Namen & Neues
Keine Notlage, keine Dringlichkeit, keine digitale Sitzungen trotz Pandemie: CDU und AfD verhindern Anträge
Veröffentlicht am 21.01.2021 von Boris Buchholz
Vor genau einer Woche, am 14. Januar, hat das Abgeordnetenhaus das „Gesetz zur Änderung des Bezirksverwaltungsgesetzes zur Sicherstellung der Arbeitsfähigkeit der Bezirksverordnetenversammlungen in außergewöhnlichen Notlagen“ beschlossen – es tritt in wenigen Tagen in Kraft und ermöglicht es den Bezirksparlamenten, in erklärten Notlagen digital zu tagen. Grüne und SPD im Südwesten reagierten schnell: Beide Fraktionen brachten in die Bezirksverordnetenversammlung am Mittwoch, 20. Januar, insgesamt drei Dringlichkeitsanträge ein, um die Diskussion darüber zu beginnen, wie die virtuellen Sitzungen umgesetzt und eingeführt werden können. Denn vor jedem Video-Streaming und jeder Zoom-Konferenz steht die Geschäftsordnung: Sie muss um „digitale“ Paragraphen erweitert werden. Wann darf online getagt werden? Wer bestimmt darüber? Reicht auch eine Telefonkonferenz? Wie wird abgestimmt? Fragen, die sich stellen – und auf die so schnell es geht, Antworten gefunden werden müssen.
Doch statt in die inhaltliche Debatte einzusteigen, blockierten CDU und AfD die parlamentarischen Initiativen – wegen angeblich fehlender Dringlichkeit. Zur Erklärung: Wenn nach Antragsschluss noch Vorlagen in die Sitzung der BVV eingebracht werden sollen, müssen alle Fraktionen dieser Dringlichkeit zustimmen. Falls das nicht geschieht, ist eine Zweidrittel-Mehrheit nötig, um die neuen Punkte noch auf die Tagesordnung zu hieven. Im zehnten Monat der Pandemie, nachdem der Senat jüngst den herrschenden Lockdown bis 14. Februar verlängert hat, Virus-Mutationen grassieren, kann der CDU-Fraktionsvorsitzender Torsten Hippe keine Dringlichkeit erkennen: Weder sei das Gesetz, auf das sich die Anträge beziehen, bereits in Kraft, noch gebe es die technischen Möglichkeiten zur Umsetzung, behauptete er im Kirchenschiff der Zehlendorfer Pauluskirche, in dem die Bezirksverordneten vor der Pandemie Zuflucht gesucht haben.
Die Vorschläge von Grünen und SPD seien „schnell, aber unbrauchbar“, kanzelte er die Anträge ab. Sie „scheinen nur die Variante eines toxisch männlichen Wettbewerbwahns zu sein“, schneller als der Andere sein zu wollen. Was dahinter steckt: Im Ältestenrat hatten die Fraktionen sich darauf verständigt, dass Bezirksverordnetenvorsteher René Rögner-Francke (CDU) dem Geschäftsordnungsausschuss im Februar einen Verfahrensvorschlag machen werde. Die Anträge wertete der CDU-Fraktionsvorsitzende anscheinend als Aufkündigung dieser Verabredung – und als Düpierung des Parteikollegen.
„Wir freuen uns sehr, wenn der Vorsteher seine Expertise hinzugeben kann“, entgegnete Lukas Uhde von den Grünen. Sicherlich seien die Textvorschläge noch „nicht der Weisheit letzter Schluss“. Aber da die Mehrheit im Hause eine Änderung der Geschäftsordnung beschließen wolle, müsse jetzt mit der inhaltlichen Arbeit begonnen werden. Im übrigen, so Lukas Uhde, habe Torsten Hippe zwar viel gesagt, aber „ohne auf die Dringlichkeit einzugehen“. Da das zugrundeliegende Gesetz erst vor sechs Tagen vom Abgeordnetenhaus beschlossen worden sei, „ist die Dringlichkeit absolut gegeben“. Man dürfe „keine Zeit mehr verlieren“, mahnte auch SPD-Fraktionschef Norbert Buchta, „wir müssen handeln“.
Doch digitale Sitzungen der Bezirksverordnetenversammlung haben für die CDU keine Priorität – das hatte Torsten Hippe für seine Fraktion schon vergangene Woche im Newsletter erklärt (hier zum Nachlesen). Jetzt folgten den Worten Taten: Zusammen mit der AfD stimmte die CDU gegen die Dringlichkeiten; und damit scheiterten SPD, Grüne, FDP und Linke trotz einfacher Mehrheit dreimal an der für Dringlichkeiten notwendigen Zweidrittelhürde. Jetzt stehen die drei Anträge ganz regulär auf der Tagesordnung der nächsten BVV Mitte Februar.
Aber die „digitalen Vier“ haben sich beholfen: Mathias Gruner (Linke), der Vorsitzende des Geschäftsordnungsauschusses, kündigte noch während der BVV eine Sondersitzung seines Ausschusses an – bereits am 2. Februar soll er tagen. Hauptpunkt wird die digitale Ergänzung der Geschäftsordnung sein.