Das Bezirksamt hat reagiert und jüngst einen Brief an den Stadtrat von Poniatowa geschrieben, in dem laut Pressemitteilung „das Bezirksamt die Haltung Poniatowas zutiefst bedauert“. Reicht das? Erstmal ist es besser als nichts. Aber das Bezirksamt hat sich ja mit diesem bösen Brief schon reichlich Zeit gelassen und Papier ist geduldig. Einfach sein Bedauern auszudrücken, reicht daher nicht aus. Man sollte schon so konsequent sein und damit drohen, die Partnerschaft zu beenden. Andere Städte haben das übrigens schon gemacht: Die französische Kleinstadt Saint-Jean-de-Braye hat deswegen ihre Partnerschaft mit der polnischen Stadt Tuchow aufgekündigt.
SPD, CDU und Grüne in der BVV meinen, dass man die Städtepartnerschaft nicht aufkündigen sollte, weil man dann die verfolgten Menschen im Stich lassen würde. Man könnte auch anders argumentieren: Wenn man jetzt wegen der menschenfeindlichen Politik Poniatowa die Rote Karte zeigen würde, könnte vielleicht geholfen werden, ähnlichen Entwicklungen in den anderen beiden polnischen Partnerstädten des Bezirks – Kazimierz Dolny und Naleczów – entgegenzuwirken … Was stimmt: Queere Aktivisten aus Polen sagen immer wieder, wie wichtig es ist, dass auch aus Deutschland protestiert wird. Warum man aber diese Menschen im Stich lässt, wenn man die Partnerschaft aufkündigt, erschließt sich mir nicht. Man zeigt ja ganz im Gegenteil, dass es de facto gar keine Konsequenzen hat, wenn sich eine Partnerstadt zur LGBT-freien Zone erklärt. Ein Ende der Partnerschaft ist ein viel deutlicheres Signal.
So eng scheint der Kontakt zu mancher Partnergemeinde nicht zu sein, immerhin hat Steglitz-Zehlendorf erst durch Deinen Bericht bemerkt, dass das Stadtparlament in Poniatowa im August 2019 eine staatlich sanktionierte Hass-Politik gegen die queere Community beschlossen hat. Überschätzen die Politikerinnen und Politiker im Bezirk ihren Einfluss? Gute Frage! Ich hoffe, sie wissen wenigstens, welche Partnerstädte der Bezirk überhaupt hat… Für mich sieht das schon alles eher nach Schaufensterpolitik aus – ich lasse mich da aber gerne eines Besseren belehren. Interessant fände ich, ob Poniatowa antwortet beziehungsweise ob man eine Antwort einfordert und auch danach nicht locker lässt.
Also, was ist zu tun? Ich würde die Städtepartnerschaft erst einmal auf Eis legen. Denn mal ernsthaft: Will man als Berliner Bezirk mit einem Ort freundschaftlich verbunden sein, der keine queeren Menschen duldet? Das geht nun wirklich nicht, wenn man den Anspruch als „Regenbogenhauptstadt“ auch nur ansatzweise ernst nimmt. – Text: Boris Buchholz
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