Namen & Neues

Offen homophob: Man sollte die Städtepartnerschaft zum polnischen Poniatowa "auf Eis legen"

Veröffentlicht am 20.05.2020 von Boris Buchholz

Dass Poniatowa, eine der polnischen Partnerstädte Steglitz-Zehlendorfs, sich im August 2019 zur „LGBT-freien Zone“ gemacht hat, erfuhr die Bezirkspolitik aus der Zeitung – genauer aus dem Queerspiegel, dem monatlichen Tagesspiegel-Newsletter für alle Menschen unter dem Regenbogen (heute neu erschienen, hier kostenfrei zu bekommen). Darüber, wie der Bezirk mit der offen homophoben Partnergemeinde umgeht, sprach ich mit meinem Kollegen Tilmann Warnecke, er ist Wissenschafts-Redakteur und Queerspiegel-Autor.

Tilmann, Mitte März hast Du die Hass-Politik in Poniatowa im Queerspiegel aufgedeckt. Was müssen Lesben, Schwule, Bi- und Transsexuelle in solchen „Zonen“ erleben und erdulden? Kann man von Verfolgung sprechen? In diesen Gemeinden und Kreisen sind queere Menschen offiziell unerwünscht. Von Verfolgung kann man sicher dahingehend sprechen, dass Vertreterinnen und Vertreter von LGBT-Gruppen von täglichen Attacken und Übergriffen in diesen Regionen berichten. Schon eine Regenbogenfahne zu zeigen, ist extrem gefährlich. Wird man überfallen, kann man damit auch nicht zu den Behörden gehen, weil die Polizei und die Staatsanwaltschaft in solchen Angriffen kein Problem sehen. Diese sanktionieren Übergriffe damit quasi-staatlich.

Das Bezirksamt hat reagiert und jüngst einen Brief an den Stadtrat von Poniatowa geschrieben, in dem laut Pressemitteilung „das Bezirksamt die Haltung Poniatowas zutiefst bedauert“. Reicht das? Erstmal ist es besser als nichts. Aber das Bezirksamt hat sich ja mit diesem bösen Brief schon reichlich Zeit gelassen und Papier ist geduldig. Einfach sein Bedauern auszudrücken, reicht daher nicht aus. Man sollte schon so konsequent sein und damit drohen, die Partnerschaft zu beenden. Andere Städte haben das übrigens schon gemacht: Die französische Kleinstadt Saint-Jean-de-Braye hat deswegen ihre Partnerschaft mit der polnischen Stadt Tuchow aufgekündigt.

SPD, CDU und Grüne in der BVV meinen, dass man die Städtepartnerschaft nicht aufkündigen sollte, weil man dann die verfolgten Menschen im Stich lassen würde. Man könnte auch anders argumentieren: Wenn man jetzt wegen der menschenfeindlichen Politik Poniatowa die Rote Karte zeigen würde, könnte vielleicht geholfen werden, ähnlichen Entwicklungen in den anderen beiden polnischen Partnerstädten des Bezirks – Kazimierz Dolny und Naleczów – entgegenzuwirken … Was stimmt: Queere Aktivisten aus Polen sagen immer wieder, wie wichtig es ist, dass auch aus Deutschland protestiert wird. Warum man aber diese Menschen im Stich lässt, wenn man die Partnerschaft aufkündigt, erschließt sich mir nicht. Man zeigt ja ganz im Gegenteil, dass es de facto gar keine Konsequenzen hat, wenn sich eine Partnerstadt zur LGBT-freien Zone erklärt. Ein Ende der Partnerschaft ist ein viel deutlicheres Signal.

So eng scheint der Kontakt zu mancher Partnergemeinde nicht zu sein, immerhin hat Steglitz-Zehlendorf erst durch Deinen Bericht bemerkt, dass das Stadtparlament in Poniatowa im August 2019 eine staatlich sanktionierte Hass-Politik gegen die queere Community beschlossen hat. Überschätzen die Politikerinnen und Politiker im Bezirk ihren Einfluss? Gute Frage! Ich hoffe, sie wissen wenigstens, welche Partnerstädte der Bezirk überhaupt hat… Für mich sieht das schon alles eher nach Schaufensterpolitik aus – ich lasse mich da aber gerne eines Besseren belehren. Interessant fände ich, ob Poniatowa antwortet beziehungsweise ob man eine Antwort einfordert und auch danach nicht locker lässt.

Also, was ist zu tun? Ich würde die Städtepartnerschaft erst einmal auf Eis legen. Denn mal ernsthaft: Will man als Berliner Bezirk mit einem Ort freundschaftlich verbunden sein, der keine queeren Menschen duldet? Das geht nun wirklich nicht, wenn man den Anspruch als „Regenbogenhauptstadt“ auch nur ansatzweise ernst nimmt.  – Text: Boris Buchholz
+++
Dieser Text erschien zuerst im Tagesspiegel-Newsletter für Steglitz-Zehlendorf. Dort informieren wir Sie einmal pro Woche mit aktuellen Kiez-Debatten, exklusiven Nachrichten, nennen Tipps und Termine – unsere Tagesspiegel-Newsletter für die 12 Bezirke gibt es kostenlos und in voller Länge unter leute.tagesspiegel.de