Fraktionsvorsitzende Torsten Hippe seine Rede. Er stehe für Nachverdichtung „dort, wo es nicht weh tut“, für Baulückenschließung vor allem in Steglitz und für Dachausbau. Milieuschutz „wird nichts nützen“; Geld in die Untersuchung von möglichen Milieuschutzgebieten zu stecken, sei eine Verschwendung von Steuergeldern. Auf den Einwurf, dass wohl kaum neun von zwölf Bezirken Steuergeld zum Fenster hinauswerfen würden, entgegnete Hippe kühl: „Wir brauchen mehr Steglitz-Zehlendorf in Berlin und weniger Friedrichshain-Kreuzberg.“

Das wollten die Grünen so nicht stehen lassen. „Wir müssen beides tun“, sagte der wohnungspolitische Sprecher Sebastian Serowy, Neubau und Milieuschutz. „Wir müssen bezahlbaren Wohnraum erhalten.“ Den Milieuschutz samt Vorkaufsrecht halte er für „sinnvoll“, er wünsche sich, dass „wir in diesem Bezirk die gleichen Möglichkeiten hätten“ wie andere Bezirke. Doch stehe das vom Bezirksamt durchgeführte Grobscreening-Gutachten im Raum, nachdem es noch keine Grundlage für eine Milieuschutzsatzung gäbe. Das könne man nicht ignorieren. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Tonka Wojahn, wies den Vorwurf, der Mietenpreistreiber Nummer eins sei die politisch gewollte energetische Sanierung, scharf zurück: Laut einer Untersuchung der TU Dresden würden die Mieten durch allgemeine Preissteigerungen (sie zählt unter anderem Tiefgaragen, Lärmschutz, hochwertigere Außenanlagen auf) vier Mal so stark steigen wie durch energiebedingte Maßnahmen.

Als letztes meldete sich Rolf Breidenbach von der FDP zu Wort. Sein Mantra sei verdichten, aufstocken, neue Gebiete erschließen – und sich über Erfolge wie in Lichterfelde-Süd freuen. Und dann sagte er: „Man muss auch an die Menschen denken, die privates Geld in die Hand nehmen.“ Und bauen, Häuser kaufen – oder modernsieren.