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Klatschen Sie nicht in die Hände! Wildschweine an der Stammbahn und im Forst Düppel

Veröffentlicht am 24.10.2019 von Boris Buchholz

Wildschwein in Sicht? Klatschen Sie bloß nicht in die Hände! Nach dem spannenden Gespräch mit Derk Ehlert, dem Wildtierexperten des Senats, schwirrte mir der Kopf. Viele Informationen, viel Wissen, viel Engagement galt es zu verarbeiten – und das alles gilt nicht nur für Berlins Südwesten, sondern für alle Gegenden, in denen es Wälder gibt. Ob Zehlendorf, Köpenick, Spandau, Reinickendorf oder bei den lieben Nachbarn in Brandenburg.

Wildschwein-Alarm im Berliner Südwesten – der Anlass. Angerufen hatte ich ihn, weil ein Leser am Montag zwei Jäger samt Gewehren und Jagdhund auf dem Grünstreifen entlang der alten Stammbahnstrecke gesichtet hatte – ich wurde gefragt, was die denn dort täten. Ich fragte also weiter und erfuhr: Entlang der ehemaligen Bahnlinie hat sich eine Rotte Wildschweine angesiedelt, zwischen sieben und zwölf Tieren sei die Tiergruppe stark. „Die Wildschweine sind im Augenblick unheimlich aktiv“, erklärt Derk Ehlert. Denn zum einen gelte es, sich für den Winter „Feist“ (in der Jägersprache steht das für Speck) anzufressen. Und zum anderen sei jetzt endlich der Boden durch die Regenfälle wieder feucht und lockerer geworden. Die Tiere könnten besser riechen, Maden, Zwiebeln, Wurzeln, Insekten, Käferlarven und andere leckere Bissen würden leichter gefunden.

„Drei bis fünf Kilometer laufen Wildschweine in der Nacht“, sagt der Experte. Der Grünzug entlang der Gleise sei eine „ideale Verbindung“, auch die Verlängerung der Idsteiner Straße Richtung Machnower Busch werde gerne genutzt. Der Forst Düppel sowieso. Dort seien die Schweine auffällig aktiv.

Zurück zu den Jägern: „Es müssen Stadtjäger gewesen sein“, ist sich Derk Ehlert sicher. Etwa zwanzig dieser ehrenamtlichen Helfer gibt es in Berlin. Meist laufe ein Einsatz so ab: Passanten entdecken ein verwundetes oder krankes Wildschwein und rufen die Polizei, die wiederum einen Stadtjäger aus der näheren Umgebung alarmiert. Der beschaut sich Tier und Lage, unter Umständen werde das Tier dann auch erlegt – zum Beispiel bei einem Autounfall. In Siedlungsgebieten ist die Jagd prinzipiell verboten. Die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz kann jedoch Ausnahmen genehmigen. Geschossen wiederum dürfe nur, erläutert Ehlert, „wenn eine sichere Schussabgabe möglich ist“. Und er fügt hinzu: „Das ist sehr schwer.“

Generell gilt: Stadtjäger müssen sich bei der Polizei anmelden. Sollten Sie also demnächst Menschen mit Gewehren und Warnwesten in Ihrer Nachbarschaft erblicken, greifen Sie ruhig zum Telefon und erkundigen Sie sich beim zuständigen Polizeiabschnitt. Was die Jäger am Montag an der Stammbahn erlebt haben und ob gar ein Tier erlegt werden musste, konnte mir Derk Ehlert allerdings auch nicht sagen.

Aber dafür etwas anderes: Sollten Sie der Stammbahn-Rotte (oder irgendeiner anderen Graukittelgemeinschaft) begegnen, bewahren Sie Ruhe und Gelassenheit. Bleiben Sie einen Moment lang stehen und sprechen Sie laut mit Ihrer Begleitung (oder in Ermangelung von Zweisamkeit mit sich selber). Wichtig sei es, die Tiere nicht zu erschrecken, sondern ihnen die Chance zu geben, Sie zu bemerken. Drum: Klatschen Sie nie in die Hände. Nachdem sich beide Seiten beäugt haben, gehen Sie ruhig ihrer Wege, im Zweifelsfall machen Sie kehrt – aber ohne zu rennen. Am besten wäre es, wenn Ihr Hund angeleint wäre. Sollte das nicht der Fall sein und zwischen Hund und Schwein eine Keilerei ausbrechen, sollten Sie nicht versuchen, dazwischen zu gehen. Die Erfahrung des Wildtierexperten: Sie könnten den Kürzeren ziehen. Doch generell gehe von den „Wildschweinen erst einmal keine Gefahr aus“.

„Oktoberfüchse“ sind unterwegs. Auch das ist ein Herbst-Phänomen.

Das sind Jungtiere, die ihren ersten Winter alleine verbringen müssen. „Die werden gerade zu Hause aus der Wohnung geschmissen und müssen jetzt sehen, wie sie zurechtkommen“, berichtet er aus dem Leben der Familie Reineke. Zum ersten Mal müssten sie sich ihr Futter selber suchen, ihre Eltern würden sie regelrecht aus dem heimischen Revier vertreiben, „die werden auch weggebissen“. Alles normal. Die Oktoberfüchse versuchten, „selbständig zu sein – das ist nicht leicht, das kennen wir Menschen ja“. Auch der Umgang mit uns Menschen müsse neu geübt werden: Es kann sein, dass Sie ein junger Fuchs anwinselt oder Ihnen hinterherläuft. Bleiben Sie standhaft – ein Fuchs gehört in die (Stadt-)Natur und nicht ins Wohnzimmer. Und sein Futter findet er alleine.  – Text: Boris Buchholz


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Zum Newsletter-Autor:  Boris Buchholz ist freiberuflicher Journalist und Designer. Zwar wurde er in Wilmersdorf geboren, doch wuchs er in Lankwitz auf, besuchte in Steglitz das Gymnasium und wohnt in Zehlendorf. Mehr über Boris Buchholz erfahren Sie auf seiner Website. Wenn Sie Anregungen, Kritik, Wünsche, Tipps haben, schreiben Sie ihm bitte eine E-Mail an boris.buchholz@tagesspiegel.de