Namen & Neues

Trockenheit durch Klimakrise: Die Tage der Birken in Düppel-Süd sind gezählt

Veröffentlicht am 08.04.2021 von Boris Buchholz


Der Birkenweg weist Lücken auf: Die Trockenheit macht den Bäumen zu schaffen.

 

Trockenheit durch Klimakrise: Die Tage der Birken in Düppel-Süd sind gezählt. Einen offiziellen Namen hat der Spazierweg wohl nicht – in der Siedlung Düppel-Süd ist er als Birkenweg bekannt: Die weiß-schwarzen Bäume säumen den knapp einen Kilometer langen Weg durch die Einfamilienhaus-Siedlung. Die „Birkenallee“ beginnt an der Grundschule am Buschgraben und endet an der Berlepschstraße – und sie verliert mehr und mehr an Birken. Besser gesagt, das Bezirksamt lässt mehr und mehr Birken fällen. Leserin Gertrud Broser sieht ein, dass es einen berechtigten Grund für die Fällungen geben kann. „Aber man lässt die Stumpen in den unterschiedlichsten Höhen einfach stehen, so dass ein fast gespenstisch anmutender Weg entstanden ist“, kritisiert sie. Und sie versteht nicht, warum Privatleute Nachpflanzungen vornehmen müssen, diese Regel aber anscheinend für das Straßen- und Grünflächenamt nicht zu gelten scheine.

Nachfrage im Grünflächenamt: „In diesem Bereich sind sehr viele Birken abgängig und mussten gefällt werden“, teilt Umwelt- und Baustadträtin Maren Schellenberg (Grüne) mit. Die starken Trockenschäden der vergangenen Dürresommer würden sich besonders auf flach wurzelnde Bäume stark auswirken. Außerdem seien die Birken besonders empfindlich gegenüber Ozon. „Diese Baumart kann als ein Verlierer der klimatischen Veränderungen angesehen werden“, sagt die Stadträtin. Hinzukomme noch ein Problem: Viele der noch lebenden Bäumen wiesen einen akuten und stark voranschreitenden Mistelbesatz auf, „der sich nicht mehr regulieren lässt“. Alle gefällten Bäume seien „irreversibel stark geschädigt“ gewesen, „sodass aus Gründen der Verkehrssicherheit keine Alternative zu den vorgenommenen Fällungen bestand“. Die Stadträtin spricht von einer „niedrigen zweistelligen Zahl“. Und sie prognostiziert: „Es wird zu weiteren Fällungen kommen.“

 


Das Amt will nachpflanzen – irgendwann. Birken sollen es aber nicht wieder sein.

 

Der „Birkenweg“ muss demnächst einen neuen Namen im Kiez bekommen. Denn das Amt denkt sehr wohl über Nachpflanzungen nach. Aber: 1) Es müsse ein „schlüssiges Gesamtpaket“ entwickelt werden. 2) „Zur Bewahrung und Entwicklung des Alleecharakters ist es nötig, eine einheitliche Reihenpflanzung vorzunehmen.“ 3) Der Weg könne nur als Ganzes bepflanzt werden. 4) Zunächst müssten „Überlegungen zur Baumartenwahl angestellt werden“, größere Überlebenschancen als Birken hätten „tiefer wurzelnde und trockenheitsverträglichere Gehölze“.

Die Tage der Birken scheinen gezählt zu sein. Eine Allee mit einer anderen Baumart schwebt dem Grünflächenamt vor, der Charakter des Weges würde sich deutlich verändern. „Langfristig soll es wieder einen von Bäumen beschatteten Weg geben, der von im weitesten Sinne ‚Wiese‘ untermalt ist“, meint Maren Schellenberg. Ob diese Entwicklung eine gute (eine weitere Kirschblütenallee könnte ein wertiger Birkenersatz sein) oder schlechte sein könnte, hängt von den ausgewählten Bäumen ab – und davon, ob sich die Anwohner des heutigen Birkenwegs von „ihren“ Bäumen trennen mögen.

Schnell wird es wohl nicht zu Nachpflanzungen gleich welcher Baumsorte kommen. „Im Sinne der Nachhaltigkeit sollte nur so viel gepflanzt werden, wie auch gärtnerisch betreut werden kann“, sagt die Stadträtin. Soll heißen: Pro Jahr kann nur eine begrenzte Anzahl von Jungbäumen gepflanzt werden, sonst kommt das Amt mit dem Gießen nicht hinterher. Nach baldiger Aktion in Düppel-Süd klingt das alles nicht. Zudem bewertet die Verwaltung die Grünfläche, das ist der Birkenweg offiziell, nur als „einfache“ oder „übliche“ und nicht als „hochwertige“ Grünanlage. Daher genieße der Noch-Birkenweg keine Priorität. Interessanter Nebeneffekt: Aufgrund der niedrigen Pflegekategorie „kann aus fachlicher Sicht kein ungepflegter Zustand bestätigt werden“. Das ist jetzt amtlich.

Machen Sie sich selber ein Bild – und genießen Sie die Birken, solange sie noch stehen. Und wenn Sie schon vor Ort sind: Die Angabe, dass „nur“ eine „niedrige zweistellige“ Anzahl von Birken gefällt worden sind, kommt mir etwas zu positiv kalkuliert vor. Wenn Sie beim nächsten Spaziergang mit der Familie oder beim Gassigehen durch den Birkenweg flanieren, dann wäre ich für eine Bürger-Zählung der Stumpen dankbar. Mein Eindruck vom letzten Besuch ist eher, dass in Düppel schon sehr viele Bäume gefällt worden sind – es ist nur noch ein „B rk wg“.

Text & Fotos: Boris Buchholz
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