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Leserumfrage: Die Top-10 der Ampeln mit den kürzesten Grünphasen für Fußgänger im Südwesten

Veröffentlicht am 07.03.2019 von Boris Buchholz

„Die Grünphase dauert 4 Sekunden und ist nur im Sprint zu schaffen“, „die Kreuzung ist nur noch im Spurt zu überqueren“, „die Ampel ist inzwischen mehr Belustigung als ernstzunehmendes Signal“ – Sie haben mir in Sachen kurz und kürzere Ampelschaltungen für Fußgänger eifrig geschrieben, herzlichen Dank. Ich will Sie nicht auf die Folter spannen, bisher haben es folgende Ampelanlagen in die Top-10 der für Fußgänger am unfreundlichsten Ampelanlagen des Südwestens geschafft:

  1. Berliner Ecke Sundgauerstraße [4 Nennungen]
  2. Lindenthaler Allee Ecke Matterhornstraße (S-Bahnhof Mexikoplatz) [4]
  3. Lankwitzer Straße vor dem Bahnhof Lichterfelde-Ost [3]
  4. Kranoldplatz (Königsberger Straße, Brauerstraße und Oberhofer Weg) [3]
  5. Kreuzung Unter den Eichen / Thielallee / Dahlemer Weg [2]
  6. Unter den Eichen Ecke Von-Laue-Straße [2]
  7. Schildhornstraße vor der Ausfahrt Parkhaus Boulevard Berlin [2]
  8. Kreuznacher Ecke Maßmannstraße [2]
  9. Goerzallee Ecke Drakestraße [2]
  10. Drakestraße Ecke Curtiusstraße [2]

Ingesamt schütteten Sie mir an 22 Kreuzungen in Steglitz-Zehlendorf Ihr geschundenes Herz aus – und nannten mir weitere zehn Lichtzeichenanlagen, die nicht im Bezirk liegen. (Trotz einer gewissen Ortskenntnis habe ich mich in fast jedem Fall vergewissert, dass es beispielsweise eine Kreuzung von Brunnen- und Invalidenstraße nicht auch im Berliner Südwesten gibt. Okay, bei der Ortsangabe „Kurfürstendamm Ecke Joachimsthaler“ war mir auf den ersten Blick klar, dass diese Kreuzung in einem Vorort von Steglitz-Zehlendorf liegen muss). Ist Ihre übliche Spurt-bei-Grün-Strecke nicht dabei? Oder die schlimmste der schlimmen Ampeln ist zu weit unten im Ranking? Schreiben Sie mir gerne weiter, ich führe die Top-10 bis Ende März fort: boris.buchholz@tagesspiegel.de

Allerdings haben sich nicht nur Leserinnen und Leser mit Ampel-Nennungen bei mir gemeldet, sondern auch mit Hintergrundinfos. Die Forderung, die Grünphasen müssten so lang sein, dass man noch bei Grün die andere Straßenseite erreichen könne, „geht leider in die falsche Richtung“, schreibt Leser Michael Riedel. Denn das grüne Licht berechtige zum Betreten der Fahrbahn, den Fußgänger müsse die Ampel „nach dem Betreten der Fahrbahn nicht mehr interessieren“. Die Rotphase der Autos sei so lang bemessen, dass ein Fußgänger, so er bei Grün los ging, bequem über die Straße komme. Die Ampelprogrammierer rechnen mit einer Schrittgeschwindigkeit von einem Meter pro Sekunde, erklärt der Leser.

Und dennoch schreibt zum Beispiel Leserin L.: „Es sind schon immer bei den letzten eineinhalb Metern die Linksabbieger beim Anfahren und die Ampel für die Fußgänger ist inzwischen Rot.“ „Meist springt die Ampel auf Rot, wenn man in der Mitte der Straße ist. Von der Curtiusstraße kommende links abbiegende Kfz drängeln, bei Einbruch der Dunkelheit entstehen gefährlich Situationen“, beschreibt Leserin J. die Situation an der Drakestraße.

Für mich sprechen drei Argumente für längere Grünphasen: Erstens frage ich mich, warum sich die schwächste Gruppe der Verkehrsteilnehmer hetzen und drängen lassen muss. Wenn mitten auf der Straße die Ampel auf Rot springt, habe ich automatisch das Gefühl, jetzt aber sehr schnell das rettende Gehsteigufer erreichen zu müssen. Und nicht nur ich: Auch die wartenden und am Gaspedal spielenden Autofahrenden, die mich durch die Winschutzscheiben hindurch von der Straße wünschen, geben mir nicht unbedingt ein Gefühl der Sicherheit. Zweitens: Selbst wenn man das grüne Licht „nur“ als Du-darfst-die-Straße-betreten-Zeichen deutet – warum sollte dieses Zeitfenster nicht etwas größer ausfallen? Warum sollte die Überquerung einer Straße nicht auch für Menschen mit schmerzenden Füßen bequem und komfortabel sein?

Und schließlich drittens: Einige Leser argumentierten, dass es Mittelinseln ja gäbe, damit man die nächste Grün-Etappe sicher abwarten könne – die Straßenerbauer hätte gar nicht eingeplant, dass ich einem Rutsch über die Straße flanieren könne. Für eine Stadt, in der der Autoverkehr grundsätzlich Vorrang hätte, würde ich das Argument gelten lassen. Aber warum sollten Fußgänger nachrangig behandelt werden? Vier Zylinder gut, zwei Beine schlecht? In meinem Berlin dürften Fußgänger eine Straße in angemessen gemütlicher Zügigkeit und in einem Schwung sicher überqueren (das würde auch den Mittelinsel-Effekt verringern, dass genervte oder ihren Bus sich nähern sehende Mittelinsel-Steher einfach bei Rot die restlichen Meter Fahrbahn zu überwinden suchen).

In einem bisher noch nicht veröffentlichten Referentenentwurf für eine Änderung des Mobilitätsgesetzes aus dem Hause von Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) sind längere Grünphasen für Fußgänger bereits vorgesehen. Anfang 2020 soll die Gesetzesnovelle abgestimmt werden (hier lesen Sie einen Bericht meiner Kollegin Laura Hofmann, die auch den Newsletter des Tagesspiegel schreibt).

Das Schlußwort gebührt Leserin S.: Zur Grünphasen-zu-kurz-Top-10 schreibt sie, dass „die Liste wesentlich kürzer würde, wenn die Ampeln notiert würden, an denen man mit normalem Schritt-Tempo nur eine Grünphase fürs Straßenqueren bräuchte“.