Namen & Neues
Von der Clayallee zur Grünen Woche: Ein junger Rollstuhlfahrer berichtet von seiner Anreise-Odysee über Spandau
Veröffentlicht am 21.02.2019 von Boris Buchholz
Antonio Militaru ist ein Kollege von mir. Er ist Redakteur der Online-Schülerzeitung der Biesalski-Schule; die Schule ist ein Förderzentrum im Bereich körperliche und motorische Entwicklung. Antonio Militaru ist 19 Jahre alt und sitzt wegen seiner Spastik im E-Rollstuhl – sein Gefährt wiegt 250 Kilogramm, er lenkt es mit einer Kinn-Steuerung. Letzte Woche schrieb er mir und erzählte von einem Ausflug seiner Klasse zur Grünen Woche, der Ende Januar stattfand. Es sei ein gelungener Messe-Besuch gewesen, schreibt er. Doch die Anreise zum Ausstellungsgelände am Funkturm gestaltete sich für ihn mehr als schwierig. Seinen Bericht hat er mit einer speziellen Augensteuerung geschrieben, hier ist er:
„Ein bitterkalter Wind fegte durch die Stadt. Das Thermometer zeigte -5 Grad Celsius. Um 10.30 Uhr war Treffpunkt am Haupteingang an den Messehallen. Meine Mitschüler durften von zu Hause dorthin kommen. Ich kam morgens mit dem Fahrdienst in die Schule. Mit meinem Betreuer Herrn Schilf ging ich dann um 9.30 Uhr los, eine Stunde sollte reichen um zur verabredeten Zeit dort zu sein.
Am U-Bahnhof Oskar-Helene-Heim benutzen wir den erst kürzlich eingebauten Fahrstuhl, um auf den Bahnsteig zu gelangen. Die Fahrt ging dann mit der U3 zum Bahnhof Heidelberger Platz. Dort wollten wir den Fahrstuhl zur oberirdisch fahrenden Ringbahn benutzen. Doch leider war dieser defekt. Was nun? Wie sollten wir jetzt zur Grünen Woche kommen? Ach so, Bismarckstraße geht ja auch zum Umsteigen. Also benutzten wir die nächste U-Bahn, stiegen Fehrbelliner Platz um und fuhren mit der U7 bis Bismarckstraße. Bei jedem Ein- und Austeigen, musste der U-Bahn-Fahrer extra die Rampe für mich holen. Bismarckstraße ausgestiegen suchten wir den Fahrstuhl, und fanden ihn nicht. Dann sahen wir, dass der Fahrstuhl wegen Bauarbeiten verkleidet und nicht zugänglich war. Mist, das darf wohl nicht wahr sein!
Deswegen fuhren wir mit der nächsten Bahn bis Jungfernheide. Aber auch hier war der Fahrstuhl wegen Sanierungsarbeiten außer Betrieb. Von diesem Bahnsteig konnten wir auch nicht einfach zurückfahren: Um zurückzufahren hätte man einen Bahnsteig höher gemusst – aber das war ohne Fahrstuhl nicht möglich. Also schon wieder neu überlegen… Ein Umweg über Spandau ist noch eine Möglichkeit. Daher fuhren wir mit der U7 weiter bis zum Bahnhof Spandau und nahmen die S-Bahn zum S-Bahnhof Messe Nord.
Damit war die Odyssee aber noch nicht beendet. An der Kreuzung von Neue Kantstraße und Messedamm gab es keinen Fußgängerübergang. Der befand sich erst am ZOB (Zentralen Omnibusbahnhof). So kamen wir mit zweistündiger Verspätung an und hatten aber trotzdem noch einen schönen Tag. Danke, Berlin, und danke, BVG, für diese vielen kaputten Aufzüge und das alles bei -5 Grad.“