Namen & Neues
Ein Interims-Standort ist noch im Rennen: 200 Mitarbeiter müssen aus dem asbestbelasteten Rathaus Zehlendorf ausziehen
Veröffentlicht am 06.08.2020 von Boris Buchholz

200 Mitarbeiter müssen aus dem asbestbelasteten Rathaus in Berlin-Zehlendorf ausziehen. Und zwar so schnell wie möglich. Die beiden Bauteile B und E des Rathauses Zehlendorf sind asbestbelastet, an beiden Gebäude traten im November Asbestfasern aus. Bei der Reinigung und provisorischen Versiegelung der Fenster (die Asbestfasern stammen aus dem Fensterlack und -kitt) Ende Mai wurde vermutlich belasteter Staub in die Innenräume geblasen, der Betriebsrat schlug Alarm, die betroffenen Bauteile wurden zum zweiten Mal geräumt (ich berichtete). Jetzt ist die Ad-hoc-Asbest-Bekämpfung abgeschlossen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können die Räume wieder nutzen und sogar die Fenster auf Kipp stellen, wie mir Bezirksbürgermeisterin Cerstin Richter-Kotowski (CDU) berichtete. Die Gefahr sei gebannt – vorerst. Denn länger als ein Jahr wird das auf das Rathaus geklebte Asbest-Pflaster nicht halten, dann geht alles wieder von vorne los. Und erst frühestens 2023, vermutlich später, wird der Altbau des Rathauses saniert und die Anbauten abgerissen, ein neues Rathaus soll entstehen.
An einem Interimsstandort für die akut betroffenen Verwaltungsmitarbeiter führt kein Weg vorbei. Seit Juni sucht das Bezirksamt nach einem Ausweichquartier. Es seien zwar diverse Angebote eingegangen, erklärt die Bezirksbürgermeisterin, doch seien die meisten „wohl nicht zu realisieren“, weil erst umgebaut oder gar neugebaut werden müsste, „das dauert mir zu lange“. Ein privater Anbieter sei noch im Rennen, „es gibt eine Möglichkeit, und hier sind wir jetzt in intensiven Gesprächen mit der Senatsfinanzverwaltung“. Denn das Geld für das Ausweichquartier muss sich der Bezirk beim Senat und im Abgeordnetenhaus besorgen. Wo sich das Objekt befindet, das für den Bezirk in Frage käme, wem es gehört und wie groß es ist, will die Bezirksbürgermeisterin nicht sagen.
Soviel wird im Gespräch jedoch klar: Die 200 Mitarbeiter aus den Bauteilen B und E sollen 2021 umziehen – für sie ist in dem gefundenen Objekt ausreichend Raum vorhanden. Wenn ab 2023 im Rathaus Zehlendorf saniert, abgerissen und neu gebaut wird (hier dazu mehr), sollen auch die anderen circa 300 Beschäftigten an den Standort nachziehen. Für diese zweite, größere Gruppe müssten allerdings am Ersatzobjekt erst noch neue Räume gebaut werden; zwei Jahre hätte der Vermieter dafür Zeit. Das Ziel: Während an der Kirchstraße die Abrissbirnen schwingen, soll die 500 Mann und Frau starke Besatzung des jetzigen Rathauses Zehlendorf möglichst komplett an einem Übergangsstandort vereint weiter arbeiten. Hinzukomme „der politische Betrieb“ – Fraktionsräume, Büro der Bezirksverordnetenversammlung (BVV), Sitzungssaal der BVV, Räume für die Ausschüsse. „Ich habe keine Lust zweimal umzuziehen“, erklärt Cerstin Richter-Kotowski, „Sie können nicht einmal im Jahr Kisten packen lassen“.
Ob die Verhandlungen mit dem Senat und dem privaten Anbieter gelingen, sei offen. „Dieser Anmietvorgang ist sehr bürokratisch“, sagt die Bezirkschefin: „Aber wir haben auch nicht sehr viele Alternativen.“
Parallel zu den Verhandlungen gewinnen die Planungen für die Sanierung, Abriss und Neubau des maroden Rathauskomplexes langsam an Form. Im August treffen sich Vertreter des Bezirks mit Fachleuten aus der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen – die Rahmenbedingungen und Kriterien für einen städtebaulichen Wettbewerb sollen geklärt werden, spätestens Anfang 2021 muss er ausgeschrieben werden. Was soll das neue Rathaus alles können? Wie wird in Zukunft gearbeitet? Wird die Stadtbücherei integriert? Wird es Tiefgaragen für die beiden Bücherbusse geben? Will man einen Rathausbereich schaffen, in dem der Publikumsverkehr konzentriert wird? Wo wird der neue Rathauseingang liegen? Gibt es ein Café? Galerieräume? Was passiert mit dem Parkplatz hinter dem jetzigen Rathaus? Fragen über ungelöste Fragen.
Liegen die Antworten der Stadtplaner dann vor und hat man sich auf einen städtebaulichen Rahmenplan verständigt, soll sich ein Architekturwettbewerb anschließen: Feinplanung ist gefragt. Erst dann wird sich entscheiden, wie das neueste und modernste Rathaus Berlins konkret aussehen wird. Erst dann können Planungsunterlagen erstellt, Bauanträge genehmigt und konkrete Baumaßnahmen ausgeschrieben werden. Das Geld für all das, rund siebzig Millionen Euro, hat der Bezirk schon in der Tasche. Vier Jahre lang soll gebaut werden, frühestens 2027 stünde das neue Rathaus in seiner vollen Pracht und Funktionalität am alten Ort. Sechs bis sieben Jahre lang müssen die Mitarbeiter der Bauteile B und E also im Provisorium verbringen – das erst noch gefunden werden muss. – Text: Boris Buchholz
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