Namen & Neues
Verkauf der Villa Schmarjestraße vorerst vom Tisch: Bezirksamt braucht Bedenkzeit
Veröffentlicht am 15.11.2018 von Boris Buchholz
Es muss für CDU und Grüne ein Schock gewesen sein: Im Sommer stoppte die schwarz-grüne Mehrheit im Bezirksamt die Pläne von Jugendstadträtin Carolina Böhm (SPD), in der Villa in der Schmarjestraße 14 ein vom Senat finanziertes Frauenhaus einzurichten. Im Oktober noch hatten Bezirksbürgermeisterin Cerstin Richter-Kotowski (CDU) und der christdemokratische Fraktionschef Torsten Hippe in der Bezirksverordnetenversammlung den Verkauf des geerbten Hauses in der Schmarjestraße 14 als einzig gangbare Lösung präsentiert – sie argumentierten lautstark, selbstbewusst, ihrer Sache sicher. Drei Wochen später erwirkte jedoch Roland Krause, er macht geltend, der Nacherbe des ehemaligen Villen-Besitzers und Erblassers Martin Mehnert zu sein, vor dem Landgericht Berlin eine einstweilige Verfügung gegen das Land Berlin – jetzt steht im Grundbuch, dass der Bezirk Villa und Grundstück nicht verkaufen darf. Den Bericht meiner Kollegin Fatina Keilani finden Sie online auf tagesspiegel.de. Ob die Senatsverwaltung für Finanzen, an sie richtet sich die einstweilige Verfügung, Widerspruch einlegt und es zu einer Gerichtsverhandlung kommt, ist derzeit noch unklar.
Klar ist, dass das schwarz-grün dominierte Bezirksamt – zumindest vorläufig – vor einem politischen Scherbenhaufen steht. Die vom Jugendamt gewünschte Nutzung liegt auf Eis, der Verkauf ist in absehbarer Zeit nicht durchführbar. „Wir wussten gar nichts vorher, wir haben nichts erfahren“, erklärte die Bezirksbürgermeisterin im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Das sei erstaunlich, immerhin „sind wir Eigentümer des Hauses“. Sie lasse das Rechtsamt den Sachverhalt prüfen. Zugleich sorgt der ganze Vorgang für Unverständnis: Bislang sei der Nacherbe – dass er das sei, „sagt er“, fügte Cerstin Richter-Kotowski zweifelnd ein, den Nachweis kenne sie nicht – „nie in Erscheinung getreten“. Jetzt müsse das Bezirksamt mit der Senatsfinanzverwaltung klären, „wie wir weiter vorgehen“. Beharrt sie auf dem Verkauf? „Es kann auch sein, dass wir uns anders entscheiden werden, das weiß ich noch nicht“, erwidert die Bezirksamtschefin, „ich kann Ihnen nicht sagen, was ich als nächstes tun werde“.
Der Fraktionsvorsitzende der SPD, Volker Semler, hat dagegen genaue Vorstellungen davon, was jetzt passieren müsse: Das Bezirksamt solle das von Jugendstadträtin Böhm vorgeschlagene „Mädchen- und Frauenhaus“ realisieren. „Wenn dies nicht umsetzbar sein sollte, sollte ein anderes soziales Projekt umgesetzt werden“, fordert er. Den geplanten Verkauf der Immobilie habe er von Anfang an „für blanken Unsinn“ gehalten. FDP-Fraktionschef Kay Ehrhardt sieht die „schwarz-grünen Hinterzimmer-Entscheidungen, Tafelsilber des Bezirk völlig unnötig und womöglich unter Wert zu verkaufen“ als gescheitert an. „Die vom Amt behauptete juristische Alternativlosigkeit eines Verkauf ist falsch“, stellte er fest. Die FDP fordert vom Amt ein klares Bekenntnis zur Schmarjestraße. Ein Runder Tisch mit Freien Trägern, Senat und den Abteilungen des Bezirksamt sollte schnellstmöglich einberufen werden, „um einen erneuten Leerstand zu verhindern“.
Die Linksfraktion im Südwesten sei dankbar für die Gerichtsentscheidung, schreibt der Fraktionsvorsitzende Gerald Bader. „Allerdings ist es ein Skandal, dass es diese Entscheidung überhaupt brauchte, damit der Verkauf gestoppt wurde, den Schwarz-Grün betrieben hat“, sagt er. „Ohne Not eine Immobilie, die dem Bezirk per Erbe in die Hände gelegt wurde, erst freizuklagen, anschließend verfallen zu lassen, um sie dann verkaufen zu wollen“, sei beschämend. Der AfD-Politiker Peer Döhnert schrieb mir, dass er die neue Sachlage nicht bewerten könne. Bislang sei seine Fraktion den Verkaufsargumenten des Amts gefolgt.
Die Kooperationspartner CDU und Grüne senden unterschiedliche Signale. Torsten Hippe erklärt, er könne mangels Information in der Sache nichts sagen: „Wir haben keine Kenntnis davon, auf welcher Grundlage das Landgericht was entschieden hat.“ Sicher ist er sich aber, dass „dieses Haus sozial zu bespielen zwischen unmöglich bis völlig unwirtschaftlich“ ist. Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen tritt für eine neue rechtliche Prüfung ein, „was in und mit diesem Haus möglich ist“. Der jahrelange Leerstand soll „sinnvoll beendet werden“. Rena Peterson (Grüne), sie ist Ausschussvorsitzende für Frauen und Gleichstellung, erklärt: „Bereits seit Jahren setzen sich unsere Fraktion sowie unsere grünen Stadträtinnen für eine soziale Nutzung des Hauses ein.“ Das mag stimmen – teilweise. Sowohl Anke Otto als auch Christa Markl-Vieto waren als grüne Jugendstadträtinnen mit der Causa Schmarjestraße beschäftigt. In ihre Amtszeiten fällt jedoch auch die Kündigung der Kita, die bis 2012 die Schmarjestraße 14 nutzte. Und der aktuelle Verkaufsplan wäre ohne die Unterstützung der grünen Baustadträtin im Bezirksamt nicht durchsetzbar gewesen. Die gute Nachricht: Die grüne Fraktion wisse von mindestens einem sozialen Träger, der „mit eigenem Geld hier Verantwortung übernehmen würde“.