Namen & Neues

Für Nachbarn ist alles ist möglich: Das Nachbarschaftszentrum Lankwitz ist eröffnet

Veröffentlicht am 17.06.2021 von Boris Buchholz


Umgeben von Seifenblasen: Katja Krause leitet den Nachbarschaftsladen in der Leonorenstraße 85.

 

Für Nachbarn ist alles ist möglich: Das Nachbarschaftszentrum Lankwitz ist eröffnet. Wo sich früher Coiffeur König befand und Haare kunstvoll geschnitten wurden, treffen sich heute Nachbarinnen und Nachbarn: Anfang Juni öffnete das neue Nachbarschaftszentrum in der Lankwitzer Leonorenstraße 85 seine Glastüren. „Einen Namen gibt es noch nicht“, berichtet Mitarbeiterin Katja Krause, der soll zusammen mit den Menschen aus dem Kiez erst noch gefunden werden. „Geplant und angedacht ist alles, was die Nachbarinnen und Nachbarn wollen“, sagte Katja Krause beim Pressegespräch am Montag. „Wir suchen Communities für Hausaufgabenbetreuung, Leute mit Interesse an Sport oder Kultur“. Demnächst werde eine Lankwitzerin einen Kulturabend anbieten, sie wolle gemeinsam zeichnen – drei Damen hätten bereits zugesagt.

Das Prinzip lautet: In den zwei Räumen auf 150 Quadratmetern in Lankwitz-Kirche ist alles möglich, was die Lankwitzer möchten – das Nachbarschaftszentrum kann für eine Doppelkopf-Runde unter Freunden ebenso genutzt werden wie für einen Dia-Abend, Yoga oder politische Diskussionen. Eine Mutter wolle eine Pekip-Kurs anbieten, berichtet die Mitarbeiterin, eine andere wolle mit Kindern lesen. Wenn es Wünsche gibt, die die Menschen aus der Nachbarschaft aus eigener ehrenamtlicher Kraft nicht erfüllen können, können auch Fachleute oder Künstler  auf Honorarbasis engagiert werden, erläutert Katja Krause. Wichtig sei, dass die Menschen kommen und sagen, was sie wollen. Das Stadtteilzentrum sei ihr Ort.

Sie wirkt entspannt und voller Energie. Jeder Besucher sei willkommen, sagt sie. Bei einem Kaffee, bei Tee oder Wasser stehe sie für Gespräche bereit, höre zu, berate auf Wunsch auch gerne. Sie fungiere als „Beratungswegweiser“, erklärt sie. Wenn es zu speziell wird, verweist sie an eine kompetente Beratungsstelle. Zwei mit Glaswänden abgetrennte „Zimmer“ sind in dem vorderen der beiden großen Räume integriert; hier kann auch vertraulich geredet werden. Und wer nicht reden, sondern sich einfach ans Klavier setzen möchte, der dürfe spielen.

„Es geht um die Aktivierung der Nachbarschaft“, sagt Katja Krauses Kollege Hanno Giese. Nach seiner Beobachtung gebe es Bedarf: „Die Menschen wollen sich autonomer organisieren.“ Während er beim Nachbarschaftsverein Mittelhof angestellt ist, ist Katja Krause Mitarbeiterin des Stadtteilzentrums Steglitz – beide Organisationen tragen gemeinsam das Projekt „Stadtteilzentrum SüdOst“: Dazu gehört neben der Leonorenstraße 85 auch das Nachbarschaftshaus Lilienthal in der Schütte-Lanz-Straße 43 in Lichterfelde. Mit 120.000 Euro im Jahr wird das Projekt vom Senat finanziert. Beide Nachbarschafts-Organizer halten große Stücke auf die Zusammenarbeit: „Unser Einfluss wächst, je mehr die Träger und Menschen kooperieren“, meint Hanno Giese. Zudem hätten Mittelhof und Stadtteilzentrum so viele Projekte im Angebot, dass sich immer ein passender Gesprächspartner für ihre Besucher fände.

Sie sei glücklich, sagt Jugend-, Gesundheits- und Integrationsstadträtin Carolina Böhm (SPD) beim Pressegespräch, dass jetzt ein weiteres Stadtteilzentrum im Bezirk eröffnet sei. Die barrierefreien, niedrigschwelligen und kostenfreien Zentren hätten eine große Bedeutung für die Entwicklung der Nachbarschaft. In Lankwitz hätte es zuvor nicht viele Angebote gegeben. Dabei gebe es nicht nur in der Lichterfelder Thermometersiedlung soziale Probleme, auch in manchen Wohngebieten in Lankwitz sei es „kipplig“. Der nächste Nachbarschaftsladen im Südwesten könnte irgendwo rund um die Schloßstraße entstehen, dort könnten demnächst die ersten Milieuschutzgebiete des Bezirks ausgerufen werden: „Wir beobachten das.“

Das Nachbarschaftszentrum im ehemaligen Friseurgeschäft soll auch dazu beitragen, dass sich alte und neue Nachbarn kennen und wenn möglich schätzen lernen. Knapp 400 Meter entfernt betreibt das Stadtteilzentrum im Auftrag des Senats die Gemeinschaftsunterkunft Leonorenstraße, dort leben um die 360 geflüchtete Neu-Lankwitzerinnen und Neu-Lankwitzer. „Zwei Personen haben auf ihrer ‚Reise‘ nach Berlin fotografiert und wollen hier eine Ausstellung machen“, sagt Katja Krause. Manche Beratung des Integrationsbüros finde nicht in der Unterkunft – da gebe es nur wenige für Besprechungen geeignete Räume –, sondern im Nachbarschaftszentrum statt. Katja Krause lacht: „Und wir haben hier Wlan.“ Auch zum Arbeiten oder für Schularbeiten könnten Bewohnerinnen und Bewohner die Infrastruktur in der Leonorenstraße 85 nutzen.

Ein Projekt ist ihr noch besonders wichtig: der Gemeinschaftsgarten. Auf dem Gelände der Flüchtlingsunterkunft haben Nachbarn und Bewohner einen Garten angelegt, immer ein Tandem aus Neu- und Alt-Lankwitzer betreut ein Hochbeet  – 1,20 mal 1,80 Meter. Beide pflanzen und pflegen ihr Beet gemeinsam, die Ernte wird geteilt. Zum Ausruhen und Quatschen wurde eine Lounge-Ecke aus alten Paletten gezimmert. Ob man noch mitmachen könne? „Wir haben eine Warteliste“; Katja Krause klingt zufrieden. Auch einen Mediationskurs für Nachbarschaftsstreitigkeiten soll es ab Mitte Juli geben: „Es geht dann darum, Konflikte ohne Außenstehende zu lösen“, erklärt die Mitarbeiterin. Immer mal wieder käme es zum Beispiel mit Nachbarn der Unterkunft zu Unmut über die Lautstärke oder Abfall. „Da muss die Polizei nicht alle Stunde kommen, weil eine Plastiktüte stört“, sagt Katja Krause. Am 15. Juli soll der Kurs beginnen, für zehn Teilnehmer gebe es Plätze, alte und neue Nachbarn seien willkommen.

Die Türen sind geöffnet, am Montag flogen Seifenblasen-Wolken auf die belebte Leonorenstraße. Vieles scheint möglich, jetzt sind die Lankwitzer aufgerufen, ihren Nachbarschaftsladen für sich zu erobern.

  • Kontakt: Bis auf freitags ist Katja Krause bis um 14 Uhr in der Leonorenstraße 85; am Freitag steht sie am Nachmittag für einen Besuch und Gespräche bereit. Mehr Informationen gibt es auf der Website stz-südost.de.

Text & Foto: Boris Buchholz
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