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Pro und Pro: Bürgerinitiativen stellen ihre Positionen zur Stammbahn (und ihrer Alternative) vor
Veröffentlicht am 05.12.2019 von Boris Buchholz
Pro und Pro: Berliner Bürgerinitiativen stellen ihre Positionen zur Stammbahn (und ihrer Alternative) vor. Was ist besser: Soll man die alte Stammbahntrasse entlang des Düppeler Forsts reaktivieren – und damit einen über fünfzig Jahre alten Naturraum wieder für den Nahverkehr nutzen? Oder sollte man besser die bestehende Trasse samt bisher kaum genutztem Gleis entlang der S1 für eine Regionalbahn herrichten? Machen Sie sich selber ein Bild: Ich habe sowohl die Bürgerinitiative Stammbahn (pro alte Trasse) als auch das Aktionsbündnis „Ressourcen nutzen, Natur schützen“ (pro Regionalverkehr auf der Wannseebahn) um eine Stellungnahme gebeten. Ich dokumentiere beide Positionen hier im Wortlaut und ungeschminkt (bei der BI Stammbahn musste ich leicht kürzen).
POSITION 1
Stammbahn reaktivieren. Die Stellungnahme der Bürgerinitiative Stammbahn übermittelte mir Rudolf Petrasch: „Die seit 1961 brach liegende Bahntrasse von Berlin nach Potsdam ist einmalig in Deutschland. Wie eine Perlenkette führt die Strecke durch die fünf ‚Großstädte‘ Berlin Mitte, Schöneberg, Steglitz, Zehlendorf und Potsdam. In jedem anderen Bundesland gäbe es zwischen diesen Städten eine Regionalbahn, an deren Sinn niemand zweifeln würde. In Berlin und Brandenburg hingegen scheitert diese attraktive Verbindung bislang an der geringen Entscheidungsfreude der Länder. […]
Mittlerweile haben sich die meisten Verkehrs- und Umweltverbände und das Gros der Parteien zur Stammbahn bekannt. Auch Berlin, Brandenburg und die Deutsche Bahn AG haben sich im Oktober 2017 mit dem Entwicklungskonzept Infrastruktur (i2030) positioniert. Das jüngst gegründete ‚Bündnis Schiene Berlin Brandenburg‘ sieht die Realisierung der Stammbahn bis 2035 vor.
[Es geht] um ein besseres Zugangebot für die PendlerInnen aus dem westlichen Bandenburg, die derzeit alltäglich in überfüllten Zügen nach Berlin Mitte und zurück fahren müssen. Das als Alternative genannte Industriegleis entlang der Wannseebahn über Nikolassee, Schlachtensee und Mexikoplatz ist keine Lösung, weil die eingleisige Strecke nur im 30-Minuten-Takt befahren werden kann. Wie der Lärmschutz an der dichtbesiedelten Trasse in Dammlage und am angedachten Regionalbahnhof am Mexikoplatz aussehen soll, ist unter anderem aus Denkmalschutzgründen fraglich.
Auf mittlere Sicht kann deshalb die wachsende Nachfrage nach Zügen zwischen Berlin Hbf – Zehlendorf – Potsdam nur mit der reaktivierten Stammbahn befriedigt werden. Das wäre nicht nur eine echte Entlastung des Parkraums rund um die Zehlendorfer S-Bahnhöfe, sondern auch ein echter Beitrag zum Klimaschutz.“
Hier ein Foto vom verwilderten S-Bahnhof Zehlendorf Süd, aufgenommen 2018.
Und hier ein Foto vom S-Bahnhof Düppel.
POSITION 2
Wannseebahn nutzen. Die Ideen des Aktionsbündnisses „Ressourcen nutzen – Natur schützen“ stellen Steffen Lembke und Ursula Theiler vor: „Anstelle des zeit- und kostenintensiven Neubaus der Stammbahn durch Landschaftsschutz- und dicht besiedelte Wohngebiete, dem viele Hektar wertvollen Waldes zum Opfer fallen würden, könnte eine verbesserte ÖPNV-Verbindung ins Berliner Umland viel schneller erreicht werden. Ein ungenutztes Gleis neben der S1 (Wannseebahn) steht schon jetzt für den Regionalverkehr zwischen Potsdam und Berlin zur Verfügung. Nach Auskunft der Bahn könnten hier kurzfristig Züge aus dem Berliner Umland über Wannsee und Zehlendorf bis nach Steglitz fahren. Auch könnte die S1 mit einem kurzen Trassenstück (ehemalige „Friedhofsbahn“) bis Kleinmachnow / Dreilinden verlängert werden, das so direkte Anbindung an Wannsee erhielte. Zusätzlich sollten die Busverbindungen zu den zahlreichen Bahnhöfen der Region verbessert werden (engere Takte in den Stoßzeiten).
Dass die Gleisstrecke neben der S1 auf einem Abschnitt nur eingleisig ist, steht einer bedarfsgerechten Taktung des Regionalverkehrs nicht im Wege. Auch die fehlende Elektrifizierung stellt dank der künftigen Ausrüstung von Regionalzügen mit Akkus kein Problem dar. Es bedürfte lediglich einer Ertüchtigung der Strecke sowie eines neuen Bahnsteigs in Steglitz – ein vergleichsweise geringer Aufwand gegenüber dem Neubau der Stammbahn, welcher alleine zwischen Zehlendorf und Griebnitzsee unter anderem zwölf neue Brückenbauwerke über Gleise, Autobahn, Teltowkanal und etliche Straßen, zum Teil in eng bebautem Gebiet, erfordern würde.
Hier ein Bild vom Aktionsbündnis zur Stammbahn-Alternative (Quelle: Aktionsbündnis „Ressourcen nutzen, Natur schützen“). Die gelbe Linie zeigt den Verlauf der eingleisigen Strecke neben den S-Bahngleisen.
Fazit: Anstatt noch 15 bis 20 Jahre auf die Stammbahn zu warten, sollte der Verkehrsbedarf durch effiziente Nutzung der S1-Trasse schnell gedeckt, der Wald erhalten und ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz und zur drängenden Verkehrswende jetzt geleistet werden!“
Was denken Sie? Welche Position finden Sie überzeugender? Ihre Leserbriefe an mich: boris.buchholz@tagesspiegel.de – Text: Boris Buchholz
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