Namen & Neues
Investor kündigt in Lichterfelde-Ost Markthändlern: Der Ferdinandmarkt steht vor dem Aus
Veröffentlicht am 18.06.2020 von Boris Buchholz
Der Ferdinandmarkt steht vor dem Aus. Der Investor macht Ernst: Den Händlern des privaten Ferdinandmarktes in Lichterfelde-Ost flatterten letzte Woche die Kündigungen ins Haus. Bis zum 30. September müssen sie ihre Standflächen geräumt haben. „Wir bedanken uns für das bislang harmonisch verlaufene Mietverhältnis“, heißt es in einem Schreiben, das dem Tagesspiegel vorliegt. Der Ferdinandmarkt, die glasbedachte Halle im Gebäudekomplex Ferdinandstraße 31-35 am Kranoldplatz, gehört seit 2017 dem Investor und Einkaufscenter-Entwickler Harald Huth.
Es seien zwölf Markthändler von den Kündigungen betroffen, erklärt Rainer Frohloff, Vorsitzender der Bürgerinitiative Kranoldkiez-Lichterfelde. Für ihn ist klar: Der Investor mache den Weg frei, damit er den Ferdinandmarkt umbauen könne. „Auch die Ablehnung seines Vorhabens durch die BVV Steglitz-Zehlendorf scheint ihn wenig zu beeindrucken“, sagt Rainer Frohloff. Die HGHI Kranoldplatz GmbH, sie gehört dem Investor, reichte Anfang des Jahres einen Bauantrag für den Komplex Ferdinandstraße 31-35 ein. Huth will die Markthalle schließen, eine Zwischendecke einziehen und in der neuen Etage Bürofläche anbieten. Im Erdgeschoss sollen dann ein Lebensmittel-Supermarkt mit einer Fläche von 1.768 Quadratmetern sowie zwei weitere große Märkte (663 und 439 Quadratmeter groß) Platz finden. In der Bezirkspolitik herrschte Einigkeit: So könne das nicht genehmigt werden (meinen Bericht finden Sie hier).
Keine Antworten für den Tagesspiegel. Auf Nachfrage zu den Kündigungen erklärte Harald Huth, dass er der „Berliner Morgenpost“ ein Interview gegeben hätte, „weitere Ausführungen sind dazu zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zu machen“. Der Tagesspiegel ging leer aus. Im Gespräch mit meiner „Morgenpost“-Kollegin Katrin Lange hatte der Investor letzte Woche erklärt: „Der Marktbetreiber des Ferdinandmarktes hat vor einer Woche zum 30. Juni gekündigt. Damit ist sowieso Schluss.“
Ein Trick. Es klingt als ob ein unabhängiger Dritter den Schlussstrich unter die Existenz des Ferdinandmarktes gezogen hätte – und Besitzer Harald Huth darauf nun reagieren müsste. Tatsächlich prangt auf dem Kündigungsschreiben, das dem Tagesspiegel vorliegt, als Absender eine Huth-Firma: die HGHI Immobilien Verwaltung GmbH. „Der Marktbetreiber ist die HGHI selber, das steht jetzt definitiv fest“, meint BI-Sprecher Frohloff.
Der Investor will einen Umbau der Markthalle, so oder so. „Und wenn die Bezirksverordneten keinen Umbau auf zwei Etagen wollen – was allerdings eine architektonische Aufwertung wäre –, dann geht es auch ohne“, sagte Harald Huth der „Morgenpost“. Er fuhr fort: „Dann gibt es keine Büros, sondern nur einen Drogeriemarkt auf dem alten Marktgelände.“ Die Bürgerinitiative will weiter gegen die Umbaupläne protestieren, „wir werden mit Plakaten und Demo richtig Randale machen“, ist sich Rainer Frohloff sicher. Juristisch hätten die Bürger zwar wenig in der Hand, doch könne man vielleicht die potenziellen Mieter der großen Einzelhandelsflächen zum Nachdenken bewegen – er habe gehört, ein Edeka-Markt könne einziehen wollen. Auch im Rathaus regt sich Widerstand. In der Bezirksverordnetenversammlung wird aktuell ein Antrag der SPD beraten, wonach „Einzelhandel mit einer Verkaufsfläche von über 800 Quadratmetern im Gebäudekomplex, Ferdinandstraße 31-35, für die einzelnen Märkte nicht zu gewähren“ sei. Ob und wie das umsetzbar ist, war in der letzten Stadtplanungsausschusssitzung noch unklar.
Zurück zu den gekündigten Markthändlern. Können sie auf dem benachbarten Kranoldmarkt, immer mittwochs und samstags findet er statt, unterkommen? Eine feste Zusage könne es nicht geben, erklärt Michael Pawlik, der Leiter der Wirtschaftsförderung, der Markt sei ausgelastet. Wenn betroffene Markthändler auf den Wochenmarkt umziehen wollen, könnten Sie sich an ihn wenden; er werde „intensiv prüfen“, was möglich sei. „Ich als Wirtschaftsförder habe ein großes Herz“, doch gebe es auf der Fläche nur Platz für eine begrenzte Anzahl von Ständen. Aktuell seien bereits 45 bis 50 Stände dauerhaft verbucht, dazu kämen bis zu vier Plätze für Tageshändler. Bereits in der Vergangenheit hätte der städtische Wochenmarkt vier Ferdinand-Händler übernommen, berichtet er.
Die Bürgerinnen und Bürger rund um den Kranoldkiez befürchten durch das Aus für den Ferdinandmarkt und den absehbaren Wegfall der gläsernen Markthalle auch, dass ein Kieztreffpunkt verloren geht. Unter dem Glasdach fanden auch Baby-Trödels und eine Kinderbuchmesse statt. Der Kiez verliere „etwas Wertvolles“, hatte die Vorsitzende des Vereins „Mein LiLa“, Jutta Goedicke, im Herbst letzten Jahres gewarnt. Der Kranoldplatz könnte an Attraktivität verlieren.
Den Standort nicht zu schwächen, sondern ihn zu stärken, ist das Ziel der Wirtschaftsförderung. So bald wie möglich soll ein Standortmanagement rund um den Kranoldplatz die Arbeit aufnehmen – seitens des Senats sind dafür über einen Zeitraum von drei Jahren 248.000 Euro bewilligt worden. Aktuell beginnt das Bezirksamt mit der Suche nach einem Träger für die Maßnahme, die zentrale Vergabestelle des Amtes soll in den nächsten Wochen Angebote einsammeln. Bei der Kiez-Maßnahme gehe es darum, für den Standort zu werben, miteinander ins Gespräch zu kommen, zwischen verschiedenen Interessen zu vermitteln, Netzwerke aufzubauen und gemeinsam mit allen Beteiligten neue Ideen für einen qualitativ hochwertigen und freundlichen Kiez zu entwickeln, erklärt Michael Pawlik. „Es wird ein Büro und ein Gesicht vor Ort geben“, sagt er. Im Vergleich zum Beispiel zu einer ähnlichen Maßnahme in der Ladenstraße am U-Bahnhof Onkel Toms Hütte, „wird es am Kranoldplatz komplexer werden“. Nicht nur gebe es die Umbaupläne von Harald Huth, auch der Platz selber müsse in naher Zukunft umgeplant und freundlicher gestaltet werden. Eine bessere Führung des Auto- und speziell des Radverkehrs, sei ein weiteres wichtiges Thema. Ursprünglich sollte das Standortmanagement bereits am 1. Juli die Arbeit aufnehmen – doch das habe sich als „zu sportlich“ erwiesen, so Michael Pawlik. – Text: Boris Buchholz
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Je schneller ein Moderator auf den Platz zieht, desto besser – es gibt am Bahnhof Lichterfelde-Ost viel zu bereden.