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Keine Sperrung der Havelchaussee für den Durchgangsverkehr: „Einen Nutzungskonflikt gibt es nicht“

Veröffentlicht am 22.04.2021 von Boris Buchholz


Im Sommer 2020 demonstrierte der ADFC für die Umwandlung der Havelchaussee zur Fahrradstraße. (Foto: Jan-Eric Peters)

 

Keine Sperrung der Havelchaussee für den Durchgangsverkehr: „Einen Nutzungskonflikt gibt es nicht“. Als die Drucksache 1902/V aufgerufen wurde, wurde es in der halbdigitalen Bezirksverordnetenversammlung (Bezirksverordnete vor den Computern; Bürger, Presse und Mitarbeiter im Bürgersaal des Rathauses) am gestrigen Mittwoch lauter: Es ging um den Antrag der SPD „Havelchaussee autofrei!“. Während die Bezirksverordneten in Charlottenburg-Wilmersdorf in ihrer Mehrheit dafür plädieren, die Havelchaussee zur Fahrradstraße zu machen und den Autoverkehr weitgehend zu beschränken, stand im Nachbarbezirk „nur“ die Frage zur Diskussion, ob die Uferstraße „auf dem Abschnitt zwischen Postfenn und Kronprinzessinnenweg an den Wochenenden und möglicherweise auch an Feiertagen für den Kfz-Durchgangsverkehr mit Ausnahme von Bussen gesperrt wird“, so der Antragstext. Die Debatte brachte bei manchem Redner den Puls bereits auf Wahlkampfniveau.

Die Strecke sei für Radfahrer nicht ungefährlich, meinte Yvonne Cremer (AfD): Aber nicht wegen der Autofahrer – „es fahren nicht sehr viele Autos dort“ –, sondern wegen der Bäume. Die Havelchaussee sei schlicht schwer einsehbar, was so manchen Radfahrer überfordere. Aber: „Einen Nutzungskonflikt gibt es nicht“, daher müsste auch kein Auto per Antrag ausgeschlossen werden.

Auch der Verkehrsexperte der FDP, Andreas Thimm, sah nicht das Auto als Hauptproblem an: Konflikte zwischen Radfahrern und Fußgängern seien sehr viel häufiger. Und wenn der Autoverkehr problematisch sei, dann sei es keine gute Idee ihn auszusperren: „Konflikte löst man nicht, indem man den Partner ausschließt“, küchenphilosophierte er. Die Unfallzahlen seien auf der Havelchaussee unauffällig; Familien, Wassersportler und Behinderte müssten auch weiterhin mit dem Auto das Havelufer erreichen können.

„Wir haben ein Problem mit dem Durchgangsverkehr“, widersprach Bernd Steinhoff, der Co-Fraktionsvorsitzende der grünen Fraktion. Er könne sich eine Sperrung der Straße auf der Höhe des Grunewaldturms gut vorstellen; dort könnte auch eine Busschleuse eingerichtet werden. Zudem: „Wer fährt denn die vorgeschriebenen 30 Stundenkilometer?“, fragte er in den virtuellen Sitzungsraum. Eine Hand ging auf dem Monitor nach oben: „Oh, Herr Breidenbach, Ihnen glaube ich das.“

Die meisten Autofahrer rollen nicht mit 30 Stundenkilometern durch den Wald, befand Olemia Flores Ramirez von der SPD. Sie kenne die Havelchaussee seit 30 Jahren – neben der Geschwindigkeit sei auch die Wildparkerei in der Natur ein Ärgernis.

Das rief den CDU-Fraktionsvorsitzenden Torsten Hippe vor das Mikrofon: Wildparken? Wie soll das denn gehen, überall lägen doch die teuren Granitblöcke am Straßenrand. „Die Havelchaussee dient der Erschließung eines Ausflugsgebiets“, und das müsse auch so bleiben. Ob es denn ökologisch vertretbar sei, den Durchgangsverkehr zu unterbinden und die Autofahrer auf dem Weg nach Spandau über die Autobahn zu schicken? Das seien pro Weg elf Kilometer mehr! Außerdem trete das Problem der zu vollen Chaussee doch nur im Sommer und an den Wochenenden auf – dafür ganzjährig Autos nicht durchzulassen, „kann ich nicht nachempfinden“. SPD, Linken und Grünen warf er vor, „eine Entscheidung gegen den Autoverkehr“ herbeiführen zu wollen. Er habe Verständnis für jeden, der auf der Havelchaussee das Tempolimit missachte (er fügte jedoch hinzu: „Ich finde jeden Gesetzesverstoß falsch“): Man wisse ja nicht, warum das sinnvoll sei. Die Grünen würden doch nur eines wollen: „Ein Verbot!“

Das ließen natürlich die Grünen nicht auf sich sitzen: „Das mit der Verbotspartei regt mich auf!“, konterte Bernd Steinhoff – und hielt ein Plädoyer für Tempo 30 in Wohngebieten und gegen „jagenden Durchgangsverkehr“. Auch die SPD legte nach: „Es können sich nicht alle ein Auto leisten, das muss man auch mal sehen.“

So wird der Wahlkampf sein: Polemisch und mit Getöse. Am Ende der Diskussion stimmten SPD und Linke dafür, die Havelchaussee an Wochenenden für den Durchgangsverkehr zu sperren. CDU, FDP und AfD lehnten den Antrag ab – und die Grünen enthielten sich. Auch wenn die Grünen dem Antrag zugestimmt hätten, wäre er nicht durchgekommen: CDU, AfD und FDP stellten mit 28 Sitzen die Mehrheit in der BVV.

Text: Boris Buchholz
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