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Heftige Diskussionen: BUND reicht Klage gegen Entwidmung des Dahlemer Wegs 247 ein

Veröffentlicht am 28.11.2019 von Boris Buchholz

Der Held des Abends war der Berliner Landesverband des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Vor wenigen Tagen hat Landesgeschäftsführer Tilmann Heuser Klage gegen das Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf vor dem Verwaltungsgericht Berlin eingereicht: Der Umweltverband wehrt sich gegen die Entwidmung eines Teils des Waldes als Grünfläche am Dahlemer Weg 247. Bis die Klage entschieden ist, darf kein Baum gefällt werden und kein Bagger rollen.

Anfang April hatte das Bezirksamt beschlossen, der nördlichen Fläche des Grundstücks, etwa 8.740 Quadratmeter sind betroffen, den Status einer öffentlichen Grün- und Erholungsanalge zu entziehen. Der Hintergrund: Erst wenn die Grünfläche amtlich-offiziell keine Grünfläche mehr ist, kann das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) dort eine Flüchtlingsunterkunft für 300 Menschen bauen lassen. Der BUND hatte gegen diesen Beschluss Widerspruch eingelegt, das Amt lehnte ihn Ende August ab – der Weg für die Klage war frei.

Das Land Berlin habe sich „derartig über das Planungsrecht hinweggesetzt“, dass hier Grundsatzfragen für die ganze Stadt betroffen seien, begründete BUND-Mitarbeiter Norbert Prauser am Mittwochabend im Rathaus Zehlendorf bei einer Informationsveranstaltung des Bezirksamts zur geplanten Flüchtlingsunterkunft die Klage. Wie bindend ist der Flächennutzungsplan? Warum gab es bisher keine ausführlichen Gutachten über Natur und Tiere auf dem Grundstück, sondern nur eine Ad-hoc-Studie?

„Wir nehmen das ernst, das ist unser Job“, erklärte Daniel Tietze (Linke), Staatssekretär für Integration. Ein „faunistisches Gutachten“ werde erstellt, allerdings sei das erst wieder ab März möglich. Die Klage, vor dem Herbst 2020 wird keine Entscheidung erwartet, sorgt für Entspannung im Zeitablauf. „Wir haben Zeit gewonnen“, versprach der Staatssekretär, der Senat werde nichts übereilen, man werde den Ausgang des Verfahrens selbstverständlich abwarten, gebaut werde bis dahin nicht. Er sei sich sicher, sagte er auf Nachfrage des Tagesspiegels, dass der Senat die geplante Unterkunft auch ohne das Sonderbaurecht für Flüchtlingsheime bauen können; das Sonderbaurecht läuft Ende des Jahres aus.

Die Stimmung im vollen Bürgersaal war geladen. Unter den bestimmt 200 Interessierten kam immer wieder Unruhe auf, es wurde gebrüllt, gerufen, mehr Redezeit für die Bürger gefordert. Viele Fragen und Redebeiträge drehten sich um mögliche Ersatzstandorte für die Modulare Unterkunft für Flüchtlinge (MUF). Warum sei es in der Goerzallee im Gewerbegebiet nicht möglich zu wohnen, aber im bisherigen Wald schon? Warum werde die MUF nicht auf dem Platz des 4. Juli platziert? Wie könne es sein, dass an der Zehlendorfer Stewardstraße eine Grünanlage gebaut (wird sie nicht, sie ist schon lange da) und in Lichterfelde eine Grünfläche gerodet werde?

Neben den vielen Sorgen um die Natur waberten auch rechtsextreme und menschenfeindliche Ansichten durch den Saal. Als ein Anwohner sagte, ein Mensch sei doch wohl mehr wert als ein Wildschwein, ging ein skeptisches Raunen durch den Saal. Ein Unterstützer des rechtsextremen Abgeordnete Andreas Wild (AfD) pöbelte eine Bürgerin an, als Wild nicht zu Wort kam. Ein Mitarbeiter der bezirklichen Fraktion der Linken stellte sich dazwischen, wurde in die Seite gekniffen und geschubst. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Tonka Wojahn, sie stand in der gleichen Ecke des Saals wie Andreas Wild, begann ihren Redebeitrag mit den Worten: „Ich werde hier von zwei Herren bedroht.“

Trotzdem: Der Informationsabend war ein Erfolg. Erstmalig hat das Land Berlin die Anwohner über den aktuellen Stand der Planungen relativ ausführlich informiert und stand den Bürgern Rede und Antwort. Dass es die Bezirksbürgermeisterin war, die zur Veranstaltung geladen hatte und nicht die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales, bedauerte Cerstin Richter-Kotowski (CDU). Schließlich plane nicht der Bezirk die Flüchtlingsunterkunft, sondern der Senat. Doch war es an diesem Abend gelungen, das Bezirksamt und die beteiligten Senatsverwaltungen – von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen saß Hermann-Josef Pohlmann („das ist meine 13. MUF-Veranstaltung“) – auf das Podium zu holen.

Sowohl Bezirksbürgermeisterin Richter-Kotowski als auch Staatssekretär Tietze boten an, mit den Bürgerinnen und Bürgern über neue Alternativstandorte zum Dahlemer Weg 247 zu diskutieren – allerdings müssten die Vorschläge von den Bürgern kommen, geeignete landes- oder bezirkseigene Grundstücke gebe es nicht mehr, sagte Cerstin Richter-Kotowski. Sie nahm den Wunsch der Bürgerinitiative „Lebenswertes Lichterfelde“ auf, sich zu einem Runden Tisch zu treffen. „Anfang des Jahres“, versprach sie. Die Klage des BUND schafft Zeit zum Reden. – Text: Boris Buchholz

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