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Das Gewerbegebiet Goerzallee hat Potenzial: Ansässige Firmen wollen expandieren
Veröffentlicht am 18.06.2020 von Boris Buchholz
Das Gewerbegebiet Goerzallee hat Potenzial: Ansässige Firmen wollen expandieren. „Die Wirtschaft braucht Flächen“, stellte Uwe Luipold, der Geschäftsführer der Beraterfirma „regioconsult“, in der letzten Sitzung des Ausschusses für Stadtplanung und Wirtschaft klar. Im Gewerbegebiet an der Goerzallee müsse die Sicherung der Flächen für Firmen, Start-Ups und Selbständige Vorrang haben, betonte er. Der Experte bescheinigte dem Gewerbegebiet „nach wie vor einen relativ guten Bestand“. Um den Standort jedoch zukunftsfähig zu machen, müssten die vorhandenen Potenziale genutzt werden – und die Frage müsse geklärt werden, „wo der Bezirk und die Stadt hin wollen“.
Vor drei Jahren hatte die Bezirksverordnetenversammlung einem Antrag der Grünen zugestimmt, für das Gewerbegebiet Goerzallee eine Potenzialanalyse zu erstellen; ein „Entwicklungskonzept ‚Goerzallee 4.0′“ sollte geschaffen werden (hier mein Bericht aus dem Mai 2017). Uwe Luipolds Beratungsfirma hat den Auftrag erhalten; der Geschäftsführer präsentierte im Ausschuss erste Zwischenerkenntnisse. Zum Beispiel die Ergebnisse einer Befragung der Unternehmen vor Ort: 2017 waren auf achtzig Grundstücken 284 Firmen tätig, bei der aktuellen Umfrage hätten sich 100 Betriebe beteiligt.
79 Prozent der Firmen an der Goerzallee sind klein oder noch kleiner. Über die Hälfte (52 Prozent) haben nur einen bis fünf Mitarbeiter, bei weiteren 27 Prozent arbeiten weniger als zwanzig Beschäftigte 8und mehr als sechs). Nur fünf Prozent der Firmen, die sich am Teltowkanalufer angesiedelt haben, sind „groß“: Sie haben mehr als 50 und maximal 400 Mitarbeiter. Mit ihrem Standort sind 58 Prozent aller Befragten „sehr zufrieden“, nur vier Prozent gaben an, „wenig oder gar nicht zufrieden“ zu sein. Für die Gutachter erstaunlich war die hohe Vernetzung unter den Goerz-Firmen: Nur Fünf gaben an, mit ihren Nachbarn nichts zu tun zu habe. Bei allen anderen gab es entweder „nachbarschaftliche“ oder – bei den meisten – „enge geschäfliche Beziehungen“.
„Die machen untereinander Geschäfte, das ist ein Pfund“, begeisterte sich Luipold beim Vortrag. Achtzig Prozent würden die Zusammenarbeit am liebsten sogar noch ausbauen. Viel Anteil habe daran das Goerzwerk, ein Gewerbehof für Start-Ups, Kreative, eben „für alle Unternehmer mit Pioniergeist“ (Eigenwerbung). Uwe Luipold bezeichnet das Goerzwerk als „kleinen Leuchtturm“.
Doch es gibt auch Schwierigkeiten, zum Beispiel beim Verkehr: Er sei „ein großes Thema“, so der Gutachter. Die Anbindung an das Umland und die überaltete Knesebeckbrücke über den Teltowkanal, die für den LKW-Verkehr gesperrt ist, seien Mängel des Gewerbegebiets. Michael Pawlik, der Leiter der bezirklichen Wirtschaftsförderung, erklärte im Ausschuss, dass das Bezirksamt zeitnah ein Verkehrsgutachten in Auftrag geben wolle, „natürlich soll dabei auch die Bahn eine Rolle spielen“. Aktuell wird die Goerzbahn nicht mehr benutzt, die Gleisanlage liegt brach.
Ein anderes Problem ist der Wunsch nach mehr Flächen, 32 Prozent der befragten Unternehmen möchten expandieren. Hier muss zunächst der Bezirk entscheiden: Soll auch weiterhin der Fokus auf Industriebetrieben liegen? Oder sollen zukünftig auch Büros in der Goerzallee angesiedelt werden? Nur etwa dreißig der befragten Firmen produzieren an der Goerzallee; zumeist sind im Süden des Bezirks die Geschäftsleitung, Marketing und Vertrieb, Lager, Back-Office und Forschung und Entwicklung angesiedelt. Gutachter Uwe Luipold hat für die weitere Arbeit an der Potenzialanalyse vier Szenarien erarbeitet – sie reichen von „Weiter so“ über „wissensgetriebene Wirtschaft“ bis zu „Kleinteilige Potenziale“.
Letzteres wäre ihm am nächsten. Einerseits sollten die „großen Player“ gestärkt werden, anderseits könnte man die „historischen Gebäude für kleinteilige kreative Unternehmen nutzen“. Die Potenzialanalyse werde fortgeführt, der Bericht sei lediglich „ein Zwischenstand“, erklärte Bezirksbürgermeisterin Cerstin Richter-Kotowski (CDU). Auf Antrag von Michael Gaedicke, Initiator der Potenzialanalyse und wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen, wird sich der Stadtplanungs- und Wirtschaftsausschuss im September erneut mit der Lage an der Goerzallee beschäftigen. Da bei der Präsentation des Gutachters der Beamer nicht kooperierte, wollen die Ausschussmitglieder erst in Ruhe die Powerpoint-Folien studieren bevor es zur Aussprache kommt.
PS: Das Gelände der Zehlendorfer Spinne, das bezirkseigene Grundstück der ehemaligen Textilfabrik liegt brach, ist nicht Teil der Potenzialanalyse. Und birgt doch sicher viele Potenziale. – Text: Boris Buchholz
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