Namen & Neues

In der Schiene steckt Musike: Leser-Debatte zur Stammbahn

Veröffentlicht am 17.01.2019 von Boris Buchholz

In meiner Mailbox steht es 8 : 3 – die Befürworter der Reaktivierung der Stammbahn liegen deutlich vorne. Die Pro-Argumente lauten immer wieder: Es gebe zu wenige Wege für Pendler in die Stadt; die Verbindungsstraßen zwischen Umland und Steglitz-Zehlendorf seien verstopft; der Nah- und Regionalverkehr müsse ausgebaut werden, damit eine umweltfreundliche Mobilität in der Region möglich werde. „Wenn ich am Wochenende mal nach Kleinmachnow möchte, muss ich am U-Bahnhof Krumme Lanke eine Stunde auf den Bus warten“, schrieb Leser Mirko Wenzlawski. Sein Fazit: „Ein Unding in der wachsenden Metropole Berlin!“ Zugleich seien die Bahnverbindungen nach Potsdam „heute schon überfüllt“.

Einen positiven Effekt der Stammbahn erwartet Leser Günther Drobisch für die Zentren an Teltower Damm und Schloßstraße. Wenn mehr Menschen auf die Schiene umsteigen würden, würden die „Ortskerne vom motorisierten Individualverkehr“ entlastet werden. Schon in einer Analyse der Bahn aus dem Jahr 2008 sei für die Stammbahn eine tägliche Fahrgastzahl von 18.000 prognostiziert worden – „durch die wachsende Stadt und die gewaltigen Pendlerzahlen zwischen Berlin und Brandenburg dürften die Fahrgastzahlen mittlerweile deutlich höher liegen“, argumentiert er. Wenn in einigen Jahren die Autobahnbrücke hinter dem Steglitzer Kreisel gesperrt und erneuert werden müsste, dann sei der „Betrieb der Stammbahn geradezu lebensnotwendig“.

Viele Leserinnen und Leser hegen die Hoffnung, dass sie mit der Eröffnung der Stammbahn auch in S-Bahnnähe wieder einen Parkplatz finden würden. Bisher würden in Lichterfelde-Süd, Zehlendorf oder in Wannsee abgestellte Autos aus dem Umland die Straßen dominieren – wenn die Bahn in Düppel und Kleinmachnow halten würde, könnte das Pendlerauto (vielleicht) in der brandenburgischen Garage bleiben.

Den Gedanken, das Umland mit (Elektro-)Bussen an die Stadt anzubinden, lehnt Leser Thomas Oestereich ab: „Nein, Busse egal welcher Art helfen hier nicht weiter, weil sie genauso im Verkehr festhängen wie die PKW. Außerdem ist die alte Eisenbahnstrecke konkurrenzlos direkt, über die Straßen sind die Wege viel weiter.“ Andere Alternativen seien „Science Fiction“. Zugleich sieht er das Dilemma für die direkten Anwohner. „Ja, es ist ungerecht, dass die direkt betroffenen Anwohner hier ein Opfer für die ganze Stadt bringen müssen“, sagt er. Allerdings dürfe nicht aus „Rücksichtnahme auf die (verständlichen) Interessen einiger Weniger“ Lösungen abgelehnt werden, die allen Menschen zugute kommen würden.

Leserin Ulrike Luther und Leser Matthias Bieberstein beziehen andere Positionen. Er sieht durch die Digitalisierung und Flexibilisierung der Arbeitswelt den traditionellen „Berufsverkehr“ im Abschwung. Deshalb leuchte ihm bisher die unbedingte Notwendigkeit der Stammbahn nicht ein: „Das ‚Nice-to-have‘ steht gegen die Interessen der Anwohner entlang der Trasse.“ Ulrike Luther stellt sich schützend vor die Natur, die an der alten Trasse gewachsen ist. „Und wir alle wissen, dass ja nicht nur eine gemütliche Bahn bis nach Potsdam fahren soll, sondern dass hier dann ebenfalls Fernbahnen durchrattern werden.“ Biotope würden zerstört werden – und die Häuser direkt an der Trasse „verlieren jeglichen Wert (nicht nur finanziell!)“.

Sowohl Pro- als auch Contra-Leser machen weitere beziehungsweise alternative Lösungsvorschläge: Wie wäre es mit einem höheren Takt auf der S1? Doppeldecker-Regionalzüge? Eine Leserin schlägt vor, zwischen dem U-Bahnhof Krumme Lanke und Kleinmachnow die U-Bahn zu verlängern. Die Arbeitsgruppe Mobilität der Lokalen Agenda will sich im Frühjahr mit der These beschäftigen, ob der Regionalverkehr besser über „den Knoten Wannsee“ mit Halt in Zehlendorf, Mexikoplatz (sofern die U3 bis hierhin verlängert werden würde) und Steglitz geleitet werden sollte. Derzeit sei eine entsprechende Studie in Arbeit, teilte mir die Arbeitsgruppe mit.

Dass der Schienenverkehr im Berliner Südwesten in absehbarer Zeit weiter ausgebaut wird, scheint recht sicher zu sein. Im Investitionsprojekt „i2030“ der Länder Berlin und Brandenburg ist sowohl die Stammbahn vorgesehen als auch eine Verlängerung der S-Bahn von Teltow Stadt nach Stahnsdorf. Und auch Lankwitz soll gewinnen – der seit Jahrzehnten geplante Bahnhof Kamenzer Damm steht auch im Plan. Mehr über den Eisenbahn-Ausbau der Metropolregion erfahren Sie online auf tagesspiegel.de. Außerdem interessant: Der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) hat den Betrieb der Regionalbahnlinien neu ausgeschrieben. Die Linie R1 wird ab 2023 von der ODEG (und nicht mehr von der Deutschen Bahn) betrieben. Künftig sollen auf der Strecke drei statt zwei Züge die Stunde mit mehr Kapazität rollen. Auch die Frequenz der Linie R7 soll sich dann erhöhen: Jede halbe Stunde soll ein Zug ins Umland fahren (auch dazu gibt es online mehr zu lesen).