Namen & Neues
Werner-von-Siemens-Gymnasium: Eltern wehren sich gegen „Schul-Schrumpfung“
Veröffentlicht am 03.12.2020 von Boris Buchholz
Aufregung in Zehlendorf: „Berlin sollte stolz auf diese Schule sein – und sie nicht mutwillig wegen eines fehlenden Raumes klein schrumpfen“, formulieren die Eltern in einem Brief an den Regierenden Bürgermeister Michael Müller und Bildungssenatorin Sandra Scheeres (beide SPD). Es geht um das Werner-von-Siemens-Gymnasium. „Mit großem Unverständnis“ hätten die Eltern zur Kenntnis nehmen müssen, dass im kommenden Schuljahr eine siebte Klasse weniger als bisher an dem Gymnasium eingerichtet werden soll, schreiben sie.
Britta Winkelhahn, Mitglied im Vorstand der Gesamtelternversammlung (GEV), erklärt, die Eltern „wehren sich gegen eine Verkleinerung dieser Schule um eine Klasse“. In den Vorjahren gab es an der Schule fünf siebte Klassen. Zwei davon sind Schnelllernerklassen, die bereits in der fünften Klasse starteten, drei Klassen beginnen ab der Siebenten. Von letzteren soll es im nächsten Schuljahr nur noch zwei Klassen geben. Die Eltern befürchten, dadurch im Schuljahr 2021/22 zu einer „kleinen“ Schule zu werden. Dadurch könnte das schulische Angebot für ihre Kinder abnehmen, weniger Lehrkräfte könnten beschäftigt werden. Heute besuchen 851 Schülerinnen und Schüler das Gymnasium.
In einer „E-Mail-Kampagne gegen die Schrumpfung“ ruft die GEV nun die Eltern dazu auf, sich an den Senat und die Bezirksbürgermeisterin zu wenden. „Seit gestern Abend werden die Büros des Regierenden Bürgermeisters, der Schulsenatorin und der Bezirksbürgermeisterin von Steglitz-Zehlendorf mit E-Mails überflutet“, schreibt Britta Winkelhahn am Mittwoch; „über 100 E-Mails“ seien bereits verschickt worden.
Es fehlt Platz. Die Schulverwaltung hatte in der Antwort auf eine Anfrage des CDU-Abgeordneten Stephan Standfuß Mitte November erklärt, warum es im kommenden Schuljahr am Werner-von-Siemens-Gymnasium eine 7. Klasse weniger geben soll: Das Gymnasium hat schlicht nicht ausreichend Platz für fünf siebte Klassen. Das Gymnasium war bisher 5-zügig am Start, obwohl es räumlich nur für einen 4-zügigen Betrieb vorgesehen ist.
Auf Kosten der Johannes-Tews-Grundschule. Möglich war die „zusätzliche“ 7. Klassen bisher nur dadurch, dass „Klassen des Gymnasiums im Grundschulgebäude untergebracht“ waren, erklärt Bildungsstaatssekretäärin Beate Stoffers (SPD). „Durch den weiter anhaltenden starken Zuzug von Grundschulkindern und die sehr gute Nachfrage nach Schulplätzen an der Johannes-Tews-Grundschule sind früher praktizierte Lösungswege heute ausgeschlossen“, führt sie aus. Im eigenen Gebäude habe die Grundschule Vorrang vor dem Gymnasium, da die Grundschulkinder einen Anspruch auf einen kurzen und ihrem Alter angemessenen Schulweg hätten. „Alle noch vorhandenen Räume werden für die Erfüllung der Schulpflicht und die Betreuung der Grundschulkinder benötigt“, so die Staatssekretärin.
Reicht ein Container? Durch den Eigenbedarf der Grundschule fehlt dem Gymnasium jetzt ein Klassenraum. Die Eltern drängen darauf, diesen einen Raum noch zu finden – oder einen Container aufzustellen. „Die räumlichen Gegebenheiten würden die sofortige Aufstellung eines Containers erlauben“, meinen sie in der Protest-E-Mail: „Der Platz wäre da, es fehlt der Wille zur Lösung und schnellen Umsetzung.“ Die Staatssekretärin hält dagegen, dass es wohl auch mit einem einzigen Raum mehr nicht getan sei – weder die Mensa- noch die Turnhalle seien für einen 5-zügigen Betrieb vorgesehen, es gebe auch nur ein „begrenztes Fachraumangebot“.
Die Einsicht, dass wer keine eigenen Räume hat, auch keine weiteren Klassen eröffnen kann, ist nachvollziehbar – und doch greift sie zu kurz. Denn die Frage steht im Raum, ob Senat und Bezirk eine solide Schulplanung betrieben haben und betreiben. Ein Beispiel: Im letzten Schulentwicklungsplan 2014–2018 (und einen neueren gibt es leider nicht) wurde das Werner-von Siemens-Gymnasium als 4,5-zügig geführt. Doch eine bezirkliche Überprüfung des Raumangebots im Jahr 2019 ergab, dass es nur Räume für vier Züge gebe. Ein Verwaltungs-Mirakel, anscheinend sind im Schulgebäude in der Beskidenstraße 1 zwischen 2014 und 2019 Räume abhanden gekommen – zumindest rechnerisch. Eine vorausschauende Planung hätte schon früher „entdeckt“, dass für eine fünfte 7. Klasse ein Klassenraum fehlt, und hätte Abhilfe geschaffen.
Übrigens ist das Gymnasium nicht die einzige Schule im Südwesten, die nächstes Schuljahr eine Klasse weniger aufmachen kann. Das Beethoven-Gymnasium wird im kommenden Jahr vier statt fünf Klassen eröffnen können, das Paulsen-Gymnasium wird drei Siebte begrüßen (und 2022/23 wieder vier) und das Willi-Graf-Gymnasium hatte nur einmalig eine vierte 7. Klasse bekommen – ab nächstem Sommer geht es wieder 3-zügig weiter. Text: Boris Buchholz
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