Namen & Neues

Gutachten zur Villa Schmarjestraße: Paul Mehnert wollte eine soziale Nutzung

Veröffentlicht am 01.11.2018 von Boris Buchholz

„Mein Haus in Zehlendorf, Schmarjestr. 14, soll von der Stadt Zehlendorf als Altersheim genutzt werden.“ Als Paul Mehnert im März 1978 sein Testament verfasste, konnte er nicht ahnen, in welchen Ausmaßen sein Wunsch und dieser Satz in den nächsten 37 Jahren diskutiert werden würden. Und welche Interpretationen er auslösen würde. Um die an den Bezirk vererbte Villa wird heftig gestritten. Während das Bezirksamt Grundstück und Haus verkaufen möchte, wollen SPD, Linke und FDP es für einen sozialen Zweck nutzen. Die Bezirksbürgermeisterin pocht darauf, dass der Wunsch des Erblassers, dort ein „Altersheim“ zu errichten, nicht zu erfüllen sei. Deshalb sei der Bezirk frei, die Villa zu veräußern. Der SPD-Bezirksverordnete Jan Kellermann fragte nach, auf welcher rechtlichen Grundlage das Bezirksamt den Verkauf betreibe. Gebe es gar ein Rechtsgutachten zum Verkauf?

Nein, teilte Bezirksbürgermeisterin Cerstin Richter-Kotowski (CDU) mit, ein eigenes Gutachten zum Verkauf gebe es nicht. Sie stütze sich in ihrer Verkaufsabsicht auf zwei Stellungnahmen des Rechtsamts aus den Jahren 1985 und 2016. Da das gewünschte „Altersheim“ (und das kann in dem Haus aus baulichen wie rechtlichen Gründen nicht entstehen) nicht umsetzbar sei, sei das Bezirksamt frei von jeglicher Nutzungsauflage. Das Zehlendorfer Rechtsamt habe das 1985 so gesehen, das Steglitz-Zehlendorfer Rechtsamt habe das 2016 noch einmal bestätigt. Ergo könne und solle das Haus verkauft werden, so die Bürgermeisterin.

Doch ist das nur die halbe Wahrheit. Denn in einem Rechtsgutachten von 2007, das Harald Koch, Professor der juristischen Fakultät der Universität Rostock, für den damaligen Mieter des Hauses, den Verein „Weg der Mitte“, verfasste (das Gutachten liegt dem Tagesspiegel vor), zitiert er eine interne Stellungnahme des Rechtsamts vom 9. November 1985. Darin heißt es: „Um aber dennoch den letzten Willen des Erblassers zu würdigen, empfiehlt sich eine Verwendung des Hauses zu einem angemessenen sozialen Zweck.“ Und im Februar 1988 teilte das Bezirksamt dem Grundbuchamt dem Rostocker Gutachten zufolge mit: „Wir beabsichtigen künftig, das Gebäude einem sozialen Zweck im Sinne des Erblassers zuzuführen.“ Auch das Bezirksamt hatte also den generellen Wunsch des Erblassers verstanden.

Jurist Harald Koch kommt zu dem Fazit: „Die letztwillige Verfügung vom 1.3.1978 enthält eine verbindliche testamentarische Auflage im Sinne § 1940 BGB, die nicht durch die rechtliche Unmöglichkeit ihrer wortlautgetreuen Vollziehung gegenstandslos (unwirksam) geworden ist.“ Im Kern sei es Mehnerts Wunsch gewesen, dass im Haus des Ehepaares ein gemeinnütziger Zweck verwirklicht wird. Übersetzt auf das heutige Problem lautet sein Urteil: Verkaufen ist nicht möglich.

Zum Schluss kommt eine Kronzeugin zu Wort – wer kennt ihren Ehemann besser als seine Ehefrau (zumindest sollte das so sein)? Elisabeth Mehnert erklärte schon 1982 – ein Jahr nach dem Tode ihres Mannes – vor dem Amtsgericht Schöneberg, dass ihr Mann gewollt habe, „dass das Grundstück Schmarjestr. 14 einmal nach seinem Tode nicht an einen entfernten Verwandten, sondern an die Gebietskörperschaft fällt, weil es zu gemeinnützigen Zwecken weiter genutzt werden sollte“.

Übrigens hatten derweil die Mitglieder des Jugendhilfeausschusses die Gelegenheit, sich die Villa und das Grundstück in der Schmarjestraße anzusehen. Ich bin gespannt, wie die Geschichte um die Geistervilla weitergeht.