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Verdrängung auf dem Wohnungsmarkt: Milieuschutzgebiete rund um die Schloßstraße könnten Mieter besser schützen

Veröffentlicht am 13.02.2020 von Boris Buchholz

Verdrängung am Berliner Boulevard: Milieuschutzgebiete rund um die Schloßstraße? Lange haderte das schwarz-grün geführte Steglitz-Zehlendorf, sich mit der Einführung von Milieuschutzgebieten zu beschäftigen, vor allem die CDU bremste. Die Folge: Bis heute gibt es im Südwesten kein einziges geschütztes Wohngebiet. Das könnte sich jetzt ändern. Mit Geld des Senats wurde 2019 eine externe Untersuchung in Auftrag gegeben, in der der gesamte Bezirk unter die Lupe genommen wurde: Wo werden die bisherigen Bewohner durch zu teuer werdenden Wohnraum verdrängt, wo könnte dieses Szenario drohen – und was könnte dagegen getan werden? Am Dienstag stellte Gutachter Sigmar Gude vom Büro asum (ausgeschrieben heißt es „Angewandte Sozialforschung und urbanes Management“) die Ergebnisse der Untersuchung im Stadtplanungsausschuss vor: Er empfiehlt, die Mieter von gleich vier sogenannten Planungsräumen besser zu schützen und Aufstellungsbeschlüsse für Milieuschutzgebiete herbeizuführen. Alle vier betroffenen Nachbarschaften liegen rund um die Schloßstraße.

Damit kommt das Gutachten zu unerwarteten Empfehlungen. In der politischen Mieten-Diskussion ging es bisher zumeist um Schutz für Quartiere, in denen sozial schwächere Mieter leben – wie in Zehlendorf-Süd, in der Thermometersiedlung in Lichterfelde oder in der Belß-Wichura-Siedlung in Lankwitz. Doch dort konnten die Forscher keine auffälligen Verdrängungsprozesse erkennen. „Verdrängt werden in Gebieten mit guten Wohnungen Familien mit mittleren Einkommen“, erklärte der Experte. Die Hauseigentümer reagierten auf die Nachfrage nach guten und hochwertigen Wohnungen in begehrten Wohnlagen – und werten den dortigen Wohnungsbestand durch Modernisierungen auf oder wandelten Miet- in Eigentumswohnungen um. Wie rund um die Schloßstraße.

Das Wohnquartier um die Schloßstraße steht im bezirklichen Verdrängungsranking auf Platz 1 – und zwar mit Abstand. Im Bereich zwischen Steglitzer Kreisel, Bierpinsel und Paulsenstraße attestieren die Experten überdurchschnittlich steigende Mieten, steigende Kaufpreise und eine überdurchschnittliche Zunahme an Umwandlungen von Miet- zu Eigentumswohnungen. Sowohl die Lage als auch der hohe Altbauanteil sowie der Fakt, dass dort bisher nur 12,9 Prozent der Bewohner Eigentümer ihrer Wohnung sind, drohen, die Struktur der Nachbarschaft umzukrempeln: Das bisher sozial durchmischte Wohngebiet könnte ein Wohnort vor allem für einkommensstarke Steglitz-Zehlendorfer werden.

Ähnlich sehe die Situation in den Planungsräumen Markelstraße, Feuerbachstraße und Mittelstraße aus – auf der Übersichtskarte der Gutachter ist die Schloßstraße von roten Flecken umgeben.

Reicht der Mietendeckel als Schutz für die Mieterinnen und Mieter aus? Auch darauf geht das Gutachten ein: Zwar würden durch das neue Gesetz die umlegbaren Kosten für Modernisierungen und energetische Sanierungen gedeckelt, so Sigmar Gude, doch würde der Mietendeckel an zwei Stellen nicht greifen: Zum einen sei bisher nicht geregelt, ob die Modernisierungs-Auflagen auch für leerstehende Wohnungen gelten würden. Zum anderen greife der Mietendeckel in die Umwandlungen von Miet- zu Eigentumswohnungen nicht ein. Beides könnte aber durch die Einrichtung eines Milieuschutzgebiets, im Jargon des Baugesetzbuches geht es um soziale Erhaltungssatzungen, kontrolliert und eingeschränkt werden.

Wie es weitergehen könnte: Erst potenzielle Erhaltungsgebiete beschließen, dann vertiefende Untersuchungen durchführen. Sigmar Gude hatte konkrete Vorschläge im Gepäck, wie das Bezirksamt und die Bezirksverordnetenversammlung jetzt weiter vorgehen sollten. Das Bezirksamt sollte „auf jeden Fall in den vier roten Gebieten“ aktiv werden; „hier ist immer noch eine große Möglichkeit, noch etwas zu bewirken“. Er empfiehlt der Bezirksregierung, möglichst schnell Aufstellungsbeschlüsse für Erhaltungsgebiete herbeizuführen und dann vertiefende Untersuchungen zu beauftragen. „Aber einen Aufstellungsbeschluss muss ich doch begründen“, warf Torsten Hippe (CDU), der Vorsitzende des Stadtplanungsausschusses, ein. „Was Sie hier jetzt haben“, erwiderte Gude und zeigte auf den 137 Seiten starken Untersuchungsbericht, „würde als Begründung vollkommen ausreichen“.

Der Schutz für die Mieter wäre nach dem Aufstellungsbeschluss sofort da. Denn, so erklärte Gutachter Gude im Foyer des Sitzungssaals im Gespräch mit dem Tagesspiegel, Modernisierungen und auch fast jede Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen müssten die Immobilienbesitzer beim Bezirksamt beantragen. Sei ein Aufstellungsbeschluss gefasst, könnten die Anträge mit Verweis auf das laufende Aufstellungsverfahren erst einmal zurückgestellt werden. Und wenn dann nach genaueren Untersuchungen klar sei, ja, für diesen und jenen Bereich werde ein Milieuschutzgebiet installiert, könnten die Anträge zurückgewiesen oder angepasst werden. Sollte sich im Aufstellungsverfahren ergeben, dass ein Erhaltungsgebiet doch nicht eingeführt wird, würden die Anträge der Haus- und Wohnungsbesitzer ganz normal beschieden. Es gebe nur einen Haken: Wenn ein Aufstellungsbeschluss für ein Erhaltungsgebiet getroffen worden sei und der erste Bau- oder Umwandlungsantrag eines Hausbesitzers beim Amt eingehe, hätte die Verwaltung ab Antragseingang nur ein Jahr Zeit, das Erhaltungsgebiet auch tatsächlich einzuführen. Dann ticke die Uhr – und Amt und Bezirkspolitik müssten zügig liefern.

Die Gutachter gaben dem Bezirk noch eine andere Hausaufgabe auf den Weg: Neben den vier tiefroten von Verdrängung bedrohten Wohngebieten um die Schloßstraße, definierten die Experten orangene „aktive“ und gelbe „passive“ Beobachtungsgebiete. Zu den orangenen, aktiven Quartieren gehören Südende und die Planungsräume rund um Berg- und Bismarckstraße sowie den Augustaplatz. Als gelb wurden das Komponistenviertel Lankwitz, das Schweizer Viertel, der Hüttenweg und Zehlendorf-Mitte definiert. All diese Wohngebiete müsste das Bezirksamt fortlaufend beobachten; die Bezirkspolitik müsste dafür einen Modus finden.

Die Fraktionen von SPD und Linke wurden schon aktiv. In zwei Anträgen fordern beide Fraktionen das Bezirksamt auf, für die roten Gebiete „vertiefende Untersuchungen (Feinscreenings) in Auftrag“ sowie für die orangenen Regionen „einen jährlichen, unabhängigen Monitoringbericht extern in Auftrag zu geben“. In einem dritten Antrag wird auch ein jährlicher Bericht über die passiven, gelben Beobachtungsgebiete eingefordert – im Unterschied zu den bedrohteren orangenen Nachbarschaften dürfte hier das Bezirksamt aber selber den Bericht schreiben. – Text: Boris Buchholz

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