Namen & Neues
Maßnahmen gegen den Klimawandel: Ein weiterer Anfang ist gemacht
Veröffentlicht am 25.02.2021 von Boris Buchholz
Er stand 39 Mal auf der Tagesordnung der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) und ihrer Ausschüsse, wurde 24 Mal vertagt und wird seit September 2019 diskutiert, geändert, ergänzt, verkürzt und abgestimmt. Im 18. Monat seiner Existenz hat die BVV in ihrer Februarsitzung den von der SPD eingebrachten Antrag „Klima-Maßnahmen sofort!“ verabschiedet: CDU, SPD, Grüne und FDP stimmten für das Klima-Paket, AfD und Linke dagegen.
Maximal 1,5 Grad Erderwärmung. Auf den vier Seiten des Beschlusses wird das Bezirksamt dazu verpflichtet, für die Verfolgung des 1,5-Grad-Ziels des Pariser Klimabkommens, des Berliner Energie- und Klimaschutzprogramms 2030 und der bezirklichen Nachhaltigkeitsziele Personal und Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Jedes Amt – von Sport bis Kultur – ist im Antrag erwähnt. Den beschlossenen Antrag finden Sie in aller Ausführlichkeit auf der Bezirkswebsite, hier einige Auszüge:
- Generell: Dienstreisen sollen „möglichst“ klimaschonend durchgeführt, regenerative Energiequellen stärker genutzt und bei der Neubeschaffung von Dienstfahrzeugen „möglichst“ auf Verbrennungsmotoren verzichtet werden. Bei „großen Maßnahmen und Aktivitäten“ des Bezirksamts sollen die Auswirkungen auf die 17 UN-Nachhaltigkeitsziele und die Berliner Klimaziele geprüft werden.
- Grünflächenamt: Bis 2025 sollen „mindestens 12.000 neue Bäume“ im Bezirk gepflanzt werden, Monokulturen sollen vermieden werden.
- Hochbauamt: Öffentliche Neubauten sollen „nach Möglichkeit mindestens klimaneutral oder im Plusenergiestandard“ gebaut werden. Das Amt soll einen „Solarplan“ aufstellen und Beleuchtungsanlagen öffentlicher Gebäude „möglichst“ zeitnah auf LED umstellen. Im Juni soll ein Fahrplan zur energetischen Sanierung der bezirklichen Gebäude vorgestellt werden.
- Stadtplanungsamt: In städtebaulichen Verträgen mit privaten Bauherren soll auf klimaneutrale Energiekonzepte und -gebäude, minimale Versiegelung und Solaranlagen „hingewirkt“ werden.
- Tiefbauamt: Öffentliche Flächen sollen entsiegelt und ökologisch neu gestaltet werden. Anwohnenden soll es ermöglicht werden, einfacher als bisher an Straßen- und Gehwegrändern Blühstreifen anzulegen. Radverkehrsanalagen sollen saniert und ausgebaut werden.
- Umwelt- und Naturschutzamt: Bei Marinas sollen verstärkt Umweltkontrollen durchgeführt werden; auf Landesebene soll sich das Amt dafür einsetzen, dass Boote mit Elektro-, Hybrid- oder Gasantrieb gefördert werden.
- Schulamt: Das eigentlich nur für die äußeren Schulangelegenheiten zuständige Amt soll sich laut Beschluss jetzt auch darum kümmern, „dass sich das Thema Klimawandel und Klimaschutz in den Lehrplänen ausreichend wiederfindet“. Beim Schulessen soll der Schwerpunkt auf regionale und klimafreundliche Kost gelegt werden.
- Gesundheitsamt: Die Beratungsangebote für die Förderung gesunder Ernährung soll ausgebaut werden.
Die Übersicht über alle Maßnahmen soll die Klimaschutzbeauftragte wahren. Fortschritte, Probleme und neue Ziele sollen bei einem von ihr organisierten „Zukunftskongress Klimaschutz“ diskutiert werden – einmal jährlich soll der Kongress stattfinden. Alle zwei Jahre wiederum muss die Beauftragte einen Statusbericht zur Klimabilanz vorlegen. Damit sie diese Aufgaben auch bewältigen kann, will der Bezirk beim Land dafür werben, ab dem Doppelhaushalt 2022/2023 eine zweite Stelle zu finanzieren.
Als „wichtigen Meilenstein“ bejubeln Bündnis 90/Die Grünen den beschlossenen Antrag. Die Linke winkt ab: Das sei doch nur „Selbstbeweihräucherung“ und „Selbstlob“, erklärte Fraktionsvorsitzende Gerald Bader. „Es fehlen ganz wichtige Konkretisierungen“, kritisiert er, „der Antrag ist sehr dünn, zu dünn um den Klimaschutz voranzubringen“. Es seien beispielsweise keine konkreten Personalstellen eingeplant, um all die Vorhaben auch umzusetzen. In der Februar-Sitzung der BVV brachte die Linke-Fraktion 57 Änderungsanträge ein, die in einem knapp 13-minütigen Abstimmungsmarathon einzeln aufgerufen und alle abgelehnt wurden. Die anderen Fraktionen kritisierten die Linken; erst ganz am Schluss mit Änderungswünschen zu kommen und bei den langjährigen Beratungen wenig beizutragen, sei der falsche Weg, war der Konsens.
„Es ist der Start für einen Bezirk von morgen“, betonte Olemia Flores Ramirez (SPD). Für sie stellt der Klimaantrag den „kleinsten gemeinsamen Nenner“ dar – deshalb gebe es auch keinen Grund zum Feiern. „Mit den Folgen des Klimawandels hätten wir uns schon lange beschäftigen müssen“, sagte sie in der BVV-Sitzung. Wieso das Klimaschutzkonzept von 2011 nicht fortgeschrieben worden sei, fragte sie: „Und da schaue ich Sie an, Frau Stadträtin Schellenberg.“
Die lange Beratungsdauer – als der Antrag 2019 eingebracht wurde, ist er gegen den Willen der SPD in alle Ausschüsse überwiesen worden – habe auch ihr Gutes gehabt, sind sich die meisten Redner:innen einig. Alle Ämter seien beteiligt worden, „jetzt kann keiner mehr sagen, er wurde nicht gehört“, meinte Rolf Breidenbach (FDP). Und: „Wir haben uns in mehreren Runden den Rat von Fridays for Future geholt.“ „Es ist ein besonderer Moment, weil wir alle zusammen bis auf zwei Fraktionen an etwas Wichtigem gearbeitet haben“, erklärte Susanne Mertens (Grüne). „Es ist ein Anfang“, meldete sich Jens Kronhagel (CDU) zu Wort, „man kann noch mehr tun“.
Neben den Linken lehnte auch die AfD den Antrag ab. Was den einen zu unkonkret war, war den anderen viel zu viel des unnützen und „missionarischen“ Tumults: „Klimaerwärmungen sind in der Erdgeschichte ganz normale Vorgänge“, gab Volker Graffstädt von der AfD zu Protokoll. Mit dieser Meinung stand der AfD-Mann allerdings allein am Redepult in der Apsis der Pauluskirche.
Text: Boris Buchholz
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