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Grüne aktiv gegen Nazis: "Wir brauchen einen Öffentlichen Dienst, der Demokratie und Rechtsstaat schützt"

Veröffentlicht am 05.03.2020 von Boris Buchholz

Grüne aktiv gegen Nazis: „Wir brauchen einen Öffentlichen Dienst, der Demokratie und Rechtsstaat schützt“. Letzte Woche stellten Antje Kapek, die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus, und ihr Fraktionskollege und Innenpolitiker Benedikt Lux den Forderungskatalog „Nazis in Berlin bekämpfen“ vor – meine Kollegin Sabine Beikler berichtete. Ich wollte mehr wissen und fragte beim Steglitz-Zehlendorfer Abgeordneten Benedikt Lux nach.

  • Herr Lux, bitte definieren Sie, was ist für Sie ein Nazi? Wer gehört dazu? „Das sind für mich Menschen, die weit überwiegend rechtsextreme, menschenverachtende und demokratiefeindliche Positionen teilen. Die verlieren momentan ihre Hemmungen, ob im digitalen Raum oder eben bei den Terrorserien in der jüngsten Zeit. Die Täter von Hanau und Halle und der Mörder von Walter Lübcke konnten sich durch viele rassistische und rechtsextreme Äußerungen und durch Schweigen und Gleichgültigkeit in der politischen Mitte ermutigt fühlen.“
  • Was sind die wichtigsten Forderungen, die Antje Kapek und Sie mit Ihrer Initiative umgesetzt wissen wollen? „Allgemein muss die Bekämpfung von rechtsextremistischem Terror oberste Priorität haben. Dazu wollen wir das Landeskriminalamt stärken – Terror von rechts muss genauso intensiv bekämpft werden wie der islamistische Terrorismus auch. Wir müssen die untergetauchten und mit Haftbefehl gesuchten Nazis endlich finden. Und: Die Polizei muss stärker informieren, vor allem die Personen, die auf den Todeslisten stehen, und sie über mögliche Gefahren aufklären. Jüdische und muslimische Einrichtungen sollen stärker geschützt werden.“
  • Sie fordern, dass gegen Rechtsextremisten in den Berliner Verwaltungen auch disziplinarrechtlich vorgegangen werden müsste – schon bei einem bloßen Verdacht sollen die Vorgesetzten aktiv werden. Sollen sich die Mitarbeiter in Steglitz-Zehlendorf zukünftig gegenseitig bespitzeln? „Nein, aber es darf keinen Raum für Wegsehen und Nachsicht geben. Es gab einen Fall, bei dem ein Polizist in einer Chatgruppe eine „88“ – das Symbol für „Heil Hitler“ – gepostet hat. Niemand aus der Gruppe hat das gemeldet, auch nicht der Vorgesetzte, der in der Gruppe vertreten war; es wurde einfach hingenommen. Ich denke, wir brauchen gerade jetzt einen starken Öffentlichen Dienst, der Demokratie und Rechtsstaat schützt.“
  • Ihre Forderung, dass Rechtsextremisten keine Waffen besitzen dürften, scheint angesichts der vielen rechten Terroraktionen bin hin zu Halle und Hanau in der Gesellschaft mehrheitsfähig zu sein. Warum ist die Umsetzung so ein Problem? „Naja, gesellschaftlich mehrheitsfähig ist vieles. Aber Schützenvereine und bestimmte Jägergruppen haben doch spürbaren Einfluss auf die ehemaligen Volksparteien und verhindern notwendige Verschärfungen. Außerdem sind die Waffenbehörden nicht gut aufgestellt: Zum Beispiel haben wir in Berlin die Waffenbehörde personell gestärkt, damit sie mehr kontrollieren kann. Es ist ein Treppenwitz, dass dieses zusätzliche Personal nun den Kleinen Waffenschein bearbeitet. Außerdem müssen die Behörden noch viel häufiger das Nationale Waffenregister nutzen. Sie sollten extremistische, aber auch psychische Auffälligkeiten dem Register melden, damit die Waffen entzogen werden können.“
  • Die Rechtsprechung in Sachen Hetze im Web ist eine ähnliche Baustelle: Das Urteil zur rechten Hetze gegen Staatssekretärin Sawsan Chebli (SPD) war letzte Woche ernüchternd. Geht die Justiz zu lax gegen Rechtsextreme vor? „Ja, die Justiz könnte besser gegen Rechtsextreme vorgehen. Auch kleinste Verstöße von Rechtsextremen sollten geahndet werden – wie bei der Organisierten Kriminalität, dort ist das der Anspruch. Es gehört aber zum Rechtsstaat dazu, dass ich als Abgeordneter Urteile von unabhängigen Gerichten nicht in Frage stelle.“
  • Sie wohnen in Steglitz: Was kann die Bezirkspolitik tun, um Rechtsextreme besser zu bekämpfen? „Gerade jetzt ist die Gedenk- und Erinnerungskultur eine wichtige Aufgabe des Bezirks. Die letzten authentischen Zeitzeugen der NS-Zeit gehen von uns. Wir sind den jungen Leuten verpflichtet, das Gedenken und das Versprechen „Nie wieder!“ weiterzugeben. Ich bin zum Beispiel sehr froh, dass im Neubaugebiet Lichterfelde-Süd die Reste des ehemaligen Kriegsgefangenenlagers der Nationalsozialisten erhalten bleiben und als Erinnerungsort ausgebaut werden.“
  • Und was würden Sie sich von jedem einzelnen Bürger und jeder Bürgerin im Südwesten wünschen? „Auch das gehört sich für einen Politiker eigentlich nicht, Wünsche an die Bürgerinnen und Bürger zu äußern. Aber wenn Sie mich schon fragen: Ich würde mir wünschen, dass wir mehr Stolpersteine durch private Spenden verlegen. Ich würde mir wünschen, mehr Menschen aus dem Südwesten auf Demos gegen Rechtsextremismus zu sehen – und dass sie sich im Netz gegen Hass und Hetze einsetzen. Ich würde mir wünschen, dass auch unser Bezirk seiner humanitären Verpflichtung zur Unterbringung von geflüchteten Menschen nachkommt.“ – Interview: Boris Buchholz

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