Namen & Neues

Turmfalken-Nachwuchs unter der Turmspitze der Pauluskirche

Veröffentlicht am 20.05.2020 von Boris Buchholz

Im Turm der Zehlendorfer Pauluskirche wohnt bald wieder eine Falken-Familie. Ludwig Schlottke hat fünf (oder sind es sechs?) Eier im Brutkasten gezählt: Durch eine Glasscheibe kann der ehrenamtliche Falken-Betreuer das Elternpaar beim Brüten beobachten. „Es ist ein sehr beliebter Brutplatz“, erzählt der ehemalige Gartenbauingenieur, aus dem Brutkasten. Seitdem er ihn am 1. Advent 1984 im Kirchturm installiert hat, sei er in den vergangenen 35 Jahren nur in zwei oder drei Jahren nicht von einem Vogelpaar genutzt worden. Bis letztes Jahr hatte das Mitglied des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) noch 35 Brutkästen in Berlin unter seiner Obhut. Aus gesundheitlichen Gründen musste der 79-Jährige sein ornithologisches Engagement reduzieren: „79, da muss man sehen, dass man gut auf die Türme kommt“, erklärt er. Jetzt sind es noch 15 Nistangebote – sie liegen vor allem in Zehlendorf, Steglitz und Lichterfelde; von der Herz-Jesu-Kirche über das Droste-Hülshoff-Gymnasium bis zum ehemaligen Institut für Risikobewertung reichen die Standorte –, um die er sich kümmert.

Als er routinemäßig am 11. April in die Turmspitze der Pauluskirche gestiegen war, hatte er die ersten beiden braun gesprenkelten Eier entdeckt. Auch die späteren Erziehungsberechtigten schaute er sich genau an. Zwar war der werdende Turmfalkenvater unberingt, doch seine Partnerin hatte ein Schmuckstück aus Aluminium am Bein. Laut Ringnummer war sie am 11. Juni 2018 in der Wilmersdorfer Lindenkirche mit dem Ring versehen worden, im zarten Alter von 23 Tagen. Gut vier Wochen später hatte Ludwig Schlottke bei einem weiteren Besuch beim Falken-Paargroßes Glück: Das Weibchen verdrängte den Terzel (das ist das Männchen) vom Gelege – und Falken-Freund Schlottke konnte beim Jetzt-brüte-ich-Wechsel mindestens fünf Eier im Nest erspähen. Der Falken-Experte schätzt, dass ein Terzel nur zehn Prozent der Brutzeit auf den Eiern sitzt – die Rest-Nestwärme ist Sache des Weibchens.

200 bis 250 Turmfalkenpaare gebe es zur Zeit in der Stadt, schätzt der Falken-Betreuer. Bald werden es fünf mehr sein. Wenn die Falken-Eltern ungestört brüten können, sollte der Nachwuchs um den 20. Mai herum schlüpfen (bis zum Redaktionsschluss war es noch nicht soweit). Man rechne „circa 30 Tage Brutzeit ab dem vierten Ei“, erklärt der Experte. „Wenn alles gut geht, können die Jungen um den 10. Juni von mir im Alter von 15 bis 25 Tagen beringt werden“, hofft er – dieses Zeitfenster muss er nutzen. Denn erstens würden die juvenilen Falken mit zunehmendem Alter „schon ziemlich wehrhaft und rebellisch“. Und zweitens fliegen sie zwischen dem 30. und 32. Lebenstag bereits aus.

Werter Falken-Nachwuchs, herzlich Willkommen in Steglitz-Zehlendorf! Sollten Sie einen Falken sehen wollen, müssen Sie rund um die Pauluskirche in der Kirchstraße in den nächsten Wochen auf Turm und Himmel schauen – wenn sie erst einmal fliegen und sich versorgen können, sind die Vögel weg: Eine Bindung an ihren Erbrütungsplatz haben die Vögel nicht.  – Text: Boris Buchholz
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