Namen & Neues

Kahlschlag für Seniorenwohnungen: Baumfällungen an der Mühlenstraße

Veröffentlicht am 24.10.2019 von Boris Buchholz

In der zweiten Oktoberwoche rückten die Bauarbeiter an: Im Wäldchen auf dem Grundstück Mühlen- Ecke Prinz-Handjery-Straße in Zehlendorf -Mitte fielen die Bäume, über 100 wie die FDP-Fraktion im Bezirksparlament zählte (ein Bild der gerodeten Brache finden Sie unten in der Rubrik „Kiezkamera“). Ungenutzt war das Natur-Areal zuvor nicht, den Raum unter den Wipfeln nutzten Kinder und Jugendliche seit Jahren als Fahrrad-Cross-Strecke. Anwohnerin R. ist ob der Rodung entsetzt, spricht von „Baumfrevel“ und mangelnder Information durch die Verwaltung: „Und wieso wurde diese Aktion so geräuschlos beschlossen, dass sämtliche Anwohner und Sporttreibende völlig überrascht wurden?“ Auch Leser K. wunderte sich über Fällungen und Bauzaun, ein Bauschild gebe es nicht, bemängelt er. „In einer Zeit, in der jedes Bauprojekt kontrovers diskutiert wird und es Kämpfe um jeden Baum gibt, ist der ganze Vorgang absolut erstaunlich.“

„Geplant ist die Errichtung einer Seniorenwohnanlage mit Pflege und einer Tagespflegeeinrichtung“, erklärte Stadplanungsdezernentin und Bezirksbürgermeisterin Cerstin Richter-Kotowski (CDU) in der Sitzung der Bezirksverordneten am Mittwochabend. Von etwa neunzig Apartments für betreutes Wohnen ist die Rede. Das Gelände gehört einem privaten Seniorenheimbetreiber – schon seit Jahren. Bereits im Jahr 2012 hatte der Besitzer einen Bauvorbescheid genehmigt bekommen, die Baugenehmigung stammt aus dem Jahr 2014. Mangelnde Information der Öffentlichkeit? Die Rathauschefin kontert: „Das Vorhaben wurde dreimal Ende 2012 und Anfang 2013 im Stadtplanungsausschuss vorgestellt und diskutiert.“ Die Größe des Bau-Unternehmens und die Gestaltung seien damals kritisiert worden, der potenzielle Bauherr passte seine Planungen diesen Wünschen an.

Doch er baute nicht. Im März 2019 verlängerte das Bau- und Wohnungsaufsichtsamt die Baugenehmigung ein drittes und letztes Mal. Dass jetzt die Bäume gefällt wurden, hat jedoch einen anderen verwaltungstechnischen Hintergrund: Da der Baumbestand 2012 als Wald eingestuft worden war, musste der Bauherr bei den Berliner Forsten eine Waldumwandlungsgenehmigung beantragen, was auch geschah und die erteilt wurde. Doch läuft diese Säge-Erlaubnis Ende 2019 aus – und die Berliner Forsten haben klar gemacht, dass es eine neue Erlaubnis, den Wald zu fällen, nicht mehr geben werde. „Somit war der Bauherr gezwungen sein Bauvorhaben aktuell entsprechend zu beginnen“, erklärte Richter-Kotowski auf Nachfrage des Tagesspiegels.

Wieviele Bäume tatsächlich gefällt worden seien und wie alt die Bäume gewesen waren, wisse die Bezirksverwaltung nicht – nicht sie, sondern die Forstverwaltung des Landes sei zuständig gewesen. Allerdings habe eine „grobe Inaugenscheinnahme“ des Umwelt- und Naturschutzamts nach den Fällmaßnahmen immerhin ergeben, dass der Bauherr zumindest nicht mehr Grün gekappt habe, als genehmigt worden war.

Den Vorwurf, das Amt hätte vor dem Beginn der Rodung die Öffentlichkeit noch einmal informieren müssen, weist die Planungsstadträtin zurück. „Bei Einzelvorhaben nach geltendem Recht werden Nachbarn dann einbezogen, wenn es sich um Bauvorhaben besonderer Bedeutung handelt, dies ist hier nicht der Fall“, so ihre Stellungnahme. Durch den restlichen Baumbestand und ausreichende Abstandsflächen seien die Interessen der Nachbarn geschützt. Außerdem: „Wann die Bauarbeiten beginnen und wie lange sie dauern werden, wissen wir nicht. Die Dauer von Bauarbeiten ist Sache der jeweiligen Bauenden.“

Fest steht: Der private Bauherr hat die eingeräumte Frist für die Baumfällungen kurz vor zwölf genutzt; ob er sich mit dem Bauen jetzt wieder Zeit lässt, wird sich zeigen. Eine frisch verlängerte Baugenehmigung hat er ja.  – Text: Boris Buchholz
+++
Dieser Text ist in meinem neuen Tagesspiegel-Newsletter für Steglitz-Zehlendorf erschienen. Den kompletten Newsletter für den Berliner Südwesten gibt es kostenlos und unkompliziert hier beim Tagesspiegel unter leute.tagesspiegel.de.
+++
Was Sie alles im Tagesspiegel-Newsletter für Berlins Südwesten lesen – hier eine Auswahl. +++ Bezirksbürgermeisterin zum Mietendeckel: „Dieses Gesetz wird die Probleme der Mieterinnen und Mieter in dieser Stadt nicht lösen“ +++ Trotzdem der Bulldozer schon da war: BVV will Runden Tisch für den Osteweg +++ „Kinderfreundlicher Straßenverkehr ist für alle gut!“, sagt Nachbarin Bärbel Jochum-Mann aus Lichterfelde +++ Klatschen Sie nicht in die Hände! Wildschweine an der Stammbahn und im Forst Düppel +++ Bettelnde Oktoberfüchse +++ Kahlschlag für Seniorenwohnungen: Baumfällungen an der Mühlenstraße +++ Bezirk versus Senat: Die Planungshoheit für Heckeshorn bleibt wohl beim Land +++ SeniorenForum 2019: Die Stadträte stehen Senioren Rede und Antwort +++ Wie wichtig ist Heimat – und ist sie rechts? Grüne diskutieren mit der Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags und der Geschäftsführerin des Museum Steglitz’ +++ „To Brexit or not to Brexit“: Ruhig blieben und Gin Tonic trinken +++ Theaterpremiere in Kleinmachnow: Es fliegen die Fetzen, denn es gibt „Tiramisu“ +++ Halloween: Party in der Bibliothek des Grauens +++ Auf die U-Bahn-Gleise: Sicherheitstraining der BVG +++ Exkursionen mit der VHS in die Berliner Kunstszene +++ Den kompletten Newsletter für den Berliner Südwesten gibt es kostenlos und unkompliziert hier beim Tagesspiegel unter leute.tagesspiegel.de.
+++
Zum Newsletter-Autor:  Boris Buchholz ist freiberuflicher Journalist und Designer. Zwar wurde er in Wilmersdorf geboren, doch wuchs er in Lankwitz auf, besuchte in Steglitz das Gymnasium und wohnt in Zehlendorf. Mehr über Boris Buchholz erfahren Sie auf seiner Website. Wenn Sie Anregungen, Kritik, Wünsche, Tipps haben, schreiben Sie ihm bitte eine E-Mail an boris.buchholz@tagesspiegel.de