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Sturm über dem Wannsee: Die Bundesbank will ihr Gästehaus zum Kongresszentrum machen – die Anwohner fürchten ein "Strandbad deluxe für Bundesbeamte"

Veröffentlicht am 11.06.2020 von Boris Buchholz

Sturm über dem Wannsee: Die Bundesbank will ihr Gästehaus zum Kongresszentrum machen – die Anwohner fürchten ein „Strandbad deluxe für Bundesbeamte“. In der Immobilienverwaltung der Deutschen Bundesbank scheint jemand aufgewacht zu sein: Die bundeseigene Zentralbank besitzt ein Juwel am Ufer des Wannsees und nutzte es bisher kaum. Auf dem Gründstück Am Sandwerder 29-31 befindet sich das Berliner Gästehaus der Bank; jetzt soll aus dem verschlafenen Gästehaus ein veritables Schulungs- und Konferenzzentrum mit Ganzjahresbetrieb werden. Die bestehende Gründerzeitvilla soll saniert und zum modernen Hotelbetrieb mit 15 Zimmern und 26 Betten hergerichtet werden. Ein neues zweistöckiges Seminargebäude, es wird in den Hang hineingebaut, mit einem Mehrzweck-Speisesaal, zwei großen Veranstaltungsräumen, Foyer für Empfänge, Küche und Sanitärbereichen ist geplant. Und auch das bestehende kleine Bootshaus am Ufer soll größer werden und einen 80-Quadratmeter-Saal für Veranstaltungen beherbergen. Vorgesehen ist auch, dass das Gelände samt Badestrand für Bankmitarbeiter und ihre Familien als Tagesgäste attraktiver werden soll – die Nachbarn fürchten ein „Strandbad Wannsee deluxe für Bundesbeamte“. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen hat der Bundesbank im Februar die Baugenehmigung erteilt – zwölf Anwohner haben gegen die Baugenehmigung vor dem Berliner Verwaltungsgericht Klage eingereicht.

 

Ein Kongresszentrum passe nicht in ein Wohngebiet. Anlass der Klage sei „die Sorge, dass das Objekt rechtsmißbräuchlich genutzt wird“, erklärt Nachbar Matthias Ort im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Die Villenkolonie Am Sandwerder, sie ist zum Großteil zwischen den Jahren 1894 und 1914 entstanden, sei als allgemeines Wohngebiet deklariert. Es gelten Grundbucheinträge, die den Betrieb von Restaurants und Hotels verböten, es gebe den geltenden Bebauungsplan. Gegen die Bebauung hätten die Kläger nichts, versichert der klagende Nachbar, wohl aber gegen die vorgesehene neue Nutzung.

Die Bundesbank will den Betrieb deutlich ausweiten. Das Nutzungskonzept, dass das bundeseigene Geldinstitut dem Bauantrag beigefügt hat und das dem Tagesspiegel vorliegt, sieht ganzjährig Seminare und Fortbildungen vor. Ferner seien „Veranstaltungen des Vorstands, Veranstaltungen der Leitungsebene und Sonderveranstaltungen (Klausuren, Symposien, Empfänge, Konferenzen, Hintergrundgespräche und ähnliche Formate, auch im ESZB-Umfeld) geplant“, heißt es dort. ESZB steht für „Europäisches System der Zentralbanken“, dem europaweiten Bankenzusammenschluss der nationalen Landesbanken. Sollte sich eine Lücke in der Belegung ergeben, „besteht die Möglichkeit … Veranstaltungen für Institutionen der öffentlichen Vewaltung (z. B. Bundesministerien, Oberster Bundesbehörden, Landes­behörden) auszurichten“, steht dort weiter. Es soll voll werden am Wannseeufer.

Lärm und ungelöste Verkehrsprobleme. Natürlich hätte es Folgen, wenn das Bank-Areal in diesem Maße genutzt werden würde. Der entstehende Lärm ist das eine Problem, die An- und Abreise der Gäste ein anderes. Die Bundesbank nimmt an, dass die meisten Besucher des Hotel- und Kongresszentrums per Bahn anreisen. Doch bereits die Sommerfeste in den letzten Jahren – es gab jährlich zwei große Veranstaltungen rund um das Gästehaus – haben den Anwohnern anderes bewiesen: In der Straße Am Sandwerder sei ein Auto nach dem nächsten vorgerollt und habe die kleine Straße verstopft, berichten sie.

Es drohe ein „zweites Strandbad Wannsee“. Bisher seien Bank-Mitarbeiter mit ihren Familien an den Wochenenden auf das Grundstück am Wannsee zur Erholung gekommen, hätten sich gesonnt, wären geschwommen, „das war überhaupt nicht störend“, erklärt der Nachbar zu Linken, Matthias Wendlandt. Nach dem Umbau aber könnten „nach dem Betriebskonzept hunderte Leute am Wochenende den Badebetrieb nutzen“, argumentiert Rechtsanwalt Reiner Geulen, der die zwölf Kläger vertritt, auf Nachfrage. Er spricht von einem „Strandbad Wannsee deluxe für Bundesbeamte“. Und auch wenn es nur „50 oder 60 oder 80 Leute“ wären, „das passt nicht in ein Wohngebiet“. Tatsächlich steht im Betriebskonzept, dass „der untere Grundstücksbereich für Tagesbesucher als Wiesen- bzw. Badebetrieb genutzt wer­den“ könne. Der Zugang zum Gelände und zu den Sanitäranlagen solle mittels „Dienstausweis oder einer Gästekarte“ erfolgen. 10.500 Mitarbeiter habe die Bundesbank zur Zeit, davon würden 900 in Berlin arbeiten, argumentiert der Anwalt in der Klageschrift: Daher bedeute „dies nichts anderes als die Öffnung einer privaten Badeanstalt an Abenden, Wochenen­den und Ferienzeiten für eine praktisch unbegrenzte Zahl von Besuchern, eine Art ‚Strandbad Sandwerder‘ am Wannsee“.

„Es ist weder ein öffentliches noch ein teilöffentliches Strandbad geplant“, versichert die Pressestelle der Bundesbank. Und auch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen schreibt auf Nachfrage: „Ein teilöffentliches Strandbad wird nicht geplant.“ Für Rechtsanwalt Geulen sind die Absichtserklärungen der Bank irrelevant; „wichtig ist, was aufgrund des Betriebskonzepts genehmigt ist“. Und er setzt am Telefon hinzu: „Die blauen Augen der Deutschen Bundesbank sind rechtlich unverbindlich.“

Das gelte auch für eine andere Sorge der Anwohner: einem späteren Verkauf des Grundstücks. „Das Kritische ist, dass wenn diese Baugenehmigung und die Schankgenehmigung erteilt werden, es dann in alle Ewigkeit so bleibt“, erklärt Nachbar Matthias Wendlandt: „Das heißt, wenn die das Grundstück verkaufen, kann da einer eine Riesenkneipe aufmachen.“ Denn die Genehmigungen seien an das Grundstück gebunden und gingen auch auf zukünftige Besitzer über. Die Bundesbank erklärt: „Es gibt keine Absicht der Bundesbank, Grundstück und Gebäude an einen Investor zu übergeben.“

Doch zumindest 2014 hatte das Geldinstitut genau das überlegt. In der Klageschrift wird aus der ersten Anfrage der Bank zitiert, die sie im November 2014 noch an das Bezirksamt – das Bezirkamt verwies das Anliegen an den Senat, da dort Baumaßnahmen von Bundesbehörden bearbeitet werden – geschickt hatte. Dort heißt es unter der Überschrift „Variante 1“: „Das Grundstück wird im Rahmen eines Public-Private-Partnership-Projektes an einen Investor veräußert.“

Die Klage vor dem Verwaltungsgericht werde in vorraussichtlich 12 bis 18 Monaten verhandelt werden, vermuten die Kläger. Aufschiebende Wirkung hat die Klage nicht, es könnte gebaut werden. Als die Bundesbank vor zwei Wochen ein Bauschild errichtete, legten die zwölf Anwohner deshalb nach und beantragten den sofortigen Baustopp auf dem Gelände. Am 16. Juli findet die öffentliche Verhandlung über den Eilantrag um 9.30 Uhr vor Ort statt; gegen 12 Uhr ist die Entscheidung des Gerichts angekündigt.

Im Hauptverfahren darf die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen – weil sie die Baugenehmigung erteilt hat, richtet sich die Klage gegen sie – aus mindestens drei Gründen schweres Wannsee-Wasser erwarten. Erstens hatte das bezirkliche Stadtplanungsamt schon 1970 die weitere Nutzung des Bootshauses als „Betriebsheim“ nicht genehmigt. Zweitens untersagte 1993 das Oberverwaltungsgericht die Errichtung eines Hotels mit Konferenzbereich auf dem Nachbar-Grundstück Am Sandwerder 21 – es sei in einem allgemeinen Wohngebiet nicht zulässig. Und drittens ist im Grundbuch des Bundesbank-Areals festgehalten, dass „auf diesem Grundstück kein Schankgewerbe“ erlaubt sei.

„Es kann und will keiner eine Bauaktivität auf dem Grundstück verhindern“, stellt Nachbar Matthias Ort klar. „Was wir aber möchten ist, dass sie gebietsverträglich ist.“ Die Gerichte werden über das Bauvorhaben der Bundesbank entscheiden, es zieht Sturm über dem Wannsee auf. – Text: Boris Buchholz
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