Namen & Neues

Weder Klimagutachten noch Bibliothek für Lichterfelde-Süd und der Abriss des Mäusebunkers: Neues aus der BVV

Veröffentlicht am 15.10.2020 von Boris Buchholz

In der Oktobersitzung der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) war nicht nur die Live-Übertragung der Debatten (mehr dazu im Intro) Thema. Das Bezirksparlament tagte wieder in einer abgespeckten Form, nur 29 Bezirksverordnete waren stimmberechtigt: Beschlossen, abgelehnt und teilweise im Plenum diskutiert wurden unter vielen anderen folgende Themen.

  • Keine Stadtteilbibliothek für Lichterfelde-Süd. „Ich finde, dass ein Bücherbus eine Stadtteilbibliothek nicht ersetzen kann“, erklärte die SPD-Bezirksverordnete Carolyn Macmillan in der erhitzten Debatte. Die Thermometersiedlung und das neue Stadtquartier an der Lichterfelder Weidelandschaft bräuchten einen Kultur- und Begegnungsort. Begegnung? „Bibliotheken sind Orte des Medienzugangs“, konterte Torsten Hippe (CDU). Für eine Bibliothek sei weder eine Fläche noch Geld für Bau und Betrieb vorhanden. Auch der kulturpolitische Sprecher der grünen Fraktion, Carsten Berger, sah keine Chance, den Büchereiwunsch „darzustellen“. Die SPD wies darauf hin, dass bis 2016 eine Stadtteilbibliothek in den Plänen für das Neubaugebiet mit 2.500 Wohneinheiten in Lichterfelde-Süd vorgesehen gewesen wäre. Ihr Vorwurf: Schwarz-Grün habe es versäumt, Gelder einzuplanen. Der Gegenvorwurf: Und die SPD habe ihren Finanzsenator nicht um mehr Geld angehauen. SPD, Linke und AfD stimmten für den Antrag, in Lichterfelde-Süd eine Stadtteilbibliothek zu errichten; die Mehrheit von CDU, Grünen und FDP lehnte den Antrag ab.
  • Wieder Tempo 30 für den Straßenzug Lorenzstraße / Mariannenstraße. Zwischen der Hildburghauser und der Geraer Straße sowie vor dem Kinderladen „Die Maulwürfe“ soll wieder Tempo 30 gelten. Nach der Sanierung der Fahrbahn ist die Tempobeschränkung weggefallen. Außerdem wünschen sich die Bezirksverordneten eine Mittelinsel oder einen Zebrastreifen in der Mariannenstraße als Querungshilfe für Schulkinder (CDU, SPD, Grüne, Linke dafür; AfD dagegen; FDP enthielt sich).
  • Kein Einzelhandel mit einer Verkaufsfläche über 800 Quadratmetern im Gebäudekomplex Ferdinandstraße 31-35. Das Gebäude am Kranoldmarkt gehört dem Investor Harald Huth, er will umbauen und dort unter anderem einen großen Lebensmittelsupermarkt ansiedeln (ich berichtete). Alle Fraktionen bis auf die AfD (sie enthielt sich) forderten das Bezirksamt auf, Einzelhandelsflächen über 800 Quadratmetern „nicht zu gewähren“.
  • Ein eigenes Klimagutachten wird es für das Neubaugebiet Lichterfelde-Süd nicht geben. SPD und Linke forderten in einem Antrag, dass die Auswirkungen des Bauvorhabens auf das Stadtklima untersucht werden. „Was passiert in der Thermometersiedlung, wenn davor Betonklötze gebaut werden?“, fragte Carolyn Macmillan (SPD). Die Luftschneisen der grünen Finger, im Neubaugebiet sind parkähnliche Streifen geplant, würden vor den Beton-Wänden der Thermometersiedlung enden. „Die Luft kommt um die Ecke da herum“, meinte Bernd Steinhoff (Grüne). „Uns sind höher gebaute Gebiete in Berlin bekannt, Sie können letztlich überall atmen“, konstatierte der CDU-Fraktionsvorsitzende Torsten Hippe. Es sterbe niemand an Hitze. „Wir brauchen diese 2500 Wohnungen“, sagte er, „das abhängig zu machen von einer abstrakten Sorge“, sei falsch. Es gebe keine „konkreten Belege“ dafür. Die wird es wohl auch weiterhin nicht geben: CDU, Grüne, FDP und AfD lehnten den Klimagutachten-Antrag ab. Angemerkt sei: Noch steht der Umweltbericht für das Bauvorhaben der Groth-Gruppe in Lichterfelde-Süd aus; auch in diesem Expertenbericht werden die Klimauswirkungen thematisiert werden – weit über die Grundstücksgrenzen würden diese Untersuchungen aber nicht hinausreichen, meinen die Kritiker.
  • „Mehrheit“ will Abriss des Mäusebunkers. CDU und AfD (10 Stimmen) votierten für den Antrag, den Betonkoloss der ehemaligen Tierversuchslaboratorien der Freien Universität und der Charité abzureißen. Die Linken stimmten dagegen (1 Stimme). Die Mehrheit im Haus – gemeinsam kamen SPD, Grüne und FDP am Mittwochabend auf 16 Stimmen – enthielt sich. Der Abriss-Antrag wurde „mit Mehrheit“ angenommen. Daraus lernt man: Wer sich enthält, stimmt auch ab. Ideen für die zukünftige Nutzung stellt mein Kollege Jonas Bickelmann hier auf tagesspiegel.de vor.
  • Bahnbrechendes Zeichen für Inklusion: Behindertentoilette im Rathaus Zehlendorf wird besser ausgeschildert. Dieser Antrag der FDP-Fraktion wurde einstimmig und ohne Debatte angenommen. Seltsam, dass er nötig war.
  • Keine Endlagerstätte im Bezirk (und auch nicht in den Nachbarbezirken)? Der Antrag der AfD, sich gegen „eine Endlagerstätte für ausgebrannte Nuklearbrennstoffe“ zu wehren, wurde zur weiteren Beratung in den Ausschuss für Grünflächen und Umwelt überwiesen. Dass der Südwesten geologisch betrachtet endlagertauglich ist, können Sie hier nachlesen.