Namen & Neues
Mit Bildung gegen den Klimawandel: Nur wer Bescheid weiß, kann nachhaltig aktiv werden
Veröffentlicht am 03.06.2021 von Boris Buchholz
„Wir sind der Überzeugung, dass Klima-, Ressourcen- und Artenschutz, aber auch soziale Stabilität unsere Überlebensgrundlage sind“, sagte Karen Laschke vom Bezirksschulbeirat vergangene Woche – sie und ihre Kolleginnen und Kollegen vom Bildungsbeirat der Koordinierungsstelle Natur-, Umwelt- und Nachhaltigkeitsbildung waren umgeben von Grün. Der Beirat hatte in die Gartenarbeitsschule Steglitz-Zehlendorf in der Haydnstraße 20 geladen. Inmitten von Beeten, Blumen, Nutzpflanzen, grünen Hecken und Bäumen übergaben die Beiratsmitglieder das in zweijähriger Arbeit entwickelte „Leitbild für eine lebendige, vielfältige und nachhaltige Bildungslandschaft in Steglitz-Zehlendorf“ an Bau- und Umweltstadträtin Maren Schellenberg (Grüne).
„Mit diesem Leitbild haben wir ein Verständnis, wie wir die Palette der Bildungsangebote für alle Bürgerinnen und Bürger unseres Bezirks erweitern können“, sagte die Stadträtin. Dieses Ziel sieht auch der Beirat. Im frisch gedruckten Leitbild heißt es: „Wir verpflichten uns, in Kooperation und im Zusammenwirken unserer verschiedenen Bildungsansätze die Qualität und Angebotspalette in der Natur-, Umwelt- und Nachhaltigkeitsbildung zu steigern und gemeinsam innovative neue Formate auf den Weg zu bringen.“ Seit der offiziellen Übergabe stehen nicht nur die rund zwanzig Beiratsmitglieder – von Lehrern und Schülern über Vertreter von Organisationen wie dem BUND, der Wannseer Waldschule und der Botanikschule bis hin zu Volkshochschule, Jugendfreizeiteinrichtungen und Kitas – in der Pflicht, sondern auch die Bezirksverwaltung als Ganzes.
Der Gedanke hinter dem Bildungsleitbild: Nur wer weiß, welchen Einfluss er auf seine Umwelt hat und haben kann, kann sich für eine nachhaltige und gerechte Welt einsetzen. Karola Braun-Wanke von der Koordinierungsstelle Natur-, Umwelt- und Nachhaltigkeitsbildung fasst das beispielhaft so zusammen: „Wenn ich weiß, welche Lebensbedingungen eine Wildbiene braucht, dann kann ich auch handeln.“
Ortswechsel, Dahlem: Karola Braun-Wanke und ihre Kollegin Judith Hübner sitzen unter einem Baum. Als Sitzmöbel dienen Baumstämme, hinter ihnen wächst eine Blühwiese in die Höhe, Hochbeete sind zu sehen. Die beiden Frauen haben als Treffpunkt die „Blätterlaube“ vorschlagen, einem Gemeinschaftsgarten zwischen dem Kino Capitol und der Silberlaube. Der Weg der beiden Fachfrauen zum Treffpunkt war nicht weit: Die Koordinierungsstelle ist an der Freien Universität angesiedelt. Im Auftrag des Bezirks und finanziert vom Senat arbeiten die beiden Bildungsexpertinnen daran, die grüne Bildungslandschaft in Steglitz-Zehlendorf zu erfassen, zu vernetzen und durch Kooperationen neue Angebote zu kreieren.
Schon die Erarbeitung des neuen Bildungsleitbilds sorgte für Vernetzung. Als der Beirat sich vor zwei Jahren zur ersten Sitzung traf, musste erst einmal geklärt werden, wer wer ist. „Da saßen 20 Leute am Tisch und keiner kannte den anderen“, erinnert sich Karola Braun-Wanke. Dabei gibt es viele grüne Lernorte und Einrichtungen im Bezirk: von der Lichterfelder Weidelandschaft über den Botanischen Garten bis zum Freilandlabor in Zehlendorf und der Domäne Dahlem. Es gehe der Koordinierungsstelle darum, „Brücken zu bauen“ und „Neues zu schaffen“. „Eine unserer Aufgaben ist auch, die Sichtbarkeit zu erhöhen“, sagt Judith Hübner. „Gerade viele Schulen kennen die Angebote im Bezirk nicht“, berichtet ihre Kollegin aus der Praxis.
Neue Angebote. Allein dadurch, dass sich die einzelnen Akteure im Südwesten über die Koordinierungsstelle kennengelernt und sie sich mit dem Leitbild auf eine gemeinsame Handlungsgrundlage geeinigt hätten, seien bereits neue Angebote entstanden, erzählen die beiden Frauen. Zwei Beispiele: Die Volkshochschule habe das Thema Konsum und Nachhaltigkeit im Programm, die Koordinierungsstelle steuert Referentinnen und Referenten bei. Nachdem VHS-Vertreter:innen durch die Beiratsarbeit Kontakt zu einem Waldpädagog:innen geknüpft haben, bietet der nun VHS-Kurse in den Berliner Forsten an.
Beispiel Nummer zwei: Mit der Stadtbibliothek wird darüber gesprochen, wie Umwelt- und Klimafragen stärker in den Fokus der Büchereien rücken könnten. Eine Idee sind Lesungen in der Blätterlaube – vom Klimathriller, über Biographien bis zum Sachbuch. Im Leitbild heißt es dazu: „Im Zusammenspiel der Ansätze und Zugänge wollen wir neue und innovative Wege in der Natur-, Umwelt- und Nachhaltigkeitsbildung gehen: analog & digital, draußen & drinnen.“
Gute Bildung hat nicht nur ihren Wert, sondern auch ihren Preis. Durch das neue Leitbild erhoffen sich Karola Braun-Wanke und Judith Hübner auch mehr Rückenwind für die Träger der Bildungsangebote. Mehr Aufmerksamkeit, mehr Zusammenarbeit, aber auch mehr finanzielle Absicherung ist erwünscht. „Alle grünen Lernorte krebsen finanziell so rum“, fasst Judith Hübner zusammen. Im Leitbild wird eine „ausreichende, kontinuierliche personelle und finanzielle Ausstattung“ gefordert. Um dieses Ziel zu erreichen, sei eine flankierende positive Begleitung durch die Politik wünschenswert. Sie berichtet von einem Projekt, dass in der zweiten Jahreshälfte durchgeführt werden soll: „Natur und Bildung by Bike“. Es ist eine Radtour zu verschiedenen grünen Lernorten im Bezirk, mitradeln sollen Politikerinnen und Politiker, Beschäftigte der Verwaltung und Multiplikatoren. Wer sich persönlich kennt, findet eher ein offenes Ohr für Probleme und Wünsche, sei die Erfahrung aus der Netzwerkarbeit.
Viel zu tun. Auch wenn die Zusammenarbeit mit dem Umweltamt sehr gut sei – „es ist nicht so häufig, dass Verwaltungen Mut und Haltung zeigen“ –, bleibe viel zu tun, meinen die beiden Frauen von der Koordinierungsstelle. Es gebe zu wenige Angebote für Erwachsene, der Vorsatz des lebenslangen Lernens müsse mit Leben gefüllt werden. Karola Braun-Wanke spricht ein weiteres, ein politisches Problem an: „Alle Umweltbildung hilft nichts, wenn die Flächen schwinden.“ Im Leitbild steht dieser Satz: „Da gute Bildung auch die Natur braucht, treten wir dafür ein, wertvolle Grünflächen zu erhalten und versiegelte Flächen in Wiesen und Parks umzuwandeln.“
Aufbruchstimmung. Der Wunsch, dem Klimawandel aktiv etwas entgegenzusetzen, sei im Südwesten vorhanden, meint Karola Braun-Wanke. „Wir merken im Bezirk, dass hier eine große Aufbruchstimmung ist“, sagt sie, „die Leute kommen, weil sie etwas verändern wollen, die Menschen spüren, dass man etwas Neues braucht.“
In ihrer Rede bei der Entgegennahme des Leitbilds hatte Umweltstadträtin Maren Schellenberg gesagt, dass jetzt „ein Rahmen und ein Verständnis“ für eine gute Natur-, Umwelt- und Nachhaltigkeitsbildung definiert sei. Sie dankte im Namen des Bezirksamts den ehrenamtlichen Beiratsmitgliedern für ihre Zeit und ihre Expertise. Der Boden dafür, dass neue Bildungsangebote entstehen können und die Bedürfnisse der Bildungsträger wahrgenommen werden, ist bereitet. Jetzt muss gesät und dann fleißig gegossen, ökologisch gedüngt und nicht jedes „Unkraut“ gejätet werden. Damit dem Klimawandel aktiv begegnet werden kann – von möglichst vielen Menschen in Steglitz-Zehlendorf, von Alt bis Jung.
- Lesen Sie selbst. Das Bildungsleitbild können Sie hier als pdf-Datei herunterladen. Auf der Website der Koordinierungsstelle finden Sie neben vielen Informationen über Termine, Angebote und Fördermittel auch eine Übersichtskarte über die grüne Bildungslandschaft in Steglitz-Zehlendorf.